Ein Knastausbruch sorgt zwar für mehr Wirbel als ein in den Flammen umgekommener Flüchtling. Dennoch sitzt Frieden fest im Sattel. Einziger Hoffnungsschimmer für inhaftierte Asylbewerber: ein historisches Urteil des Verwaltungsgerichtes.
Abgelehnte Asylbewerber gehören nicht ins Gefängnis. Das widerspricht dem Luxemburger Rechtssystem. Diese nicht sehr überraschende Feststellung machte das Verwaltungsgericht am 15. Februar und befand, dass der gegen die Haft seine Haftbedinggungen im Rahmen einer Abschiebung klagende Tunesier sofort freigelassen werden muss. Ein Urteil, das hierzulande angesichts der seit Jahren herrschenden Zustände leider als „historisch“ bezeichnet werden kann.
Ein Urteil auch, das (hoffentlich) nicht ohne Folgen bleiben wird. Denn die Begründung des Gerichts, die eingeschränkte Bewegungsfreiheit verstoße gegen die Menschenrechte, trifft nicht nur auf den Kläger zu. Dieselben Haftbedingungen gelten für die derzeit rund 30 inhaftierten Asylbewerber.
Historisch ist das Urteil vor allem deswegen, weil man sich hierzulande weitgehend damit abgefunden hat, dass Sans Papiers in Schrassig weggesperrt werden, bis ihre Abschiebung vollzogen wird. Die Kritik, die diese Kriminalisierung von Asylbewerbern hervorrief, blieb ohne Folgen. Ebenso die verzweifelten Versuche der Häftlinge, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Auf einen Hungerstreik im Jahr 2003 folgten mehrere Brände. Als im Januar vergangenen Jahres bei einer dieser Aktionen ein Asylbewerber ums Leben kam, blieb das Mitgefühl der LuxemburgerInnen auf den spärlich besuchten Mahnwachen überschaubar.
Justizminister Luc Frieden musste sich damals keine Sorgen um seinen Posten machen. Statt Fehler einzuräumen, lobte er seine Beamten, die selbst beim Abtransport der verletzten Gefangenen ins Krankenhaus für die Sicherheit der Luxemburger Bürger sorgen konnten. Angesichts des Toten und der Verletzten hinter den Knastmauern war diese Reaktion an Zynismus kaum zu überbieten. Schuld an allem sei die kriminelle Energie der inhaftierten Flüchtlinge, so Frieden. Nicht nur die Chamber, auch die Öffentlichkeit gab sich weitgehend mit den Erklärungen dieses selbstbewussten Justizministers zufrieden.
Das ist auch jetzt nicht anders. Ein Knastausbruch sorgt zwar offensichtlich für deutlich mehr Wirbel als ein Brand mit tödlichen Folgen. Doch auch bei dieser Panne darf sich der verantwortliche Minister die wildesten Räubergeschichten zurechtlegen, um von Fehlern in Schrassig abzulenken. Da wird ein Mafiaboss kurzerhand zum Hochleistungssportler mit militärischer Kampftruppenerfahrung. Eine Eigenschaft, von der zwar nichts in seinen Akten steht, aus der sich jedoch Luc Frieden das Muster für die Erklärung der Flucht zurechtstrickte. Politisch unter Druck steht der verantwortliche Minister deshalb auch diesmal nicht. Außer einem DP-Abgeordneten scheint sich niemand so recht aufregen zu wollen.
Da gibt es wohl wenig Hoffnung, dass der gerade anlaufende Prozess gegen die Brandstifter von vor einem Jahr viel bewegen wird. Die Kriminalkammer sei kein Forum, um dem Justizminister Vorschriften zu machen, wie Gefängnisse oder Flüchtlingsheime zu konzipieren sind, wies Richter Prosper Klein die Anwälte der Asylbewerber vorsorglich zurecht. Seine persönliche Auffassung zum Thema Asylpolitik verheimlichte er indessen nicht: Wem es hier nicht gefallen haben sollte, wird Klein auf wort-online zitiert, der habe ja immerhin die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr gehabt. Dass sogar Schrassig besser als die Heimkehr ist, gibt offensichtlich auch diesem Richter nicht zu denken.
Dass nun ein Elektrozaun rund um die Haftanstalt für mehr Sicherheit sorgen soll, wird die Zustände innerhalb der Mauern kaum verbessern. Für die widerrechtlich eingesperrten Asylbewerber gibt es seit dem 15. Februar zumindest eine Hoffnung: sich auf das Urteil vom Verwaltungsgericht zu berufen und ebenfalls gegen die Haftbedingungen in Schrassig klagen. Vorausgesetzt, sie verfügen über die notwendigen Sprachkenntnisse und Kontakte, sich einen Anwalt zu besorgen.