Seit 40 Jahren wird der 12.000-jährige Wald des Hambacher Forsts abgeholzt, weil sich unter den uralten Bäumen Braunkohle befindet. In den nächsten drei Jahren soll der komplette Restwald, rund 200 ha, verschwinden. Seit fünf Jahren besetzen Aktivist*innen den Wald. Am Donnerstag startete die Polizei die Räumung des Gebietes.
Der Hambacher Forst ist ein Wald in Nordrhein-Westfalen, von welchem nur noch ein kleiner Teil erhalten ist. 1978 kaufte der Energiekonzern RWE (damals Rheinbraun) den Wald von den umliegenden Gemeinden. Damals hieß er noch Bürgewald. Seitdem werden jährlich bis zu 70 ha Wald gerodet, um Braunkohle abzubauen. Von dem einst 4.100 ha großen Wald sind schon 3.900 ha verschwunden.
Braunkohle wird in Tagebauen ausgebuddelt und anschließend in Kraftwerken in Energie umgewandelt. Die Energie, die aus diesem Verfahren gewonnen wird, ist relativ gering; man muss die Braunkohle erst aufwändig trocknen und anschließend in großen Massen verbrennen. Das Verfahren gilt als ineffizient. Zudem beinhaltet Braunkohle andere Stoffe, die während des Erhitzungsprozesses toxische Gase freilassen können. Der rheinische Braunkohleabbau trägt so zu einem Drittel des deutschen CO2 bei. RWE respektiert außerdem nicht alle Vorgaben. So dürften die Rodungsarbeiten eigentlich nur von Oktober bis März stattfinden, doch hat RWE in den letzten Jahren auch wiederholt illegal gerodet.
Um die Vernichtung des Hambacher Forstes zu verlangsamen, besetzten vor fünf Jahren die ersten Aktivist*innen das Gebiet. Sie bauten Baumhäuser, um die Abrodung zu verhindern. Da diese aufwändiger zu räumen sind, wenn sie besetzt werden, sorgen Rodungsgegner*innen dafür, dass diese 365 Tage im Jahr rundum die Uhr „bewohnt“ sind.
RWE möchte seine Abrodungsarbeiten im Herbst weiterführen um den planmäßigen Fortgang des Tagebaubetriebes im rheinischen Braunkohlrevier sicherzustellen. Dies ist der Grund weshalb die Behörden auf eine Räumung des Gebietes drängen, wobei das Argument einer Sicherheitsgefährdung durch die Häuser ins Spiel gebracht wird.
Anfang dieser Woche meldete die Polizei, dass sie die Zugänge zu mehreren Tunnel mit Zement verschlossen hat, da in diesen selbstgebaute Waffen gefunden worden waren.
Am Donnerstag, um 10h11, holten Spezialkräfte der Polizei dann die ersten Umweltaktivist*innen aus den Bäumen und rissen einen Teil ihrer Bauten ab. Es sei „Gefahr im Verzug für Leib und Leben der Baumhausbewohner aus Brandschutzgründen“, hieß es im entsprechenden Erlass.
Bei dem Einsatz kam es zu Auseinandersetzungen. Aktivist*innen hätten Beamt*innen mit Zwillen beschossen und mit Molotow-Cocktails beworfen, berichtete die Aachener Polizei. Ein Beamter sei dabei leicht verletzt und ein Dienstwagen beschädigt worden.
Die Besetzer*innen kündigten als Reaktion eine „bundesweite Massenmobilisierung“ an und starteten einen Aufruf auf ihrer Website und auf sozialen Medien. Ein Dutzend neuer Braunkohlegegner*innen haben die restlichen Baumhäuser letzte Nacht erreicht und weigern sich seitdem, die Behausungen zu verlassen.
Gesche Jürgens, die bei Greenpeace Deutschland für die Waldkampagnen zuständig ist, kritisiert die Politik und Wirtschaft: „Während in Berlin die Kohlekommission über einen Kompromiss zum sozialverträglichen Kohleausstieg diskutiert, sieht die Bundesregierung tatenlos zu, wie RWE im Hambacher Forst einen sozialen Konflikt maximal anheizt.“