Globaler Olivenölmarkt: Das flüssige Gold wird knapp

Olivenöl wird weltweit deutlich teurer. Klimawandel, Hitzewellen und Waldbrände verringern die Ernte. Auch in Griechenland wird der Ertrag um mindestens ein Drittel zurückgehen, so die Prognosen. In der Region Kalamatas sind die Auswirkungen noch dramatischer.

Wassermangel zwingt die Olivenbauern zum Umdenken: Der Beschnitt aus den Olivenbäumen wird nicht mehr verbrannt, sondern als Dünger und Wasserspeicher verwendet. (Fotos: Knut Henkel)

Dimitri Vasilogiannakopoulos beobachtet, wie die Oliven, die er abgeliefert hat, Sack für Sack in den geräumigen Trichter gekippt werden und wenig später auf einem Förderband nach oben zur Waschstation laufen. Dank moderner Gebläse- und Rütteltechnik verabschieden sich dort auch die letzten Blätter, ehe die teilweise grünen, teilweise braunen und selten schwarzen Früchte zur nächsten Etappe weiterbefördert werden. In den insgesamt acht Mahlwerken der Olivenmühle werden die Oliven bei einer Temperatur von unter 27 Grad gepresst und verarbeitet.

Das kleine Dorf Akritochori liegt nur ein paar Kilometer von der Hafenstadt Koroni entfernt in den zerklüfteten Bergen des Peloponnes. Hier steht die Mühle, die Vasilogiannakopoulos einmal im Jahr ansteuert, um die Ernte von rund 1.000 Bäumen, die er gemeinsam mit seinem Bruder bewirtschaftet, verarbeiten zu lassen.

Das Hinterland der kleinen Hafenstadt, deren Promenade eine ganze Reihe von Restaurants mit Blick auf die Fischerboote im Hafenbecken säumen, zählt zu den typischen Anbauregionen auf dem Peloponnes. Dort steht die Wiege der Koroneiki-Olive. Die kleine, widerstandsfähige Olivensorte ist für rund sechzig Prozent des Olivenertrags in Griechenland verantwortlich. Sie verdankt ihren Namen der Hafenstadt Koroni – so ist es zumindest überliefert. Die Bäume, oft knorrig, manchmal in sich gedreht wie ein Rebstock, selten groß und ausladend, dominieren die oft steilen Hänge der griechischen Halbinsel Peloponnes. Auch auf Kreta, einer weiteren wichtigen Anbauregion Griechenlands, ist die Koroneiki für die Mehrheit der Olivenbauern die Sorte ihrer Wahl.

Belastungsgrenze ist erreicht

Das hat seinen Grund, denn ihre Bäume vertragen Temperaturen bis minus sieben Grad Celsius im Winter. Im heißen griechischen Sommer sind sie hingegen genügsam: Sie kommen mit hohen Temperaturen und wenig Niederschlag klar. Das ist seit Jahrtausenden so. Obendrein liefert die Koroneiki-Olive hochwertiges Öl: „Extra Vergine“ oder auch „Nativ Extra“, mit deutlich weniger als 0,5 Prozent Säure und viel Geschmack.

In diesem Jahr reicht das Öl aus der eigenen Ernte gerade
mal für sein Restaurant und den Eigenbedarf: der Olivenbauer Dimitri Vasilogiannakopoulos.

Daran hat sich auch mit dieser Ernte nichts geändert, wovon man sich am anderen Ende der Halle überzeugen kann. Dort steht die Zentrifuge, die das Öl von den Resten des Fruchtfleisches und den Kernen separiert. Danach läuft der goldene Saft noch einmal durch feine Siebe, bevor er entweder in Fässer oder in Edelstahltanks abgefüllt wird. Ein frischer, an Gras und Baumschnitt erinnernder Geruch hängt in der Luft. Dimitri Vasilogiannakopoulos beobachtet, wie das aus seinen Oliven gewonnene Öl abgefüllt wird. Vom diesjährigen Ertrag ist er enttäuscht. „Normalerweise ernten wir rund 3.000 Liter Olivenöl Extra Vergine, wovon wir rund 2.500 Liter verkaufen. Dieses Jahr kommen wir auf nicht mehr als 400 Liter. Das reicht gerade für den Verbrauch in unserem kleinen Restaurant und den Konsum unserer Familie“, klagt er und zieht die Stirn in Falten.

