Rückblick auf den Wahlkampf
: Mit Youtube zum Wahlsieg


Im Wahlkampf fließen immer höhere Summen an Social-Media-Konzerne. Eine exklusive woxx-Recherche zeigt, welche Parteien am meisten Geld ausgaben.

Die gesamten Ausgaben der Parteien für Social-Media-Wahlkampf in der Periode zwischen 22. Juli und 20. Oktober. Die hellen Streifen zeigen die Minimalsumme, die dunklen die Maximalsumme (siehe Kasten). (Grafik: woxx)

Am Dienstag konstituierte sich das Luxemburger Parlament neu. Das war ein wichtiger Schritt nach den Parlamentswahlen vom 8. Oktober, sodass die neuen und die wiedergewählten Abgeordneten Platz in der Chamber nehmen konnten. Ein guter Moment, um noch einmal auf den Wahlkampf zurückzublicken. Der wurde, wie auch schon bei vorigen Wahlen, online geführt. Die Summen, die die Parteien in den sozialen Netzwerken ausgeben, werden immer größer, wie die woxx-Recherche zeigt.

Seit einigen Jahren müssen Social-Media-Konzerne angeben, wer bei ihnen welche politische Werbung geschaltet hat und wie viel Geld dafür ausgeben wurde. Die woxx hat die Daten von Meta, dem Mutterkonzern von Facebook und Instagram, und jene von Alphabet, dem Haus von Google und Youtube, analysiert. Dabei wurden sämtliche Daten der drei Monate zwischen dem 22. Juli und dem 20. Oktober berücksichtigt. In dieser Zeit gaben die Luxemburger Parteien insgesamt zwischen 202.000 und 204.333 Euro auf Instagram, Facebook und Youtube aus. Im Gemeindewahlkampf waren es lediglich zwischen 40.755 und 47.713 Euro gewesen.

Auf X, ehemals Twitter, existiert die Transparenz zu politischen Anzeigen nur zum Schein. Eigentlich hatte der Kurznachrichtendienst gesponsorte Tweets zu politischen Themen komplett verboten, seit dem 29. August ist dies jedoch wieder erlaubt. Eine Übersicht, welche Accounts wie viel Geld ausgegeben haben, gibt es nicht. Stattdessen muss man sich einen Bericht „generieren“ lassen. Beim Versuch der woxx, dies zu tun, streikte der X-Server, der diesen zum Download bereitstellen sollte. Solche technischen Probleme gehören seit der Übernahme des Dienstes durch Elon Musk zum Tagesgeschäft. Soweit der woxx bekannt ist, schaltete zumindest Piratepartei-Abgeordneter Sven Clement einen seiner Tweets als Anzeige.

Waren es im Gemeindewahlkampf noch Déi Gréng, die am meisten Geld für Online-Werbung ausgaben, so wurden sie bei den Nationalwahlen von gleich drei Parteien in diesem Bereich überholt. Spitzenreiterin ist die DP mit einem Betrag zwischen 44.706 und 45.098 Euro. Etwa die Hälfte davon floss in Werbung bei Alphabet, also in Anzeigen bei Google oder Werbespots auf Youtube (39 Prozent der Ausgaben). Ein Grund für den Wahlerfolg der liberalen Partei? Es drängt sich der Vergleich mit der Strategie von Déi Gréng 2018 auf: Damals war ein Video der Grünen mit über 35.000 Aufrufen das meistgesehene im Wahlkampf.

Neue Youtube-Rekorde

Meta: Facebook und Instagram
Alphabet: Youtube und Google (Grafik: woxx)

Drei Videos der DP brechen diesen Rekord, insgesamt wurden sie 638.640-mal angesehen. Das passierte wohl kaum freiwillig, denn andere Videos, in denen etwa Spitzenkandidat*innen der DP vorgestellt werden, kommen meist nicht einmal auf 100 Aufrufe. Auch auf Facebook und Instagram setzte die liberale Partei auf Videos: Auf dem offiziellen Account ist kein bezahlter Inhalt zu sehen, der lediglich aus einem Bild oder Text besteht.

Die CSV wurde am 8. Oktober wieder stärkste Partei. Auch sie hat eine hohe Summe ausgegeben. Anders als die DP setzte sie jedoch vor allem auf Facebook und Instagram, um ihre Wähler*innen zu erreichen. Von den 43.037 bis 43.331 Euro, die die konservative Partei insgesamt für Onlinewerbung ausgab, war der Löwenanteil für Meta. Lediglich 1.750 Euro gab die CSV für Anzeigen bei Google und Youtube aus. Der Wahlwerbespot mit Luc Frieden wurde etwa 12.400-mal angeschaut – im Fernsehen auf RTL hat er wohl mehr Menschen erreicht. Die hohen Ausgaben stellen eine Kehrtwende von der Strategie von 2018 dar, damals schaltete die CSV nur wenig Werbung auf Facebook. Bereits während des Gemeindewahlkampfs wurde Luc Frieden – der bekannterweise nur im Oktober antrat – beworben. Auch während des Sommers, als die „offizielle“ Wahlkampfzeit noch gar nicht begonnen hatte, war „#Luc“ als Facebook-Werbung omnipräsent. Die CSV setzte auf eine Mischung aus Fotos und Videos, wobei letztere jedoch überwogen.

