Einfach nur das Klima retten: Zu spät!

Zweimal in der Geschichte der Klimapolitik hat die Staatengemeinschaft die Chance für eine Umkehr verpasst. Nun muss sie radikal umdenken und einen Global Green New Deal zustande bringen.

Pixabay ; Pete Linforth

Nach der UN-Klimakonferenz im November sei das Glas „halb voll“, so das salomonische Urteil des CSV-Abgeordneten Paul Galles bei der Chamberdebatte am Mittwoch. Die meisten Redner*innen positionierten sich ähnlich, nur Myriam Cecchetti (Déi Lénk) übte sich in grundsätzlicher Kritik und verwies unter anderem auf die zweifelhaften Investitionen des Renten-Reservefonds, die nicht zu den von der Regierung angekündigten Klimazielen passen. Doch solche Kritik, und erst recht das vorsichtige Lob der internationalen und nationalen Klimapolitik durch Galles und Co. greifen zu kurz.

Die COP26 war ein Desaster. Die Stimmen der Zivilgesellschaften des Südens wurden kaum gehört, die neuen Verpflichtungen zur CO2-Reduktion, seitens der Industrie- wie seitens der Schwellenländer, waren viel zu niedrig und die Zusagen für Nord-Süd-Finanztransfers völlig unzureichend. Vor allem aber zeigte die Konferenz keine globalen klimakompatiblen Entwicklungsperspektiven auf; die Diskussionen, zum Beispiel über globale Karbonmärkte, gingen an einer solchen Fragestellung völlig vorbei. Was beschlossen wurde, kommt über zehn Jahre zu spät, was man hätte beschließen müssen, wurde nicht einmal angerissen.

Dieses Scheitern hat Methode. Als 1992 der „Earth Summit“ in Rio den Klimawandel auf die internationale Tagesordnung setzte, lag die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre noch bei etwa 350 „parts per million“ (ppm). Das waren schon 70 ppm mehr als vor der Industrialisierung, doch vielleicht hätte man die Erderwärmung noch mithilfe einer technologischen Anpassung aufhalten können. Eine Umstellung des Wirtschaftsmodells der Industrieländer auf erneuerbare Energien hätte auch für die Schwellenländer eine Signalwirkung gehabt und den Entwicklungsländern frühzeitig einen kostengünstigen Zugang zu den Technologien ermöglicht.

Das diesen Anforderungen entsprechende Kyoto-Protokoll trat jedoch erst 2005 in Kraft – zu spät, um noch zielführend zu sein. Die CO2-Konzentration lag inzwischen bei 380 ppm; nun schienen größere Anstrengungen zum Klimaschutz geboten. Bei der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen stand das 1,5-Grad-Ziel bereits zur Debatte und es war klar, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer für den Ausstieg aus fossilen Energien massive Finanztransfers benötigen würden. Doch es blieb beim Zwei-Grad-Ziel und einem vagen Versprechen über 100 Millionen Dollar jährlich … ab 2020. Hätte man beides sofort beschlossen, vielleicht hätte man dann den Klimawandel mittels Technologie- und Finanztransfers noch stoppen können. 2015 kam endlich das Pariser Abkommen zustande; angewendet wird es erst ab kommendem Jahr. Wieder einmal zu spät, um seinem Zweck gerecht zu werden.

Den Preis für die Stabilisierung der Erderwärmung würden Entwicklungs- und Schwellenländer zahlen.

Mittlerweile liegt die CO2-Konzen- tration bei 415 ppm, die internationalen Beziehungen sind frostiger denn je und der globale Süden muss befürchten, nach Finanz- und Covidkrise auf der Strecke zu bleiben. Dies umso mehr, als sich die klimapolitischen Finanztransfers als viel zu gering erweisen und teilweise in Form von Darlehen erfolgen. Mit anderen Worten: Sollte die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten auf diese Weise auf einem akzeptablen Niveau stabilisiert werden, dann würden die Entwicklungs- und wohl auch die Schwellenländer dafür einen hohen Preis zahlen in Form von Überschuldung und Verarmung.

Technologien und fixe Finanzhilfen werden nicht mehr ausreichen, um eine gerechte weltweite Transition zu ermöglichen. Was auf der COP26 noch nicht diskutiert wurde und trotzdem zeitnah beschlossen und umgesetzt werden muss, ist ein „Global Green New Deal“. Und zwar nicht einer von der Art, wie ihn die UN bereits zur Erreichung der „Sustainable Development Goals“ propagiert, im Rahmen klassischer zwischenstaatlicher diplomatischer und Wirtschaftsbeziehungen. Um den Klimawandel ohne riesige Kollateralschäden zu stoppen, braucht es einen gemeinsamen Plan für die langfristige weltweite wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Das läuft darauf hinaus, die lokalen Entwicklungsdefizite als „inländische“ Probleme zu begreifen, für deren Behebung die besser gestellten Regionen des Planeten gemeinsam zuständig sind. Und zwar noch ehe es auch dafür zu spät ist.


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