Im Kino: Der goldene Handschuh

Fatih Akins „Der goldene Handschuh“ inszeniert ein stumpfes Gemetzel und vermeidet dessen Erklärung. Außer sein Publikum zu verstören, gelingt dem Film nicht viel.

Fatih Akins Adaptation von Heinz Strunk’s Roman exponiert nur oberflächliche Gewalt. (Fotos: © Warner Bros)

Mit „Der goldene Handschuh“ hat Fatih Akin vornehmlich Heinz Strunks gleichnamigen Roman über den Hamburger Frauenmörder Fritz Honka verfilmt. Seine Inspiration scheint Akin allerdings ebenso sehr im als „torture porn“ verschrienen US-Horrorkino der 2000er gefunden zu haben. „Der goldene Handschuh“ mutet seinen Zuschauer*innen über beinahe zwei Stunden fast alles zu, insbesondere die ausgedehnte Misshandlung und Verstümmelung von Frauenkörpern. Zu Beginn hat Honka seinen ersten Mord bereits begangen und macht sich, nachdem er einen ordentlichen Schluck Korn genommen hat, daran, die Leiche zu beseitigen. Die distanzierte Kamera zeigt den Protagonisten beim Zersägen der Körperteile, die er, aus Angst erwischt zu werden, bald nur noch in den Zwischenräumen seiner Dachgeschosswohnung versteckt. Diesen beklemmenden Bildern hat der Rest des Films wenig hinzuzufügen.

Seine kreative Energie hat „Der goldene Handschuh“ in Maske, Kostüm und Ausstattung gesteckt. Ein Großteil der Handlung spielt in Honkas heruntergekommener Bleibe, in der die Wände mit Sexheften tapeziert sind und eine Unmenge an Wunderbäumen den Geruch verwesender Leichen überdecken soll. Hier lebt und betrinkt sich der Mörder zu Beginn der 1970er-Jahre mit seinen Opfern, älteren Prostituierten, die er regelmäßig vergewaltigt und zusammenschlägt. Ebenso klaustrophob wirkt der andere Hauptschauplatz des Films, die titelgebende Kneipe, eine Absteige in St. Pauli, in der zu Schlagermusik ein Fanta-Korn nach dem anderen gestemmt wird. „Fiete“ wird der Stammgast Fritz Honka hier genannt, dessen entstellte Gesichtszüge – schielendes Auge, gebrochene Nase, kaputtes Gebiss – regelmäßig in Großaufnahme gezeigt werden, wenn er sich an wehrlose Schwerstalkoholikerinnen heranmacht.

Fatih Akin führt uns an den äußersten Rand der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft, an dem das Gemeinschaftsgefühl nur noch im kollektiven Rausch besteht. Viel Einfühlungsvermögen besitzt „Der goldene Handschuh“ nicht. Wo sich hinter Namen wie Dornkaat-Max und Soldaten-Norbert noch individuelle Lebensläufe abzeichnen, wirken insbesondere die Prostituierten austauschbar. Teilnahmslos registriert der Film, wenn mal wieder eine dieser trostlosen Existenzen zu Ende geht. Seiner Hauptfigur begegnet er auf ähnliche Weise. Jonas Dassler spielt Fritz Honka zwar mit beklemmender Intensität, aber wir erfahren nicht mehr, als dass dieser ein Triebtäter ist, der seine Minderwertigkeitskomplexe und alkoholbedingte Impotenz durch Gewaltexzesse zu kompensieren versucht. Einmal, in der Mitte des Films, versucht Honka auszubrechen und als Nachtwächter trocken zu bleiben – vergeblich.

Als Gegenpol zum Teufelskreis aus Mansarde und Kneipe fungiert eine Nebenhandlung um ein Schülerpaar, dessen Wege sich mit denen des Mörders kreuzen. Allerdings bleiben diese Figuren und der Erzählstrang unterentwickelt. Mit der blonden und blauäugigen Petra weiß der Film nichts Besseres anzufangen, als sie uns – augenzwinkernd – als leichtbekleidete Metzgerin in der Fantasie Honkas zu präsentieren. Das Zwischenspiel wirkt deplatziert, als ob Akin seine (männlichen) Zuschauer für so viel Unansehnliches mit einem echten Hingucker entschädigen wolle. In ihrem Frauenbild sind viele andere Szenen ebenso fragwürdig, beschönigen aber wenigstens nichts. „Der goldene Handschuh“ überzeugt weder als Milieustudie noch als Psychogramm. Der Film beschränkt sich zu sehr darauf, soziales Elend und sexuelle Grausamkeit auszustellen.

Im Kinepolis Kirchberg. Die Uhrzeiten finden Sie hier.

Bewertung der woxx: O


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