Kantinen-Petition in der Chamber: Esst luxemburgisch!

Wie man in den Kantinen mehr luxemburgische Produkte verarbeiten könnte, darüber wurde in der Chamber debattiert. Sinn und Unsinn einer solchen Initiative wurden allerdings kaum erwogen.

100 Prozent Luxemburg? Das Gras ist national, doch woher kommt das Kraftfutter für diese Rinder? (Wikimedia / PlayMistyForMe / CC BY-SA 1.0)

Luxemburger Produkte für Luxemburger Kantinen – wer könnte dagegen sein? 8.000 Unterschriften kamen für eine Petition zusammen, die ihre vermehrte Verwendung in öffentlichen Kantinen fordert. Und beim Chamber-Hearing gab es am vergangenen Freitag auch fast nur Zustimmung für sie.

Nicht einmal Déi Lénk, oft die einzige Partei, die im Parlament fortschrittlich-kritische Positionen vertritt, hatte etwas zu bemängeln. David Wagner betonte, möglichst lokal zu produzieren und zu konsumieren, sei wichtig – aus sozialen und ökonomischen Gründen, aber auch der Umwelt zuliebe. Einzig der grüne Abgeordnete Gérard Anzia brachte einen Misston in den großen Einklang. Womit er belegte, dass bei Déi Gréng nach 20 Jahren Realo-Kurs und drei Jahren Regierungsbeteiligung manchmal doch noch kritisches und vernetztes Denken möglich ist.

Lokal verkaufen, global handeln

„Solidarität mit der Luxemburger Landwirtschaft, das wollen die Personen, die die Petition unterzeichnet haben, ausdrücken“, griff Anzia die salbungsvollen Aussagen seiner Vorredner auf. „Was sie aber auch wollen, sind hochwertige Lebensmittel, von denen sie nachvollziehen können, wo sie herkommen.“ Darüber hinaus, so der grüne Abgeordnete, sei es den Leuten auch wichtig, Produkte auf dem Teller zu haben, die aus der biologischen Landwirtschaft stammen und Tierschutzkriterien gerecht werden. Ganz allgemein gehe es um Dinge wie sauberes Wasser und eine gesunde Umwelt – also Vermeidung von Pestiziden und genmanipulierten Organismen, auch im Viehfutter.

„Ist die Landwirtschaft im Gegenzug wirklich solidarisch mit den Menschen?“ fragte Anzia zweifelnd. Als exemplarisch für die Widersprüche der Agrarlobby, die die Petition lanciert hatte, führte er die Bemühungen an, luxemburgische Produkte auf dem Weltmarkt abzusetzen, sowie die Praxis, Futter zu importieren, statt es anzubauen.

Anzias Skepsis ist gut nachzuvollziehen. Wieso geht man davon aus, dass nationale Produkte automatisch gesünder seien – ein für Kantinen nicht unwichtiges Kriterium? Auch der Anspruch, allgemein nachhaltiger zu sein, ist zu hinterfragen. Gewiss, die meistens bescheidenen Betriebsgrößen in Luxemburg sind hierbei ein Pluspunkt. Doch konsequente Nachhaltigkeit ließe sich nur durch den weitgehenden Verzicht auf Pestizide und überregionales Viehfutter erreichen – da bleibt, außer in der Biolandwirtschaft, noch ein weiter Weg zurückzulegen.

Nationale statt Bio-Label?

Schließlich stellt sich die Frage: Wie lokal ist national? Es stimmt, dass kurze Wege und enge Kontakte zwischen ErzeugerInnen, HändlerInnen und VerbraucherInnen der Lebensmittel wünschenwert sind. Doch für eine Kantine in Wiltz ist ein Bauernhof in Bastogne näher als einer in Burmeringen. Andererseits sind in der alternativen Szene – und im Biohandel – auch Ansichten vertreten wie: „Hauptsache bio, egal von woher.“

Die von der Mainstream-Landwirtschaft lancierte Petition dreht den Spieß gewissermaßen um: Hauptsache luxemburgisch, egal ob bio oder konventionell. Auf die von Anzia aufgeworfenen Fragen gab es von Seiten der Regierung denn auch kaum Antworten – die grünen MinisterInnen waren beim Hearing übrigens nicht zugegen. Das Landwirtschaftsministerium stellte zwar ein neues Label-System vor, das die Auflagen, denen sich die LebensmittelproduzentInnen unterwerfen, durchschaubarer macht. Doch diese Labels „à la carte“ sind alles andere als ein Startsignal in Richtung Ökologisierung der Landwirtschaft.

Deutliche Aussagen gab es nur von Marc Fisch, dem Präsidenten der „Bauerenzentral“. Es gehe bei der Petition nicht um die Unterscheidung zwischen bio und konventionell, so seine Klarstellung. Um zu belegen, dass der Rückgriff auf Bioprodukte zu teuer würde, hatte er eine Anekdote parat: „In einer der Arbeitsgruppen zum Rifkin-Bericht wurde vorgeschlagen, zur Verpflegung in der Sitzungspause Bio-Brötchen anzubieten, doch stellte sich heraus, dass dafür nicht genug Geld da war.“ Fisch unterstrich auch, es sei besser, statt fertiger Lebensmittel aus dem Ausland Viehfutter für die einheimische Produktion zu importieren. Damit verdeutlichte er, dass die Petition im wesentlichen ein Marketingtrick der konventionellen Landwirtschaft war – und bestätigte insofern Anzias Zweifel.

Welche Landwirtschaft

Ein Problem der Petition ist also, dass sie über der Forderung nach Regionalität der Agrarprodukte die Umweltaspekte bei Anbau und Haltung vergisst oder vernachlässigt. Ein weiteres Problem ist, dass sie „regional“ durch „luxemburgisch“ ersetzt. Mit dieser Rückwendung ins Nationale liegt die Petition im Trend der Zeit – von Brexit bis Sprachdebatte, von Trump bis Le Pen wird mehr mit Identität als mit universalen Werten argumentiert. Schade nur, dass dies im Zusammenhang mit dem durchaus diskussionsbedürftigen Thema der – ganzheitlich zu verstehenden – Verbesserung der Verpflegung in den Kantinen geschieht. Positiv ist immerhin, dass von der Debatte Impulse ausgehen werden, zum Beispiel für die Förderung des einheimischen Gemüseanbaus. Und – auch wenn die Petition nur ein erster, unbeholfener Schritt war -, dass das Thema Ernährung nun endlich auf die politische Menükarte gesetzt worden ist.


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