Die Schweizer LGBTQ-Gemeinschaft wappnet sich für ein mögliches Referendum zur Erweiterung des Diskriminierungsschutzes. Christliche und nationalkonservative Parteien bangen um ihre Meinungsfreiheit und fürchten ein Denkverbot.
In Luxemburg ist die Diskriminierung der sexuellen Orientierung schon seit 2006 Teil der entsprechenden Strafnorm. Erst Ende 2018 beschloss auch das Schweizer Parlament die Strafnorm gegen Diskriminierung um die sexuelle Orientierung zu erweitern. Ursprünglich stand in der Schweiz zur Debatte, ob die Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität in die Strafnorm aufgenommen werden sollte, was das Parlament mit 107 zu 77 Stimmen ablehnte. Alternativ wich man auf die Einbindung der sexuellen Orientierung aus, wie unter anderem Pink Cross, der „Schweizer Dachverband der schwulen und bi Männer*“ , berichtet.
Momentan können Menschen in der Schweiz nur dann gegen Diskriminierung oder Beschimpfungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung vorgehen, wenn sie als Einzelperson davon betroffen sind. Auf der Informationsplattform humanrights.ch heißt es, das Strafgesetzbuch sehe derzeit jedoch keine Handhabe vor, um strafrechtlich gegen die allgemeine Verunglimpfung der genannten Personengruppe vorzugehen. Konkret bedeutet das, dass der öffentliche schriftliche, bildliche oder wörtliche Aufruf zum Hass und zur Diskriminierung der LGBTQ-Gemeinschaft strafrechtlich nicht verfolgt wird.
Homophob? Niemals.
Das finden insbesondere die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) und die Schweizerische Volkspartei (SVD) auch gut so. Lokalen Medienberichten zufolge, sollen die beiden nationalkonservativen Parteien zur Unterschriftensammlung aufgerufen haben. Ihr Ziel: ein Referendum zur Erweiterung des Diskriminierungsverbots. Am 8. April läuft die Sammelfrist ab. Die Aargauer Zeitung zitiert Benjamin Fischer, den Präsidenten der Jungen SVP und Mitwirkenden des Co-Präsidiums des Referendumskomitees: „Ich poche auf die Meinungsfreiheit.“ Er soll nichts von der angedachten Änderung der Strafnorm halten, obwohl er sich kürzlich zugunsten der Ehe für alle und für das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen habe, so die Aargauer Zeitung weiter. In derselbigen betont EDU-Präsident Hans Moser: „Das Referendum richtet sich nicht gegen Homosexuelle, sondern gegen die Beschneidung der Meinungs-, Glaubens- und Gewissensfreiheit.“ Man wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen von homophoben Motiven getrieben zu sein.
Kurzer Exkurs
Aber wovon sollen sie denn sonst getrieben sein? Vom Wille, die Welt von der teuflischen Vorherrschaft der Regenbogenfarben zu befreien? Muss man den Unterschied zwischen Meinungs-, Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Diskriminierung von Minderheiten immer noch erklären? Anscheinend schon. Wer Meinungsfreiheit mit Diskriminierung gleichsetzt, sollte seine Definition von Freiheit gründlich überdenken. Die Unterschriftenaktion der EDU und der SVP ist desillusionierend. Auch die parlamentarischen Anfragen des luxemburgischen Deputierten Fernand Kartheiser bereiten einem Kopfzerbrechen, wenn er hinterfragt, wie wichtig es ist, möglichst früh in der Erziehung dafür Sorge zu tragen, dass Homosexualität nicht als etwas Abnormales wahrgenommen werde, und er von „natürlichen“ und „unnatürlichen“ Familienbildern spricht.
Hoffnung: Wähler*innen
Die juristische und gesellschaftliche Repräsentation der LGBTQ-Gemeinschaft steckt, trotz deutlichen Fortschritten im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten, stellenweise immer noch in den Kinderschuhen. Pink Cross rüstet sich derweil präventiv gegen einen möglichen Abstimmungskampf. Der Dachverband ruft seit Beginn der Unterschriftenaktion (15. Januar 2019) der EDU und der SVP auf seiner Website zu Spenden auf, um im Falle eines Referendums sofort aktiv werden zu können. Es bleibt zu hoffen, dass – wenn alle Stricke reißen – auf die schweizerische Bevölkerung Verlass ist, die sich bereits 2005 in einem Referendum zum Partnerschaftsgesetz zu den Rechten gleichgeschlechtlicher Paare bekannte. Damals stimmten 58 Prozent der Wähler*innen dafür, dass homosexuelle Paare ihre Partnerschaft offiziell eintragen lassen können und somit im Sozialversicherungsrecht, in Erbschafts- und Steuerfragen Ehepaaren nahezu gleichgestellt werden.