Koalitionsverhandlungen: Die nächsten Schritte in der Klimapolitik

Zwei wichtige Naturschutzorganisationen wurden nach Senningen eingeladen, um die künftigen Koalitionär*innen zu informieren. Auch von einem wissenschaftlichen Gremium kommen Vorschläge in Bezug auf die künftige Klimapolitik, allerdings auch scharfe Kritik an der bisherigen.

Am vergangenen Monat tauschten sich Mouvement écologique, Nachhaltigkeitsrat und die Koaltionsverhandler*innen über Klimaschutz und Nachhaltigkeit aus. Der Vogel rechts im Bild war jedoch kein Mitglied einer Verhandlungsdelegation. (Foto: © SIP / Jean-Christophe Verhaegen)

Im Wahlkampf war die Klimakrise wenig präsent. Obwohl fast jede Partei sie als Priorität anerkannte, dominierte eher der Diskurs gegen vorgeblich überbordenden Naturschutz – wenn nicht über Steuern diskutiert wurde. Gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen machte Formateur und vermutlich nächster Premierminister Luc Frieden (CSV) klar, dass er sich zumindest einen sozialen und grünen Anstrich geben möchte.

Neben der Caritas und dem Roten Kreuz konnten auch Mouvement écologique und Nachhaltigkeitsrat ihre Ideen und Forderungen darlegen. Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen, man habe sich mit vielen kritischen Fragen konfrontiert gesehen, so Méco-Chefin Blanche Weber im Anschluss. Auch wenn man sich, wie Nachhaltigkeitsrat-Vizepräsident Norry Schneider es ausdrückte, einig sei, „dass wir uns in einer Krise befinden“, so überzeugte die Einladungspolitik nicht jede*n. Noch-Mobilitätsminister François Bausch (Déi Gréng) etwa meinte im Interview mit 100,7: „Nur, weil man einmal mit jemandem spricht, heißt das noch nicht, dass man sich für Klimapolitik einsetzt.“

Klimaziele in Gefahr

Was CSV und DP für klimapolitische Ziele haben, kann man in ihren jeweiligen Wahlprogrammen nachlesen: Die CSV bekennt sich zu den „europäischen Klimazielen“, die DP streicht die nationalen Klimaziele hervor. Damit ist aber eigentlich das Gleiche gemeint, denn die Ziele des Nationalen Energie- und Klimaplans (Pnec) richten sich an den europäischen Vorgaben aus: 55 Prozent weniger Treibhausgase, Verbesserung der Energieeffizienz um 44 Prozent und 35 bis 37 Prozent erneuerbare Energien im Energiemix – alles bis 2030, also nur zwei Jahre nach den nächsten Wahlen.

„Ohne transformative Klimamaßnahmen in dieser Legislaturperiode wird Luxemburg die nationalen Ziele des Klimagesetzes 2020 und die EU-Ziele für 2030 und 2050 nicht erreichen“, schreibt das Observatorium für Klimapolitik (OPC) in seinem zweiten jährlichen Bericht. Der richtet sich explizit an die neue Regierung und wurde, vermutlich um keinen Zweifel an der Neutralität des wissenschaftlichen Beirates aufkommen zu lassen, erst nach den Wahlen veröffentlicht. Das OPC spricht darin deutliche Worte über die unzureichenden Fortschritte, die Luxemburg bisher gemacht hat, und stellt Ideen vor für die nächsten Schritte.

Neue Behörden für 
ambitionierte Politik

Die Wissenschaftler*innen wiederholen sich nicht gerne, sie präsentieren stattdessen die Knackpunkte ihrer vorangegangenen Berichte. Das OPC halte an den wichtigsten Grundsätzen fest: „Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, Umsetzung eines gerechten Übergangs zu einer klimaresistenten Entwicklung und Herbeiführung einer neuen und transformativen Governance, die ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen ermöglicht“, heißt es im Bericht. Um Letztere zu gewährleisten, soll die Regierung eine*n Klimabeauftragte*n bekommen. Diese Person soll im Staatsministerium arbeiten und dafür sorgen, dass sämtliche Entscheidungen in Kohärenz mit den Klimazielen getroffen werden. Zum Beispiel indem der sogenannte „Nohaltegkeets-Check“ auf jede Maßnahme der Regierung – nicht nur Gesetze – angewandt wird, also zum Beispiel auch auf Verordnungen.