Wie Vasilogiannakopoulos, dem eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen ist, geht es vielen Olivenbauern rund um Koroni. „Normalerweise transportieren wir unsere Ausbeute in einem Edelstahltank auf der Ladefläche eines Pick-Ups nach Hause“, verdeutlicht er den Kontrast, „dieses Mal reichen ein paar Kunststofffässer.“ Der Mittsechziger zuckt hilflos mit den Schultern und erläutert die Gründe für den Ernteeinbruch: „Schon im Sommer hat sich das Drama abgezeichnet, viele unserer Bäume ließen bei 47, 48 Grad Hitze die Früchte fallen. Derart hohe Temperaturen über mehrere Wochen ohne Niederschlag machen selbst unsere widerstandsfähigen Olivenbäume nicht mit“, meint er und zieht eine Grimasse. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein. Der Ertrag ist in der ganzen Region stark rückläufig. „Nicht überall so stark wie rund um mein Dorf Charakopio, aber die Tatsache, dass unsere Olivenmühle erst am Nachmittag öffnet, spricht Bände“, sagt er.

Mit fünfzig bis achtzig Prozent weniger Oliven rechnen die Mühlenbesitzer in der Region Koroni in diesem Jahr, obwohl die Ernte mindestens noch bis Ende Januar dauern wird. Etliche Olivenbauern haben die Lese nach hinten geschoben, um den Oliven noch etwas mehr Reifezeit zu verschaffen. Das macht Sinn, denn je reifer die Früchte sind, desto mehr Öl enthalten sie. Allerdings ist damit ein Risiko verbunden: Wenn die Oliven am Baum ihre Farbe erst von grün zu violett und dann ins Bräunlich-Schwarze wechseln, sind sie voll reif. Dann müssen sie sofort geerntet werden, sonst fallen sie vom Baum und verrotten auf dem Boden.

Dieses Risiko gehen normalerweise nur wenige Bauern ein. Rund um Koroni sind im November eigentlich nahezu alle Olivenhaine abgeerntet, doch in diesem Jahr nicht. Fehlende Arbeitskräfte sind ein Grund dafür, nicht zuletzt aber die absehbar mickrige Ernte. An vielen Bäumen sind nur einzelne Äste zu sehen, die Früchte tragen, Bäume mit reichlich Oliven sind die Ausnahme, weshalb sich etliche Bauern entscheiden, sie länger hängen zu lassen und die Ernte ohne Hilfskräfte einzufahren.

Überall Trockenheit

Doch nicht nur bei den kleineren Bauern, auch in den größeren Olivenhainen sind die Erträge mau. „Normalerweise werden niedrige Ernten in einem Produktionsland durch höhere in anderen Ländern ausgeglichen“, so Manolis Yiannoulis, der Vorsitzende des griechischen nationalen Olivenölverbands Edoe. „In diesem Jahr bleibt der Weltmarktführer Spanien hinter den Erwartungen zurück, aber auch Portugal, Tunesien und Griechenland – das führt zu einer Verknappung des Angebots.“

Im Mahlwerk: Auf mehr als unter 27 Grad Celsius darf sich das Olivenöl beim Pressvorgang nicht erwärmen.

Dafür machen die Produzenten rund um das Mittelmeer vor allem die anhaltende Trockenheit verantwortlich. „Wenn es nicht regnet, passen sich die Bäume an und tragen weniger Früchte“, meint Dimitri Vasilogiannakopoulos. Seine Bäume stehen zudem meist in Hanglage, weshalb weniger Regen gespeichert wird als auf ebenen Flächen. Das hat sich in diesem Jahr genauso negativ bemerkbar gemacht wie die Zunahme von Schädlingen; darunter auch die Oliven-Fruchtfliege, der die steigenden Temperaturen nichts anhaben. Sie legt ihre Eier in die reifenden Oliven. Die schlüpfenden Larven zerfressen das Fruchtfleisch und mindern so die Erträge. Mit Lockfallen sowie dem Einsatz von Schlupfwespen, einem natürlichen Feind der Fliege, versuchen die Olivenbauern den in einigen Regionen in diesem Jahr häufig auftretenden Schädling zu bekämpfen.

