Im Stream: Maid

Die zehnteilige Miniserie „Maid“ überzeugt bei der Darstellung generationsübergreifender Missbrauchsdynamiken. Weniger gelungen sind die Leistung der Hauptdarstellerin sowie die kitschigen Wendungen.

Auf dem Boden schlafen müssen Alex und Maddy zum Glück nur einmal. (Fotos: Netflix)

Eine junge Frau namens Alex (Margaret Qualley) holt mitten in der Nacht ihre zweijährige Tochter (Rylea Nevaeh Whittet) aus dem Bett, setzt sie ins Auto und fährt los. Wohin, weiß sie nicht so recht. Sie hat keinen Job und in ihrem Geldbeutel nicht mehr als ein paar Dollar. Ihr alkoholkranker Partner Sean war am Abend zuvor wieder einmal gewalttätig geworden. Alex fürchtet um sich selbst, vor allem aber um die gemeinsame Tochter, die Sean eigentlich nie wollte.

Schon diese erste Szene von „Maid“ macht deutlich, wie viel in dieser Miniserie auf dem Spiel steht. Auf den Memoiren der US-amerikanischen Autorin Stephanie Land beruhend, wird über zehn Folgen hinweg Alex’ täglicher Überlebenskampf geschildert.

Nachdem Alex und Maddy vorübergehend in einer Sruktur für Opfer häuslicher Gewalt Zuflucht gefunden haben, nimmt erstere einen schlecht bezahlten Job als Putzkraft an. Wir erfahren, dass Alex völlig auf sich allein gestellt ist. Doch was ist mit ihren Eltern? Freund*innen? Mit jeder Interaktion oder Rückblende erfahren wir ein wenig mehr darüber, weshalb sich Alex nicht auf diese Menschen verlassen kann. Ebenso verhält es sich mit Hilfsstrukturen. Die Wartelisten sind lang, die Kriterien zum Teil absurd, die finanzielle Unterstützung ist dürftig. An einer Stelle rechnet Alex vor, dass ihr am Ende jeder Woche höchstens neun Dollar bleiben. „Das reicht gerade so für Tampons“, konstatiert die 25-Jährige.

„Maid“ geht vor allem dann unter die Haut, wenn es um Missbrauchsdynamiken geht. Schon als Kind war Alex Opfer von Gewalt und Vernachlässigung und nun, als Erwachsene, versucht sie, aus diesem Gewaltzyklus auszubrechen. Sich als Opfer zu sehen, fällt ihr allerdings schwer. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb sie ungerne Hilfe von anderen annimmt. Alex hat gelernt, wie gefährlich es sein kann, abhängig von anderen zu sein. Vor allem aber hat sie gelernt, dass Unterstützung, die jederzeit entzogen werden kann, keine wirkliche Unterstützung ist. Zumindest dann nicht, wenn ein Kleinkind im Spiel ist. Stabilität sei das Wichtigste für Kinder, lernt Alex in der Elternschule. Am Ende der Miniserie hat Maddy in einem Dutzend verschiedener Betten geschlafen und wurde fast täglich von einer anderen Person betreut. Von Stabilität kann hier keine Rede sein.

Obwohl viele Szenen naturalistisch gehalten sind, gibt es immer wieder unglaubwürdige Momente: Immer dann, wenn es das Drehbuch erfordert, taucht aus dem Nichts eine Figur auf, die Alex aus der Patsche hilft. Dadurch wird das Dargestellte für die Zuschauer*innen zwar ertragbarer, dieses Manöver sorgt jedoch für unnötigen Kitsch. Die vorhersehbare Abwechslung der Hochs und Tiefs hat mehr mit – schlechter – Spannungsdramaturgie als mit gelebtem Alltag zu tun.

Leider enttäuscht auch Margaret Qualley in der Hauptrolle. Zu ihrer Figur wird sie eigentlich nie richtig. Dafür ist ihr Spiel zu berechnet, zu bemüht. Wer Qualley in „The Leftovers“ gesehen hat, weiß, dass sie mehr drauf hat. Nicht zuletzt wirft auch die Hautfarbe der Hauptdarstellerin Fragen auf. Angesichts dessen, dass die überragende Mehrheit an Putzkräften einen Migrationshintergrund haben, wirkt es befremdlich, gerade einer weißen Frau hier derart viel Raum zu geben, um ihre Geschichte zu erzählen.

Auf Netflix.

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