(SIP/Jean-Christophe Verhaegen)

Folgt die nächste Regierung den Wünschen des OPC, wird sie eine neue Klima- und Wetterbehörde schaffen, die die meteorologischen Dienste des Landwirtschaftsministeriums (Agrimeteo der Asta) und des Flughafens (Ana) vereint. Zu den neuen Aufgaben soll neben Mitarbeit in der World Meteorological Organization und dem Weltklimarat IPCC auch das Warnen vor Unwettern gehören. Bisher gibt es keine Behörde, die gezielt Klimadaten sammelt und zur Verfügung stellt – das Liefern sogenannter „Climate Services“ wäre auch eine Aufgabe für die neue Administration. Damit aber noch nicht genug: Auch ein Institut für klimaresiliente Entwicklung soll in Luxemburg etabliert werden, um die Forschung in diesem Bereich zu koordinieren und voranzutreiben.

Außerdem schlägt das OPC vor, den Klimabiergerrot wieder einzusetzen, dieses Mal jedoch ohne Zeitlimit. Auch die Instrumente, mit denen die Gemeinden zu mehr Klima- und Naturschutz angespornt werden, der Klimapakt und der „Naturpakt mat de Gemengen“, sollten laut den Wissenschaftler*innen überarbeitet werden. Hier fehle es vor allem an Praxis, denn „mehrere Akteure vor Ort weisen darauf hin, dass derzeit viele Ressourcen und Kapazitäten in Beratungsstrukturen und Rechnungslegungssysteme fließen und weniger in die tatsächliche Umsetzung.“

Größtes Thema im Bericht des OPC ist der Luxemburger Finanzplatz, der als Motor der Wirtschaft des Landes gilt. Die Wissenschaftler*innen sehen das als zweischneidiges Schwert: „Der Finanzplatz stellt für Luxemburg sowohl ein Risiko als auch eine Chance dar, wenn es um den Klimaschutz geht. Ohne einen Strukturwandel und eine grundlegende Neuausrichtung auf die Finanzierung einer nachhaltigen Entwicklung, und insbesondere auf die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung daran, bleibt die wichtigste Säule der luxemburgischen Wirtschaft anfällig für die Risiken des Klimawandels: Investitionen in fossile Brennstoffe und andere ‚Stranded Assets‘ sind lang- oder sogar mittelfristig nicht nachhaltig und gefährden die zukünftige wirtschaftliche Stabilität“, heißt es im Bericht.

Zwei Gefahren sind besonders prominent: Einerseits die genannten „Stranded Assets“, zum Beispiel Investitionen in Öl- oder Kohlefirmen, die durch eine zunehmende Dekarbonisierung der Weltwirtschaft plötzlich wertlos werden. Und andererseits die Luxemburger Banken: Sie sind durch die geringe Größe des Marktes einem hohen systemischen Risiko durch die Klimakrise ausgesetzt, was auch die Luxemburger Wirtschaft an sich beeinflusst. Flutereignisse wie im Müllerthal 2018 oder der Tornado 2019 seien große Risikofaktoren für die Luxemburger Banken, so das OPC. Das OPC lobt die staatseigene Spuerkeess für ihren Beitritt zur „Neo-Zero Banking Alliance“, fordert sie jedoch gleich dazu auf, ambitionierte Schritte hin zum Nettonull-Ziel zu unternehmen.

Nicht-nachhaltiger Finanzplatz: Gefahr für die Wirtschaft

Zwar gibt es eine Strategie und die dazugehörige „Luxembourg Sustainable Finance Initiative“, an beiden lässt das OPC jedoch kein gutes Haar: „unzureichend und inkohärent“ sei die Strategie, außerdem „mehr ein Wunschtraum als konkret und glaubwürdig“. Auch fünf Jahre nach dem Erscheinen einer Roadmap hätten sich die „grünen“ Ambitionen des Großherzogtums noch nicht materialisiert. Um das zu gewährleisten, müssten nicht nur die heimischen Banken nachhaltig wirtschaften – die Spuerkeess wird auch hier als positives Beispiel hervorgehoben –, sondern auch das Geschäftsmodell des Luxemburger Finanzplatzes genau unter die Lupe genommen werden.

Das OPC kritisiert hier besonders das Modell der Soprafis (Société de participations financières), weil es undurchsichtige Firmenstrukturen schafft, die nicht nur Instrumente zur Steuervermeidung sein können, sondern es auch sehr schwer machen, ihren Einfluss auf das Klima zu beurteilen. Das OPC schlägt vor, eine Strategie für den ganzen Finanzplatz auszuarbeiten, die über die bekannten ökologischen und sozialen Kriterien hinausgeht, um „Finance made in Luxembourg“ zu einem Siegel für Nachhaltigkeit zu machen.

Für die vermutlich liberal-konservative Regierung, die gerade Koalitionsgespräche führt, wird es viel zu tun geben. Gerade im Finanzbereich sollte es aber weder bei der CSV noch bei der DP an Expertise und Kontakten fehlen, um die Vorschläge des OPC umzusetzen. Der Wille hierzu müsste allerdings auch vorhanden sein.


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