Bei der Abstimmung über das Gesetz zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention verweigerte die ADR ihre Stimme. Die Begründung dafür ist beispielhaft für die diskriminierenden Ansichten rechter Parteien.
„Wir bei der ADR halten diesen Gender-Gaga für Blödsinn“. Dieser Satz fiel vor nicht einmal drei Wochen in der Luxemburger Abgeordnetenkammer. Das besonders Abstoßende daran: Es ging um die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Mit dem Gesetz wurde die Istanbul-Konvention ratifiziert. In erster Linie sieht der Text in Fällen von Gewalt gegen Frauen sowie häuslicher Gewalt eine engere Fassung der Rechtsnormen, eine Verschärfung der Strafen sowie die Erweiterung der Präventionsmaßnahmen und des Opferschutzes vor. Es wird zudem auf Gewalt aufgrund der Geschlechtsidentität Bezug genommen, womit implizit ein besserer Schutz für trans und intergeschlechtliche Menschen gefordert wird. Nachdem die Konvention 2011 von der Regierung unterschrieben wurde, war die Ratifizierung mittlerweile überfällig geworden.
Grundsätzlich begrüßt die ADR das Gesetz, stört sich an manchem aber dermaßen, dass sie den Text integral ablehnt. Schon beim Titel setzt die Kritik an: „Prévention et lutte contre la violence à l’égard des femmes et la violence domestique“. Dadurch, dass Gewalt gegen Männer unerwähnt bleibe, werde die Gleichheit zwischen Mann und Frau in Frage gestellt, begründete der ADR-Abgeordnete Roy Reding in seinem Redebeitrag am 3. Juli die Meinung seiner Partei.
Der Gewalt gegen Frauen den Kampf anzusagen bedeutet aber keineswegs zu verleugnen, dass auch Männer Opfer von Gewalt werden können. Tatsächlich werden nämlich, statistisch gesehen, mehr Männer als Frauen Opfer von Gewalt. Ja, auch Männer sind Opfer des Patriarchats. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Gewalt gegen Frauen wird fast ausschließlich von Männern begangen. Es ist ein Akt einer dominanten Geschlechtergruppe gegen eine untergeordnete. Anders als bei Männern, ist Gewalt gegen Frauen strukturell und somit Ausdruck der Wahrnehmung dieses Geschlechts als minderwertig. In dieser Hinsicht ist es in der Tat irreführend, im Titel einzig von Frauen zu reden. Immerhin sollen mit dem erwähnten Gesetz alle marginalisierten und diskriminierten Geschlechter geschützt werden. Eindeutiger wäre also gewesen, es „Bekämpfung von Gewalt gegen marginalisierte Geschlechter“ zu nennen.
Eine Welt, in der Gewalt gegen Männer gleich zu bewerten ist mit Gewalt gegen andere Geschlechter, wäre eine Welt, in der völlige Geschlechtergerechtigkeit herrscht. Solange das nicht der Fall ist und eine Hierarchie besteht, müssen Mädchen, Frauen, trans und intergeschlechtliche Menschen besonders geschützt werden. Darüber hinaus fördert das Gesetz ein strengeres Vorgehen gegen häusliche Gewalt, unabhängig vom Geschlecht der Opfer.
„Biologische Realität“
Ferner kritisierte Reding, dass im Gesetzestext die „biologische Realität der Existenz zweier Geschlechter“ verleugnet und Mann und Frau als „rein soziologisches Konstrukt“ dargestellt würden. Er wolle zwar nicht die Rechte von „Transsexuellen“ verleugnen, es sei aber absurd zu meinen, „unendlich viele Geschlechter erschaffen“ zu können und „nach Lust und Laune“ zu entscheiden, welchem man sich zugehörig fühle.
Diese Aussagen sind aus vielerlei Gründen zu hinterfragen. Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass Reding mit der „biologischen Realität“ Aspekte wie Genitalien und Chromosome meint. Reding scheint anzunehmen, dass jeder Mensch entweder einen Penis oder eine Vagina hat. Dem ist aber nicht so: Intergeschlechtliche Menschen verfügen über eine Variation von Geschlechtsentwicklungen, zum Beispiel Vagina und innenliegende Hoden, oder Vulva und Penis. Die „biologische Realität“ lässt sich also weder auf zwei Varianten reduzieren, noch verweist ein Genital eindeutig auf ein bestimmtes Geschlecht. Wie würde Reding seiner Logik nach etwa eine Person mit einer Vulva und einem Penis einordnen? Beim Chromosomsatz wird es auch nicht eindeutiger: Welches Geschlecht würde Reding beispielsweise einer Person mit XO, XXY- oder XXXY-Chromosomen zuweisen?
