COP27-Bilanz: Stillstand und Durchbruch

Die Bilanz des Klimagipfels in Ägypten ist durchwachsen. Was als Durchbruch gefeiert wurde, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Menschenrechte in Ägypten waren für die luxemburgische Regierung kein Thema.

Klima retten mit der COP27? Bestenfalls ein Vielleicht.
(Fridays for Future Duisburg 2019 – Foto: Flickr; Die Linke NRW; CC BY-SA 2.0)

„1,5 Grad am Leben halten“, das war erklärtes Ziel der Klimakonferenz in Glasgow vor einem Jahr gewesen, und auch in Sharm el Sheikh hielt man daran fest. Am Ende erklärten die meisten Länder, dies sei gelungen und hoben ihren Beitrag zu diesem Ergebnis hervor. Doch das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, ist unter wissenschaftlichen wie unter politischen Gesichtspunkten ambivalent (woxx 1710). Vor allem gilt: Indem Jahr um Jahr große Worte gemacht werden, denen keine Taten folgen, werden das Ziel und seine Symbolik nicht gerettet, sondern zugrunde gerichtet. Bei der COP27, die am vergangenen Sonntag zu Ende ging, signalisiert die Abschlusserklärung eindeutig einen Stillstand in Sachen Emissionssenkungen. Die Aussagen zum 1,5-Grad-Ziel und zum Kohleausstieg waren weitgehend ein Copy-Paste der Erklärung vom Vorjahr.

Die Enttäuschung zahlreicher Teilnehmer*innen ist verständlich, denn sowohl die neuesten wissenschaftlichen Berichte als auch die Erfahrung der klimabedingten Katastrophen des vergangenen Jahres zeigen, dass die Mitigation (Minderung) des Klimawandels dringend verstärkt werden müsste. Unverständlich ist dagegen, dass die Industriestaaten die Schuld für diesen Stillstand auf China und andere Schwellenländer abwälzen. Dabei war es Indien, das forderte, die Nutzung aller fossilen Energien – statt nur der Kohle – zurückzufahren.

Die ägyptischen Verantwortlichen nahmen diese, offiziell von vielen Industriestaaten unterstützte Forderung nicht in die Erklärung von Sharm el Sheikh auf. Das lag aber weniger am Einfluss Chinas als an jenem der Golfstaaten und der fossilen Lobbys … und arrangierte in Wirklichkeit USA und EU, die dabei sind, fossile Infrastrukturen als Ersatz für die russischen Importe auszubauen. Eine schnellere Senkung der CO2-Emissionen von den Schwellenländern zu fordern, ohne selber Vorleistungen zu bringen, ist unglaubwürdig.

Geo- statt Klimapolitik

Zu solchen Vorleistungen seitens der Industriestaaten hätte auch gehört, in Sachen Klimafinanz vorzupreschen: endlich die versprochenen 100 Milliarden Dollar für den Green Climate Fund auf den Tisch zu legen und einen neuen Fonds für Loss and Damage ins Leben zu rufen. Zwar beteuerten die USA und die EU ihre Dialogbereitschaft in Sachen Loss and Damage, versuchten aber, einen Fonds zu verhindern. Als die Verhandlungen zu platzen drohten, machte die EU das „großzügige“ Angebot, in den Fonds einzuwilligen, mit der Vorgabe, auch die Schwellenländer müssten einzahlen, dürften aber nicht davon profitieren.

Der Versuch, einen Keil zwischen Entwicklungs- und Schwellenländer zu treiben, fruchtete nicht: Laut Schlusserklärung wird der Fonds von den Industriestaaten gespeist und steht allen anderen Ländern offen – mit einer vagen Priorisierung der am meisten betroffenen Staaten. Allerdings sind auch andere Finanzierungsmechanismen für Loss and Damage vorgesehen, was die ursprüngliche Idee eines Anspruchs auf Entschädigung aushöhlt. Ein solches „Mosaik der Lösungen“ könnte zu selektiven Entschädigungen nach Gutdünken der reichen Länder führen und der Geo- statt der Klimapolitik dienen.

Die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen – zur Vermeidung von Schäden – wurde von dieser Diskussion in den Hintergrund gedrängt; die Forderung, die „adaptation finance“ zu verdoppeln, verschwand aus der Schlusserklärung. Klar ist, dass unweigerlich von dem bereits unzureichenden Green Climate Fund ein ungenügender Anteil der Anpassung zugeführt wird. Um das zu ändern, müsste man, wie in unserem Edito erläutert (woxx 1709), die Finanzierung der Anpassung mit der Haftung für Loss and Damage verknüpfen. So aber wird der als Durchbruch gefeierte Beschluss wohl eher als Augenwischerei in die Geschichte eingehen.

Das offizielle Kommuniqué des luxemburgischen Umweltministeriums stellt die Dinge ein bisschen anders dar. Einerseits bedauert es die Stagnation bei der Mitigation und gibt den Schwellenländern dafür die Schuld. Andererseits wird der „Erfolg“ bei Loss and Damage als Folge des zweifelhaften EU-Vorstoßes ausgegeben. Wie wenig ernst es Luxemburg mit diesem Thema ist, erkennt man daran, dass die im Kommuniqué aufgezählten Beiträge für Entschädigung fast nur aus bereits beschlossenen Klimahilfen bestehen.

Auffallend ist, dass das Kommuniqué der grünen Ministerin sich zu den Menschenrechten in Ägypten ausschweigt, ein Thema, auf das die woxx frühzeitig aufmerksam gemacht hatte. Joëlle Welfrings Haltung steht im Kontrast zu der ihres Kollegen François Bausch, der bei seinen Aufrüstungsprojekten regelmäßig auf die Wichtigkeit der Verteidigung von Rechten und Werten hinweist. Während der Chamberdebatte zur COP27 am Dienstag standen die Menschenrechte immerhin im Vordergrund und wurden unter anderem von der grünen Abgeordneten Jessie Thill thematisiert.

Detaillierte Bilanz des Gipfels von Carbon Brief.
ANMERKUNG: Dieser am 22.11. online veröffentlichte Beitrag erschien in der woxx vom 25.11. mit zusätzlichen Informationen zur Debatte in Luxemburg und einem angepassten Vorspann. Die Online-Fassung wurde dahingehend aktualisiert, aber ohne die für die Druckversion vorgenommene Kürzung im ersten Abschnitt.

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