Um das radioaktiv kontaminierte Wasser in der Reaktorruine von Fukushima loszuwerden, will die japanische Regierung es filtern und dann ins Meer ablassen. Die woxx fasst die Reaktionen zusammen.
Ist ein stillgelegtes AKW wirklich ein gutes AKW? Nein, denn es strahlt noch mindestens jahrzehntelang weiter und hinterlässt Müll, der noch viel länger strahlt. Erfolgt die Stilllegung wegen eines Unfalls, so ist die Belastung noch größer. Jüngstes Beispiel: die Atomzentrale in Fukushima, deren Havarie sich vor einem Monat zum zehnten Mal jährte (siehe woxx-Dossier, Französich und Deutsch). Die japanische Regierung hat am Dienstag offiziell angekündigt, das kontaminierte Wasser, das sich bei Katastrophe und in den Folgejahren dort angesammelt hat, ins Meer abzulassen.
Erstes Opfer dieser Entscheidung wird das regionale Fischereiwesen sein, das schon von den Folgen des Unfalls schwer erwischt worden war. „Sie hatten uns zugesagt, das Wasser nicht ohne unser Einverständnis ins Meer abzulassen“, zitiert der Guardian Kanji Tachiya, den Leiter einer Fischereikooperative. Nachdem die Fischer*innen langsam das Vertrauen der Verbraucher*innen zurückgewonnen hatten, werden diese Anstrengungen nun zunichte gemacht.
Tritium-Fisch auf den Teller?
Die japanische Regierung und die Betreibergesellschaft Tepco versichern allerdings, dies sei die einzige Lösung, um das Kraftwerk abbauen zu können. Bevor das Wasser in etwa zwei Jahren abgelassen wird, sollen radioaktive Stoffe herausgefiltert werden. Die langen Zeiträume und die große Masse an kontaminierten Stoffen – über eine Million Tonnen Wasser im Falle Fukushimas – unterstreichen die Herausforderungen, die die Atomindustrie den Menschen in betroffenen Ländern aufbürdet. Außerdem lässt sich das radioaktive Tritium nicht aus dem Wasser filtern, die Regierung versichert aber, dass dieser Stoff wegen der geringen Konzentration keine schädliche Auswirkungen haben werde.
Das sehen die Nachbarstaaten anders: Sowohl Südkorea als auch Taiwan haben heftig gegen das japanische Vorhaben protestiert. Auch Greenpeace Japan verurteilt die Entscheidung, die gegen die Menschenrechte und die Interessen der Menschen in Fukushima und in der gesamten Asien-Pazifik-Region verstoße. Greenpeace empfiehlt, die Lagerkapazitäten für kontaminiertes Wasser zu vergrößern, statt das Meer zu verseuchen. Die NGO wirft der Regierung vor, keineswegs die beste, sondern einfach die billigste „Lösung“ gewählt zu haben.
China dagegen, IAEA dafür
Unterstützung bekommt Japan allerdings aus den USA. „Wir danken Japan für ihre Transparenz bei der Entscheidung“, sagte Außenminister Antony Blinken. Dies, obwohl die vorherrschenden Meeresströmungen das kontaminierte Wasser zuerst in Richtung US-Küste treiben, bevor es durch die Äquatorströme in den Westpazifik zurücckkehrt. Dass die USA so klar für Japan Partei ergreifen, wird nicht zu ihrer politischen Glaubwürdigkeit bei anderen alliierten ostasiatischen Staaten beitragen.
Dafür ergreift China, normalerweise in der Rolle des Troublemakers im Westpazifik, die Gelegenheit, lautstark gegen die japanische Entscheidung zu protestieren. Dies, obwohl das Land selber das derzeit weltweit größte Nuklearprogramm vorantreibt, dabei allerdings von schweren Atomunfällen verschont geblieben ist … bis jetzt. „Diese Herangehensweise ist extrem verantwortungslos und bedroht international Gesundheit und Sicherheit sowie die vitalen Interessen der Menschen in den Anrainerstaaten“, so das chinesische Außenministerium.
Am bemerkenswertesten ist die Unterstützung des Vorhabens durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und deren Rechtfertigung (laut Guardian). Das Wasser werde, abgesehen vom Tritium, gefiltert, und vor allem: Auf der ganzen Welt griffen AKW-Betreiber auf die gleiche Methode zurück, um ihre Abwasser loszuwerden. Also doch nicht so schlimm? Oder … umso schlimmer?