Die ADR hat kein Geld für Werbung bei Google oder Youtube ausgegeben, sondern zwischen 31.707 und 32.099 Euro für Anzeigen auf Facebook und Instagram an Meta überwiesen. Dabei setzte die rechtspopulistische Partei vor allem auf Videos. Sie nutzte dazu hauptsächlich Material aus dem Parlamentsfernsehen, zum Teil auch mit Reden von Gast Gibéryen, der bei den Wahlen überhaupt nicht mehr antrat. Auch ein Beitrag mit Hetze gegen eine der ADR unliebsame RTL-Journalistin wurde als „sponsored post“ auf Facebook geteilt. Allerdings muss man für Reichweite nicht unbedingt Geld ausgeben: Der Adrenalin-Präsident Maksymilian Woroszylo erreichte auf Tiktok eine erstaunlich hohe Zahl an Aufrufen. Ein Video, in dem er den Luxemburger Hauptbahnhof als idealen Ferienort für „Verbrecher oder Kriminelle“ bezeichnet, wurde auf der App über 63.000-mal angesehen.

Tiktok siegt, Inhalte verlieren

Auch der offizielle Parteiaccount der ADR generierte viele Aufrufe. Im Gegensatz dazu wurde das meistgesehene Tiktok-Video von Déi Gréng lediglich 1.800-mal angesehen. Darin ist eine Parteitagsrede von François Bausch zu sehen. Das Video erhielt 23 Kommentare, die so gut wie alle negativ sind. Sollte sich herausstellen, dass die ADR unter jungen Wähler*innen hinzugewonnen hat, könnte ihr Erfolg auf Tiktok der Grund dafür sein. Aber auch wenn die ADR sehr aktiv auf Tiktok ist, so haben andere Politiker*innen auch hohe Zugriffszahlen: Noch-Premierminister Xavier Bettel (DP) hat mit seinem ersten Tiktok-Video über 254.000 Aufrufe generieren können.

Déi Gréng gaben ähnlich viel Geld wie die ADR aus: Zwischen 30.983 und 31.473 Euro. Ein Großteil dafür war für Werbung auf Facebook und Instagram, Youtube und Google bekamen von Déi Gréng lediglich 2.450 Euro. Der Löwenanteil von dieser Summe ging an Youtube, wo drei verschiedene Werbespots insgesamt etwa 102.000-mal gesehen wurden. Zwei Clips, die mit der Botschaft der letzten Wahlkampfwochen „Es ist nicht egal, wen du wählst“ versehen waren, wurden auf Youtube wohl nicht mehr als Werbung geschaltet, sie haben nur sehr wenige Aufrufe. Auf Instagram hingegen wurden sie durchaus als Werbung geschaltet. Interessant ist, dass Déi Gréng stärker auf Bilder und Text setzten als andere Parteien, die ihre Botschaften eher oder gar ausschließlich als Video verpackten. Lange Zitate und Fotos von Kandidat*innen oder Ideen aus dem Wahlprogramm mit Symbolbildern – Formate, die wohl lediglich die Kernwähler*innenschaft ansprachen.

Die Piratepartei setzte bei ihren Werbevideos auf Youtube auf verschiedenste Themen: Sicherheit, Gesundheit, Kinderbetreuung, Steuerreform, Wohnbau, Zahl der gestellten parlamentarischen Anfragen. Gemeinsam kamen diese Videos auf über 515.000 Aufrufe. Ein Video, in dem ein Kandidat erklärt, wie die Forderung eines Mietpreises von 10 Euro pro Quadratmeter funktionieren soll, wurde hingegen nur 17-mal angesehen. Dafür gab sie vergleichsweise viel Geld aus: 4.800 Euro zahlte die Partei an Alphabet. Der Ansatz, verschiedenste Themen in Werbespots zu beleuchten, unterscheidet die Piratepartei in jedem Fall von anderen Parteien. Auf Facebook bewarb die Partei neben Videos auch Links zu Artikeln des „Luxemburger Wort“. Auch ein Sharepic, das (auf Deutsch) ein französisches Gesetz zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung bewirbt, wurde als Werbung geschaltet. Mit 962 verschiedenen Anzeigen hält die Piratepartei auf jeden Fall den Rekord für die unterschiedlichste Werbung.

