Anfang kommender Woche wird in Ägypten der Präsident neu gewählt. Wie vorigen Sonntag in Russland, ist auch am Nil nicht mit einer Überraschung zu rechnen. Machtkämpfe werden in dem Land jedoch gleichwohl ausgetragen.
Vielleicht sollten autokratische Herrscher die Wahlen in ihren jeweiligen Ländern künftig auf ein gemeinsames Datum legen. Dann wäre wenigstens auf diese Weise etwas Spannung gegeben. Wie der am vergangenen Sonntag mit 76,6 Prozent der abgegebenen Stimmen wiedergewählte russische Präsident Putin, hat auch der amtierende ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi dafür gesorgt, dass kein Kandidat und keine Kandidatin ihm den Posten streitig machen wird. „Ernsthafte Gegenkandidaten sind nicht zugelassen oder wurden eingeschüchtert. So bleibt der frustrierten Opposition nichts weiter, als diese Pro-Forma-Wahl zu boykottieren“, berichtet unser Autor Ekkehart Schmidt am kommenden Freitag in der Printausgabe der woxx.
Sieben Jahre nach dem Arabischen Frühling gibt es am Nil nun also lediglich ein erzwungenes Referendum über den neuen „Rais“. Al-Sisi regiert seit 2013. Damals hatte er dem Muslimbruder Mohammed Mursi die Macht entrissen, der im Juni 2012 die ersten freien Präsidentschaftswahlen des Landes gewonnen hatte. 2014 hatte sich al-Sisi bei einer vergleichbaren Wahlfarce wie der diesjährigen zum Präsidenten küren lassen.
Für die woxx bietet der als sicher geltende Wahlausgang den Anlass, in Ägypten eher hinter die Kulissen zu blicken. Ekkehart Schmidt widmet sich dem dortigen Machtgefüge am Beispiel der Kairoer Stadtentwicklung. Er beobachtet einen radikalen Umbau insbesondere des Viertels um den Tahrir-Platz, und fühlt sich dabei an die Mubarak-Jahre erinnert. Auch damals seien „städtebauliche Fakten geschaffen worden, ohne die Zivilgesellschaft zu beteiligen“.
Zwar haben nicht wenige Gebäude der Hauptstadt eine Runderneuerung dringend nötig, wenn ihre Bausubstanz erhalten bleiben soll. Doch was momentan geschehe, sieht für den Autor eher nach neoliberaler Restrukturierung der Innenstadt und einer Verdrängung einkommensschwacher Schichten aus. Dabei drohen auch viele klassische Gebäude, die teils noch aus dem Fin de siècle stammen, dem Abrissbagger zum Opfer zu fallen.
Ökonomische und politische Interessen erweisen sich in der aktuellen Entwicklung als stark verquickt. Schmidt bezieht sich auf die ägyptische Soziologin Mona Abaza, die der häufig glorifizierten Rolle der Militärs beim Sturz des Autokraten Hosni Mubarak eine andere Interpretation beigesellt. So sei die Revolte von 2011 vor allem eine „golden opportunity” für jene Gruppen des Militärs gewesen, die mit Mubarak und seiner Clique um den Zugriff auf die ökonomischen Ressourcen des Landes konkurriert hatten. Der Anteil der Militärs an der Verfügungsgewalt über die ägyptische Ökonomie wird derzeit auf 25 bis 40 Prozent geschätzt.
Den Bericht von Ekkehart Schmidt anlässlich der Wahlen in Ägypten lesen Sie am Freitag in der gedruckten Ausgabe der woxx.
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