Es geht nicht darum, „unendlich viele Geschlechter zu schaffen“, sondern die Existenz einer Vielzahl von Menschen und Körpervariationen anzuerkennen. Beim Konzept der „sozialen Konstruktion“ geht es auch nicht darum zu sagen, es gäbe keine Männer und Frauen, sondern aufzuzeigen, inwiefern unsere Definition der jeweiligen Geschlechter an Kriterien festgemacht wird, die weniger mit Biologie zu tun haben als zunächst angenommen. Genitalien haben kein Geschlecht. Chromosome genauso wenig. Wir ordnen sie nur bestimmten Geschlechtern zu.
Als letzten Punkt kritisierte Reding, dass im Text von schwangeren Personen die Rede sei. Dabei könnten doch nur Frauen schwanger werden. Er wolle damit aber, wie er wiederholt zum Ausdruck brachte, nicht die Existenz von „Transsexualität“ verleugnen. Wie aus der obigen Argumentation hervorgegangen sein dürfte, ist die Festmachung des Geschlechts an den Genitalien oder Chromosomen einer Person keine besonders verlässliche Vorgehensweise. Die Fähigkeit, ein Kind zur Welt zu bringen, ist an das Vorhandensein von Gebärmutter, Eierstöcken und Eizellen gebunden, nicht an die Geschlechtsidentität eines Menschen.
Bigotterie bei rechten Parteien
Dass bei rechten Parteien diskriminierende Haltungen vorherrschen, ist nichts Neues. Solche Ansichten beschränken sich davon abgesehen nicht nur auf das Geschlecht, auch von der Norm abweichende sexuelle Orientierungen sind nicht wenigen Mitgliedern ein Dorn im Auge. Das konnte man kürzlich anlässlich des alljährlichen Gaymat-Festivals miterleben. Marie-Andrée Faber, die im Zentrum für die ADR kandidiert, hinterfragte am 11. Juli auf Facebook die Existenzberechtigung eines Equality Marches. Immerhin hätten Homosexuelle hierzulande heute dieselben Menschenrechte wie alle anderen auch. Faber wunderte sich, wieso sich stattdessen niemand für Menschen mit Behinderung oder das Recht der „Ungeborenen“ einsetzt.
In einem hat Marie-Andrée Faber Recht: In Luxemburg genießen alle Menschen dieselben Menschenrechte. Das reicht aber nicht. Unsere Gesellschaft ist immer noch durch und durch heteronormativ. Will heißen: Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit werden privilegiert, jede Abweichung davon ihnen untergeordnet. Das macht Faber auch in ihrem Beitrag deutlich. Davon abgesehen wird bei Equality Marches für die Rechte der LGBTQIA-Community weltweit demonstriert. Vielerorts werden Menschenrechte diesbezüglich tagtäglich verletzt.
Auch Déi Konservativ-Mitglied Timon Müllenheim regte sich auf Facebook über das „schreckliche“ Gaymat auf. Gott habe den Menschen als Mann und Frau geschaffen mit dem Auftrag, sich zu vermehren. Laut Bibel sei jede Form von Sexualität, die nicht der Reproduktion diene, eine Sünde. Mit seinem Beitrag wolle er aber keine „sexual-gestörten“ Menschen verletzen. In einem weiteren Kommentar bedauert er an der öffentlich stattfindenden Gaymat, dass „sich schon kleine Kinder diese Perversitäten anschauen müssen und teilweise abschauen“.
Aussagen wie diese sind es nicht wert, kommentiert zu werden. Sie zeigen aber, wie relevant Veranstaltungen wie das Gaymat auch in heutigen Zeiten noch sind. Sie erinnern uns daran, dass man auch solche Haltungen unterstützt, wenn man diese Menschen wählt. Sie zeigen aber auch, welcher politischen Gesinnung man sich annähert, wenn man sich auf heteronormative Sichtweisen behauptet. Der Weg hin zu Homo- und Transphobie ist manchmal kürzer als man denkt.