Talkshows und Musikvideos

Mit Ausgaben zwischen 22.460 und 22.626 Euro ist die LSAP jene „große“ Partei, die am wenigsten Geld in den Social-Media-Wahlkampf steckte. Dafür ist die Summe, die Google und Youtube erhielten, die zweitgrößte: Mit 9.750 Euro floss fast die Hälfte des Online-Budgets an Alphabet. Allerdings hat die LSAP nicht wie die meisten anderen Parteien gezielt ihre üblichen Wahlwerbespots als Werbung auf Youtube geschaltet, sondern stellte ihre Kandidat*innen vor. Die fast dreiminütige Homestory „Doheem beim Dan Biancalana“ wurde zum Beispiel beinahe 130.000-mal angesehen. Auch noch längere Diskussionsformate wie der LSAP-Podcast „Ongefiltert“ oder „LSAP Talk“ haben jeweils über 10.000 Aufrufe. Ob die Videos jedoch immer zu Ende geschaut wurden, verrät Youtube leider nicht. Interessant ist dabei, dass die sonst so Lenert-fokussierte Sozialdemokratie ihre nationale Spitzenkandidatin auf Youtube überhaupt nicht in den Fokus stellte – sogar beim „LSAP Talk“ über das Gesundheitssystem musste sie sich die Bühne mit Mars di Bartolomeo teilen. Auf Facebook und Instagram hingegen war Lenert (und teilweise ihr Hund) beinahe alleiniges Motiv. Die sozialdemokratische Partei setzte, ähnlich wie Déi Gréng, viel auf Fotos und Slogans, während Videos eher die Ausnahme bildeten.

Déi Lénk bildet eine Ausnahme unter den Parlamentsparteien: Sie hat „nur“ 2.014 bis 2.112 Euro für Werbung auf den sozialen Netzwerken ausgegeben, und dies auch nur auf Facebook und Instagram. Dabei posteten sie wenig Videos und vor allem Fotos und Beschreibungen ihrer Kandidat*innen. Inhaltliche Posts wurden hingegen kaum beworben. Unter den wenigen Videos, die die Partei bewarb, war auch das Musikvideo zu Serge Tonnars Neuinterpretation vom Einheitsfrontlied, das einen Chor von Kandidat*innen in der stillgelegten Mine von Hussigny-Godbrange zeigte. Fokus gab ähnlich viel Geld aus wie die linke Oppositionspartei, nämlich 1.450 Euro auf Facebook und Instagram. Die Europapartei Volt gab 328 Euro für zwei Werbeeinschaltungen aus, Déi Konservativ 160 Euro. Die KPL scheint sich dafür entschlossen zu haben, keine Werbung auf Social Media zu schalten.

Mit diesen Zahlen ist es möglich, auszurechnen, wie viel Geld die Parteien für eine Stimme beziehungsweise ein Mandat auf Social Media ausgegeben haben. Am günstigen kamen Déi Lénk mit 1 Cent pro Stimme oder knapp 1.000 Euro pro Sitz weg. Der Wahlkampf der Piratepartei war vergleichsweise sehr teuer: 10 Cent pro Stimme und etwa 8.500 Euro pro Mandat. Auch die Sitze von Déi Gréng waren mit 7.800 Euro pro Mandat eine hohe Investition. Im Durchschnitt gaben die Parteien im Parlament 4.400 Euro pro Sitz aus, während eine Stimme sie in etwa 5 Cent kostete. Die Kosten des „analogen“ Wahlkampfs sind – da sie nicht bekannt sind – hier natürlich nicht eingerechnet.

Kaum eine Partei entzieht sich dem Online-Wahlkampf. Obwohl Alphabet, Meta und X nicht unbedingt einen guten Ruf haben, scheint es für die meisten Parteien kein ethisches Problem zu sein, diesen Konzernen Geld für Reichweite zu bezahlen. Während bei anderen Werbemitteln, wie etwa den Hohlkammerplakaten aus Plastik, bestimmte Parteien bewusst verzichten, wird von Wahlkampf zu Wahlkampf mehr Geld an die datenhungrigen Konzerne aus Silicon Valley überwiesen.

Wie die Zahlen zustande kommen

Da Meta (Facebook und Instagram) Werbebeträge unter 100 Euro nicht genau beziffert, bleibt eine gewisse Unsicherheit, wie viel Geld tatsächlich ausgegeben wurde. Daher gibt die woxx eine Spanne an: Der unterste Betrag ist jeweils jene Summe, die ausgegeben worden wäre, hätte jedes Anzeigenpaket unter 100 Euro bei Meta nur einen Euro gekostet. Der höhere Betrag berechnet für jede dieser Werbeeinschaltungen 99 Euro. Die Wahrheit liegt also irgendwo dazwischen. Es handelt sich bei diesen kleinen Werbepaketen meistens um die Accounts von Lokalsektionen oder einzelner Kandidat*innen, die auf eigene Faust Werbung schalteten. In Fällen, in denen wir keine Spanne angeben, gab es keine Anzeigenschaltungen unter 100 Euro. Auf unsere Anfrage antworteten lediglich Déi Lénk und die Piratepartei mit konkreten Zahlen, während die DP angab, noch keine Zahlen zu haben. Déi Gréng bestätige den Erhalt unserer Anfrage, meldete sich bis Redaktionsschluss jedoch nicht zurück.


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