Der steigenden Trockenheit stehen viele kleine Betriebe hilflos gegenüber. Während in größeren, einigermaßen ebenen Hainen hin und wieder Bewässerungsanlagen zu sehen sind, ist diese kostspielige Technik vor allem für Kleinbauern mit an Berghängen befindlichen Hainen keine Alternative.

Umstieg auf Bio

Klimaexperten gehen bereits davon aus, dass sich die Olivenanbauregionen innerhalb Griechenlands mittelfristig verlagern könnten – von Kreta und dem Peloponnes in Richtung von Regionen wie Thrakien oder Makedonien. Dort wäre der Klimastress für die Olivenbäume geringer, weil die Temperaturen deutlich niedriger sind.

Mehrstufige Verarbeitung: Vor dem Mahlen werden die Oliven unter anderem gewaschen.

Für traditionelle Anbauregionen wie Kalamata wäre das eine Katastrophe. Dort wurden bereits Anpassungsprogramme auf den Weg gebracht – zum Teil gefördert durch die Europäische Union. So werden beispielsweise die bei der Ernte und beim Ausdünnen der Olivenbaumkronen anfallenden Äste nicht mehr wie früher verbrannt, sondern gehäckselt und unter den Bäumen ausgebracht, um Nährstoffe zu liefern und Wasser zu speichern. In der Region Koroni sind daher immer seltener die einst weitverbreiteten Rauchwolken vom Verfeuern der Äste über den Olivenhainen zu sehen.

Die steigende Nachfrage nach Bio-Olivenöl und die aufgrund der russischen Invasion der Ukraine gestiegenen Kosten für Düngemittel führen dazu, dass vermehrt Biodünger zum Einsatz kommt, der überdies günstiger ist. Auch aus diesem Grund stellen einige Bauern auf Bio-Anbau um und profitieren so von den etwas höheren Verkaufspreisen des Öls. Die liegen rund um die Olivenmühle von Akritochori derzeit bei rund neun Euro pro Liter – unverpackt und für konventionell produziertes Öl. „Das ist das doppelte des Preises vom letzten Jahr“, so der Betreiber der Mühle.

Ein Metallzaun und ein schweres Rolltor sollen die ungemahlenen Oliven und das dort lagernde Olivenöl vor den zunehmenden Diebstählen schützen. In Messinia, knapp vierzig Kilometer entfernt, sind in der Olivenölmühle von Analipsi bei einem Einbruch rund 100 Kilogramm Olivenöl und Ausrüstung gestohlen worden. Das ist in Griechenland kein Einzelfall und angesichts knapper werdender Ernten auch in anderen Ländern zu beobachten. Deshalb halten die Mitarbeiter in der Olivenmühle von Akritochori inzwischen jederzeit die Augen offen und sprechen Besucher bereits am Werkstor an.

Knut Henkel berichtet für die woxx normalerweise aus Lateinamerika. Für die Weihnachtsausgabe hat er sich aber auf dem globalen Olivenmarkt umgeschaut.

 

Das Resultat: Olivenöl Extra Vergine.

Mangelware Olivenöl

Der 23. November wird in der Olivenbranche weltweit als Tag der Olive begangen. Normalerweise ist dann das Gros der Ernte in den drei wichtigsten Olivenanbauländern Europas, Spanien, Griechenland und Italien, bereits eingebracht, weshalb es gleich doppelt Grund zum Feiern gibt. Doch in diesem Jahr ist das nicht der Fall. In vielen Anbauregionen ist die Ernte wie im griechischen Kalamata noch nicht abgeschlossen und die Erträge sind alles andere als zufriedenstellend. Nicht nur in Griechenland, wo sich die Prognosen auf maximal 200.000 Tonnen Olivenöl belaufen, was im Vergleich zum vergangenen Jahr einem Verlust von 150.000 Tonnen entspricht; auch in Italien und in Spanien liegen die Erträge unter dem langjährigen Durchschnitt. Sinkende Ernteerträge bereits in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die Lager weitgehend leer sind und einige der großen Olivenöl-Unternehmen Spaniens und Italiens auf dem internationalen Markt Olivenöl aus anderen Regionen wie Uruguay, Chile oder dem Maghreb zukaufen. Parallel dazu gehen die Preise kräftig nach oben.


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged , , , , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.