Erweiterung des Diskriminierungsschutzes: Referendum in Aussicht

„Non à la censure“, sagen christliche und nationalkonservative Parteien der Schweiz. Ihre Unterschriftenaktion droht zu verhindern, dass Hassrede aufgrund der sexuellen Orientierung strafbar wird.

(Foto: CC-BY Tony Webster)

Die Eidgenössiche-Demokratische Union (EDU) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) sammelten seit Januar 2019 Unterschriften, um die geplante Erweiterung des Diskriminierungsschutzes zu verhindern. Die woxx berichtete. Schon damals hieß es, man wolle sich damit lediglich für die Meinungsfreiheit einsetzen.

Das Referendumskomitee erreichte zum Ende der Sammelfrist (8. April) 70.349 beglaubigte Unterschriften. Damit kommt es voraussichtlich am 24. November zum Referendum. Die Bürger*innen der Schweiz stimmen dann darüber ab, ob die allgemeine Verunglimpfung aufgrund der sexuellen Orientierung künftig strafrechtlich verfolgt werden soll oder nicht . Die Lesbenorganisation (LOS) und Pink Cross (Schweizer Dachverband der schwulen und bi Männer) rufen nun zu Spenden auf und bitten um Unterstützung. Die Dachverbände erwarten einen harten Abstimmungskampf mit unfairen Mitteln. Bereits jetzt zeige sich, dass „das Referendumskomitee nicht davor zurückschreckt, mit Lügen Stimmung zu machen.“

Damit spielen LOS und Pink Cross auf die Motive der EDU und der SVP an – und auf die Instrumentalisierung der Meinungsfreiheit, um eine LGBTQIA-freundliche Strafnorm abzuwehren. Auf der Website der Gesetzesgegner*innen ist von einem Zensurgesetz die Rede, auf den Werbebannern des Komitees steht: „Für Toleranz und Meinungsvielfalt.“ Den Vorwurf der Homophobie wollen die Verantwortlichen, wie etwa Benjamin Fischer (Junge SVP), nicht auf sich sitzen lassen. Die Gesetzesgegner*innen positionieren sich ihres Erachtens nach gar gegen die Diskriminierung homosexueller Menschen. So schreiben sie auf ihrer Website: „Gleichgeschlechtlich empfindende Menschen sind gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft und haben es nicht nötig per Gesetz zur ‚schwachen Minderheit‘ degradiert zu werden.“ Das Komitee führt an anderer Stelle Beispiele aus dem Ausland an, in denen die Meinungsfreiheit in ihren Augen wegen einer entsprechenden Strafnorm eingeschränkt wurde. Es sind vorwiegend Fälle, in denen Menschen wegen homophober Äußerungen oder Entscheidungen unterschiedlich hart bestraft wurden. Interessant: Es handelt sich in den meisten Beispielen um Einzelpersonen, die bereits jetzt in der Schweiz Anzeige erstatten können, wenn eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vorliegt. Die vorgeführten Beispiele sind demnach irrelevant für die eigentliche Diskussion – es geht darin nämlich um den öffentlichen Aufruf zum Hass und um Verunglimpfung – und stiften Verwirrung.

Es sind unter anderem rhetorische Kniffe wie diese, die LOS und Pink Cross Anlass zur Sorge geben. Das Komitee „Ja zum Schutz vor Diskriminierung“ versucht der undurchsichtigen Argumentation des Referendumskomitees mit der Aufklärung über die geplante Gesetzeserweiterung entgegenzuwirken. Kontroverse Debatten und kritische Meinungen stünden keineswegs auf dem Spiel, nur würde die Erweiterung der Strafnorm besonders verletzliche Minderheiten vor pauschalen Herabsetzungen und Diskriminierung schützen – und somit ihre Menschenwürde bewahren.

In der Schweiz sind derweil 38 Prozent jener LGBTIQA-relevante Rechte in Kraft, die von internationalen Organisationen gefordert werden Einen nationalen Aktionsplan, den die European Region of the International Lesbian and Gay Association (ILGA) vergangenes Jahr empfahl, lehnte der Bundesrat ab.


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