Im Urwald Kolumbiens nehmen Geburtshelfer*innen gefährliche Wege auf sich, um werdende Mütter zu unterstützen. Die Doku „Die Urwald-Hebammen Kolumbiens“ begleitet drei Frauen, deren Beruf staatlich nicht anerkannt ist.

Die Hebamme Pacha sammelt im Urwald Pflanzen, um Heilmittel für die Schwangeren herzustellen. (Bildquelle: arte.tv, Screenshot)
Keylas Arbeitsweg dauert vier Stunden. Die Afrokolumbianerin läuft die gefährliche Strecke zu Fuß, mit vollem Rucksack auf der Schulter. Sie will Hebamme werden. Die Dokumentation „Die Urwald-Hebammen Kolumbiens“ erzählt ihre und zwei weitere berührende Geschichten kolumbianischer Hebammen, die den Regenwald durchdringen und ihr Leben riskieren, um Schwangere indigener Stämme zu betreuen.
Die Dokumentation spielt unter anderem im Departamento del Chocó im Nordwesten Kolumbiens. Die meisten Bürger*innen leben in ärmlichen Verhältnissen in abgeschiedenen Dörfern im Dschungel. Sie haben selten Zugang zu ärztlicher Versorgung, heißt es in der Doku. Der Kontakt zu den Geburtshelfer*innen kommt durch Mundpropaganda zustande: Der Hilferuf wird von Dorf zu Dorf weitergeleitet, bis er ein*e der Geburtshelfer*innen mit Telefon erreicht.
„Der kolumbianische Staat erkennt den Beruf Hebamme offiziell nicht an“, sagt die Off-Stimme, „und doch geben die Frauen ihr jahrhundertealtes Wissen an die nächsten Generation weiter. Mutige Frauen wie Keyla sind oft die einzige medizinische Hilfe für die Frauen auf dem Land.“ Offiziell dürfen nur Ärzt*innen Geburten begleiten. Die Hebammen sind in einer Grauzone tätig. Der Staat verfolgt sie nicht. Obwohl der Beruf staatlich nicht anerkannt ist, müssen interessierte Frauen und Männer fünf Geburten begleiten und ein Jahr lang Schwangere betreuen, bevor sie sich überhaupt Geburtshelfer*in nennen dürfen.
Die 57-jährige Pacha ist eine der erfahrensten Hebammen im Regenwald. Sie sammelt Pflanzen im Urwald, um Tinkturen und Heilmittel für die Schwangeren zusammenzumischen. Sie hat ihr Wissen von ihrer Großmutter. Wie lange ihre Tränke kochen müssen, entscheidet sie nach Gefühl. Ihr Ehemann hilft ihr bei der Herstellung der Medizin, was von der Off-Stimme als ungewöhnlich für Kolumbien bezeichnet wird: In der patriarchal geprägten Gesellschaft sei es keine Selbstverständlichkeit, dass Männer die Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen unterstützen.
Keyla ist Pachas Schülerin. Die alleinerziehende Mutter von sechs Kindern arbeitet nebenbei als Reinigungskraft. Als Hebamme erhält sie selten einen Lohn. Viele Familien sind nicht krankenversichert und scheuen aus finanziellen Gründen selbst notwendige Besuche in den weit entfernt gelegenen Krankenhäusern. Eine banale Ultraschalluntersuchung im Krankenhaus kostet beispielsweise umgerechnet fünfzig Euro. Die Hebammen erhalten meist Essen und Anerkennung zum Dank.
Die gelernte Krankenpflegerin Manuela kämpft derweil seit Jahren um die staatliche und gesellschaftliche Anerkennung des Berufs. Sie leitet regelmäßig informelle Schulungen, bei denen erfahrene Geburtshelfer*innen ihr Wissen weitergeben. Gleichzeitig vermittelt sie die Vorteile der modernen Medizin, um die Gesundheit der Mütter und Kinder zu schützen.
Die Regisseurin Katja Schwarz leistet mit „Die Urwald-Hebammen Kolumbiens“ einen wichtigen Beitrag zur Erzählung der Schicksale von Frauen. Sie weist einerseits auf die prekären Arbeitsbedingungen von Frauen weltweit hin, die oft in schlecht bezahlten Berufsfeldern tätig sind, die staatlich oder gesellschaftlich nicht anerkannt werden – Stichwort Care-Arbeit. Andererseits dokumentiert sie den beeindruckenden Zusammenhalt und das Engagement, das Frauen unter schwierigen Umständen durch Eigeninitiative aufbringen, um einander zu helfen. Der Film endet mit Keyla, wie sie eins ihrer Kinder an der Brust füttert und einen der wohl wichtigsten Sätze des Films sagt: „Die Arbeit der Hebammen rettet Leben.“