ARBEITSLOSIGKEIT: Dauerhoch

Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) sieht sich mit einer Rekord-Arbeitslosigkeit konfrontiert.

Sogar die Jugendorganisationen der Regierungsparteien verlangen Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit – hier bei einer Pressekonferenz vergangene Woche. Der zuständige Minister wehrt sich und geht in die Offensive.

Eigentlich wollte Arbeitsminister Nicolas Schmit am Mittwoch mit positiven Nachrichten dem in den Reihen der Opposition, aber auch der Sozialpartner, erhobenen Vorwurf entgegentreten, er und seine RegierungskollegInnen seien bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, und im besonderen der der Jugendlichen, untätig. Doch ausgerechnet das von ihm reformierte Arbeitsamt machte ihm einen Strich durch die Rechnung: Wenige Stunden vor der vom Minister anberaumten Pressekonferenz veröffentlichte die Adem die jüngsten Zahlen zum Luxemburger Arbeitsmarkt, und die haben es in sich.

„Das Jahr 2013 fängt nicht so positiv an, wie man es sich hätte wünschen können“, stimmte der Arbeitsminister die Presse auf das Folgende ein. Zwar sei der Dezember generell kein guter Monat für die Arbeitsmarktsituation, da dann eine Reihe von Verträgen und Beschäftigungsmaßnahmen regulär endeten, doch habe ihn die gegenwärtige Entwicklung dennoch überrascht. Mit 16.963 in Luxemburg lebenden Personen, die Arbeit suchen und auch nicht in einer Beschäftigungsmaßnahme untergekommen sind, wurde zum 31. Dezember ein historischer Höchststand erreicht. Im Monat davor lag die Zahl noch bei 15.578. Die saisonbereinigte Arbeitslosenrate betrug somit 6,4 Prozent, gegenüber 5,8 Prozent im Dezember 2011. Genaugenommen müsste man zu diesen Zahlen noch die 4.763 Personen rechnen, die in eine „mesure pour l’emploi“ vermittelt wurden. Auch deren Zahl hat in einem Jahr um 16,3 Prozent zugenommen.

„Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Krise auch in Luxemburg angekommen ist. Im dritten Trimester ist die Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft, die Zahlen für das letzte Trimester 2012 werden nicht viel besser sein“, so Nicolas Schmit. Das seien zwar Werte, die um ein Vielfaches besser sind als im restlichen Europa – mit Ausnahme vielleicht von Deutschland -, doch leide die Luxemburger Wirtschaft unter der schlechten Lage in Europa. „Wir exportieren vor allem in die Eurozone, und gerade dort bricht die Nachfrage ein“, versucht Schmit die sehr bedenklichen Werte zu erklären.

Obwohl der Luxemburger Arbeitsmarkt dynamisch bleibe – im Jahre 2012 seien etwa 7 bis 8.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden – nehme die Arbeitslosigkeit in Luxemburg zu. Die Situation in den Nachbarregionen, insbesondere im französischen Grenzgebiet, habe sich weiter verschlechtert; damit steige auch der Druck auf den Luxemburger Arbeitsmarkt: Vor allem besonders qualifizierte Arbeitskräfte drängten nach Luxemburg.

Auch wenn Schmit durchaus auch konjunkturelle Faktoren für den jüngsten Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit verantwortlich macht, will er seine Aufmerksamkeit doch vor allem den strukturellen Problemen widmen. Insbesondere das Problem der Jugendarbeitslosigkeit habe ureigene Luxemburger Ursachen, die in konjunkturell schweren Zeiten nur etwas deutlicher zu Tage träten. Allerdings relativiert Schmit die Behauptung, die Jugendarbeitslosigkeit sei überproportional angestiegen. „Die Zahl der jungen Arbeitslosen steigt langsamer als die der älteren“, stellt der Minister fest, der damit nicht nur die politische Opposition, sondern auch die Jugendorganisationen der beiden Regierungsparteien (siehe woxx 1198) korrigiert. Der Trend sei trotzdem besorgniserregend, da inzwischen nicht mehr nur die unausgebildeten Jugendlichen betroffen seien.

„Wir produzieren eine ?génération perdue'“, stellt Schmit fest und verlangt, dass den von ihm vorgestellten Maßnahmen oberste Priorität eingeräumt werden müssen. Ein dramatischer Warnruf – bei dem allerdings nicht ganz klar ist, ob er einen Appell an seine RegierungskollegInnen darstellt, sich dieser Problematik ebenfalls zu stellen, oder ob er vor allem dazu dient, hervorzuheben, dass der Minister zwar die Arbeitslosigkeit verwaltet, aber nicht die Schuld an ihrer Zunahme trägt.

