WELTKLIMAGIPFEL: Zurück auf Los?

So groß wie die Hoffnung, die in den Kopenhagener Gipfel gesetzt wurde, ist auch die Enttäuschung über seinen Ausgang. Was bedeutet die Diskrepanz zwischen Erwartung und Ergebnis für die Zukunft?

Am Ausgang des Konferenzzentrums.

Vor zwei Jahren hatten die 192 Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention in Bali beschlossen, bei ihrem 15. Jahrestreffen in Kopenhagen ein neues Klimaschutzabkommen zu unterzeichnen. Angesichts der alarmierenden Erkenntnisse der Klimaforscher war klar, dass dringend eine Antwort auf die Erderwärmung und ihre gefährlichen Folgen gefunden werden musste. Bei den Vorverhandlungen hatten sich drei Hauptanforderungen an ein Folgeabkommen für das Ende 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll herauskristallisiert: Ein „Kopenhagen-Protokoll“ sollte fair, ambitioniert und rechtlich verbindlich sein. Das Abschlussdokument, der „Copenhagen Accord“, erfüllt keinen dieser Ansprüche, weshalb der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren den Ausgang des Klimagipfels als „Katastrophe“ bezeichnete.

Dass es so gekommen ist, liegt am Beharren wichtiger Akteure auf gegensätzlichen Standpunkten. Einerseits verlangten die USA und die EU, die neuen „Klimasünder“ China, Brasilien und Indien sollten ihre Emissionen begrenzen, andererseits forderten die Entwicklungsländer, die Industriestaaten müssten ihre „Klimaschuld“ begleichen. Während die Schwellenländer eigene Anstrengungen zum Klimaschutz auf freiwilliger Basis angekündigt haben, reichen die zugesagten Finanzhilfen der Industriestaaten an die Entwicklungsländer nicht annähernd, um sich an die dort bereits spürbaren Folgen des Klimawandels anzupassen. Ein eher symbolischer Sieg für die Entwicklungsländer besteht darin, dass in Kopenhagen das Thema Klimagerechtigkeit als Bestandteil der weiteren Verhandlungen festgeschrieben wurde.

Fairness

Auch der Ablauf des Gipfels hat die Hoffnungen auf eine gerechte Klimapolitik enttäuscht. Im Endspurt haben 30 Staats- und Regierungschefs das unter sich ausgemacht, was während zwei Jahren Gegenstand internationaler Kompromisssuche war. Das Schlussdokument berücksichtigt vor allem die Interessen der USA und Chinas. Ob die EU sich in Zukunft wieder stärker behaupten kann, hängt vor allem davon ab, wie konsequent sie ihre eigene Umstellung auf CO2-Neutralität verfolgt und wie erfolgreich ihre wirtschaftliche Entwicklung dabei verläuft. Sudan, Bolivien und der kleine Inselstaat Tuvalu haben bei der Schlussabstimmung ihre Unterstützung für den von oben oktroyierten Text verweigert.

Vor dem Gipfel hatten die Klimaforscher gefordert, die CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 und um 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990 zu senken. Dieses Ziel erschien einigen Länder, die heute schon mit den Folgen des Klimawandels kämpfen, quasi als „Selbstmordpakt“ und von vornherein nicht ausreichend. Die Industriestaaten erkennen dieses Ziel, das einer maximalen Erderwärmung von zwei Grad entspricht, im Prinzip an, haben aber in Kopenhagen nicht einmal die hierfür notwendigen Reduktions-Angebote gemacht. Das bedeutet, dass sie einerseits riskieren, dieses Ziel zu verfehlen, und andererseits zu einem späterem Zeitpunkt wesentlich teurere und drastischere Maßnahmen ergreifen müssen, um gefährliche Folgen des Klimawandels zu verhindern.

Wenn die Treibhausgas-Emissionen nach 2015 nicht stetig sinken, müssen alle Länder mit einer Zunahme extremer Wetterphänomene rechnen. Die Inselstaaten werden mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit unter dem Meeresspiegel verschwinden, und die Konflikte um lebensnotwendige Ressourcen weltweit zunehmen. Gleichzeitig muss mit folgenschweren Rückkopplungseffekten gerechnet werden. Beispielsweise würden durch das Auftauen des sibirischen Permafrosts enorme Mengen des dort gebundenen Treibhausgases Methan freigesetzt.

Neben den Reduktionszahlen war eine große Erwartung an Kopenhagen, dass die USA endlich in eine rechtsverbindliche internationale Klimapolitik integriert werden könnten, und eventuell auch die Schwellenländer China, Indien und Brasilien. Der „Copenhagen Accord“ ist dagegen lediglich eine politische Absichtserklärung. Der Satz, in dem 2010 als Zeithorizont festgelegt werden sollte für die Übersetzung des Dokuments in einen rechtlich verbindlichen Text, wurde in den letzten Verhandlungsstunden noch gestrichen. Es ist zu vermuten, dass die USA und China auf absehbare Zeit nicht an einem verbindlichen Vertrag interessiert sind. Das ist besorgniserregend, weil der Klimawandel eigentlich keine Zeit lässt für den langwierigen und zähen politischen Prozess, der scheinbar noch nötig ist, bis sie sich auf verbindlichen Zusagen einigen können.

Ein „Zurück auf Los“ ist nicht möglich, denn nach Kopenhagen sind die Prämissen nicht mehr die gleichen. Es ist wertvolle Zeit verloren worden. Das Misstrauen zwischen reichen und armen Länder ist tiefer als vorher und wird die Verhandlungen im Rahmen der UNO in Zukunft belasten. Die Zivilgesellschaft hatte große Hoffnungen in den Klimagipfel in Kopenhagen gesetzt – angesichts des enttäuschenden Resultats ist eine gewisse Ernüchterung zu erwarten. Nach Kopenhagen ist es schwieriger, die Dringlichkeit des Problems zu vermitteln.

Verbindlichkeit

Aber die Schlussfolgerung müsste im Gegenteil lauten, dass alle Bürger, Gemeinden, Organisationen, Städte und Länder, die auf einen ambitionierten Deal gehofft hatten, es nicht beim Lamentieren über den Ausgang des Gipfels belassen sollten. Von der woxx nach den Gründen für das Scheitern des Gipfels befragt, hat der französische Umweltaktivist und Filmemacher Yann Arthus-Bertrand, mit einer Gegenfrage geantwortet: „Sind wir selber entschlossen genug, die nötigen Entscheidungen zu treffen und den Politikern das Mandat für wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu geben?“

Die Umweltjournalistin Pia Oppel war für die woxx vor Ort in Kopenhagen. Ihr Live-Blog kann unter www.forum.lu nachgelesen werden.


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