Die Grünen erhöhten Ende letzter Woche den parlamentarischen Druck auf die Regierung, aber eben auch auf den Arbeitsminister, indem sie von den zuständigen Parlamentskommissionen verlangten, eine Bilanz der Reform der beruflichen Ausbildung zu ziehen. Außerdem fordern sie den Minister auf, die auch von ihm auf europäischer Ebene initiierte „Garantie jeunes“ endlich auch in Luxemburg umzusetzen. Nach dieser Regelung haben junge Arbeitssuchende nach Verlauf einer festgesetzten Frist einen Rechtsanspruch auf eine Anstellung oder zumindest die Beschäftigung in einer Fördermaßnahme.

Und auch den aus den europäischen Höhen herabgestiegenen Premier haben die Grünen im Visier: Die besorgniserregende Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt solle zur Chefsache erklärt werden und in einen „Plan d’action national“ münden – unter Teilnahme der Sozialpartner.

Distanz zu Juncker

Mit seiner Pressekonferenz am Mittwoch, die er unter das Thema „La politique de l’emploi: bilan et futures mesures“ gestellt hatte, bemühte sich Arbeitsminister Nicolas Schmit sichtlich, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Schon Mitte des Monats hatte er einen Brief an die Mitglieder des Comité permanent de l’emploi verschickt und zu einer Art Konferenz am 20 Februar eingeladen. Es gelte, alle Akteure an einen Tisch zu bringen, um die „courbe du chômage“ möglichst rasch umzukehren.

Nicolas Schmit relativiert auch – ohne sich formell von ihm zu distanzieren – die Äußerungen des Premiers zur Jugendarbeitslosigkeit. Anlässlich des Neujahrsempfangs des Unternehmerverbands Fedil hatte Jean-Claude Juncker sich über den geringen Arbeitseifer der jugendlichen Arbeitslosen beklagt und von ihnen verlangt, auch Jobs in Bereichen anzunehmen, die Luxemburgern nicht fein genug sind, etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe Horeca.

Es sei aber nicht der Fall, so der Minister, dass alle als arbeitslos gemeldeten Personen einfach nur ihr Arbeitslosengeld einstreichen und auf der faulen Haut liegen. Nur etwa jeder dritte der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahre beziehe Geld von der Adem. Und es treffe auch nicht zu, dass die Luxemburger grundsätzlich Sektoren wie Horeca mieden. Sicherlich sei ihr Anteil dort niedriger als in anderen Bereichen, aber die etwas pauschale Aussage des Premiers „trägt der Komplexität der Situation nicht Rechnung“.

Die auf Junckers Auslassungen erfolgte Schelte von Seiten der Gewerkschaftsjugend dürfte es Schmit erleichtern, seinen Anspruch auf alleinige Zuständigkeit in diesen Fragen geltend zu machen.

Schmit versucht den Spagat zwischen den Rollen des strengen Arbeitsmarktorganisators und des verständnisvollen Sozialpolitikers – und hält so Distanz vom Biertischniveau des Regierungschefs. Und er gibt sich handlungsfreudig: Noch am heutigen Freitag soll der Regierung ein Gesetzesprojekt zur Verbesserung des „sozialen Dialogs in den Betrieben“ vorgelegt werden; ein Vorschlag zur Reform der rigiden Bestimmungen zur Wiedereingliederung als arbeitsunfähig geltender Personen soll laut Aussagen des Ministers folgen.

Schwerpunkt bleibt aber für Schmit das Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Ein erstes Pilotprojekt aus dem Jahre 2012 zeigt ein eher durchwachsenes Resultat. Von 179 für eine spezifische Qualifizierungsmaßnahme geladenen Jugendlichen konnten 96 als geeignet zurückbehalten werden – etwa 80 leisteten der Einladung erst gar nicht Folge. 58 nahmen an der Maßnahme teil und 51 schlossen die Ausbildung ab. Eine zweite Maßnahme, die seit Dezember 2012 läuft, weist eine ähnliche „Erfolgsquote“ auf: Von 161 geladenen Jugendlichen sind zur Zeit 56 in Ausbildung. Ob die beiden Maßnahmen auch zu dauerhaften Jobs führen, kann erst die Zukunft zeigen.

Das Problem bei diesen oder ähnlichen Maßnahmen: Weil sie keinerlei Jobgarantie bieten, wird auch ein erfolgreicher Abschluss von vielen TeilnehmerInnen als Niederlage empfunden, wenn es nicht in ein konkretes Arbeitsverhältnis mündet. Schmit appelliert an die Betroffenen, aber auch irgendwie an die restlichen Akteure, nicht nach dem ersten Versuch zu resignieren. Es könne durchaus sein, dass bei einigen der Knoten erst nach der dritten, vierten oder gar fünften Maßnahme platzt. Und es werde immer soziale Kontexte geben, in denen Menschen in eine Art Mentalität der Arbeitslosigkeit hineingeboren werden, sodass sie am Ende als nicht integrierbar eingestuft werden müssen. In solchen Fällen bleibe eben doch der Weg über die Beschäftigungsmaßnahmen, die nicht unter dem Zwang stehen, sich am Markt zu behaupten.


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