Mentale Gesundheit: Psychiater*innen schlagen Alarm

Die Société luxembourgeoise de psychiatrie, pédopsychiatrie et psychothérapie lobt den Aktionsplan für mentale Gesundheit, zweifelt jedoch an seiner Umsetzung und zeigt sich besorgt.

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Luxemburg hat seit Juli einen Aktionsplan für mentale Gesundheit, der den Sektor bis 2028 optimieren soll. Lobenswert? Nur bedingt, findet die Société luxembourgeoise de psychiatrie, pédopsychiatrie et psychothérapie (SLPPP): Ende letzter Woche begrüßte die Organisation den Plan in einem Presseschreiben, legte jedoch vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie den Finger in die Wunde.

Es fehlt dem Aktionsplan laut SLPPP nicht an Zielsetzungen in diesem Bereich, aber: Viele davon gehen auf die „Stratégie nationale en faveur de la santé mentale des enfants et jeunes au Luxembourg“ aus dem Jahr 2013 zurück. „Wie kann es sein, dass die Verantwortlichen es in zehn Jahren lediglich geschafft haben, Empfehlungen in Zielsetzungen umzuwandeln?“, hinterfragt die SLPPP. Stattdessen hätte das Gesundheitssystem in dieser Zeit um die dringend notwendigen Betreuungsstrukturen für betroffene Kinder und Jugendliche ergänzt werden müssen. Die Strategie von 2013 habe fünf Prioritäten benannt, davon sei keine einzige umgesetzt worden, so Paul Hédo, Präsident der SLPPP, im Gespräch mit RTL.

Allein in der Kinderpsychiatrie des Centre hospitalier de Luxembourg, wo Hédo tätig ist, verstreiche in der Regel ein halbes Jahr bis zum ersten Termin. Im Bildungsbereich werde sich derweil um die psychische Betreuung von Heranwachsenden mit Verhaltensauffälligkeiten bemüht, allerdings sei dies eine hohe Belastung für alle Instanzen. Die Kinder und Jugendlichen würden zunehmend kategorisiert – in krank oder gesund, aggressiv oder traumatisiert – statt angemessen gepflegt und gebildet. Dafür müsse spezialisierteres Personal her.

Was es jetzt braucht

Die SLPPP fordert die Entstehung eines dezentralisierten Sektors außerhalb der Krankenhäuser im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der erwünschte Sektor soll Beratungsangebote, Therapien, Unterstützungsangebote für die Eltern sowie Therapiezentren für Kinder umfassen. Paul Hédo beteuerte bei RTL, der SLPPP sei es gleich, wer diesen Sektor betreibe. „Diese Frage muss politisch geklärt werden“, unterstreicht er. Darüber hinaus verlangt die SLPPP die Ergänzung der „unités d’hospitalisation“ durch semistationäre und ambulante Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche.

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Neben der Sorge um Heranwachsende mit psychischen Erkrankungen, beschäftigt die SLPPP aber auch die Situation von Erwachsenen. Auch hier nannte Hédo ein Beispiel aus dem CHL: Täglich würden hier bis zu zehn Patient*innen auf der Suche nach psychiatrischer Hilfe abgewiesen, weil es an Terminen fehle. „Der Notdienst ist jeden Tag überfüllt.“ Es ist zudem die Rede von einem beunruhigenden Mangel an Psychiater*innen. Dasselbe gilt übrigens für Psychotherapeut*innen, wie Catherine Richard, Präsidentin der Fédération des associations représentant des psychothérapeutes, der woxx im März berichtete. „Der Beruf ist nicht attraktiv“, meinte sie damals. „Den Menschen in Luxemburg geht es derzeit extrem schlecht und wir haben nicht genug Expert*innen, die dies auffangen können.“

Um die Lage in der Erwachsenenpsychiatrie zu entschärfen, verlangt die SLPPP eine Umorganisation psychiatrischer Notdienste in regionaler sowie nationaler Zusammenarbeit, ein Audit zur Anzahl verfügbarer Betten und Therapieplätze, die Aufwertung des Berufs als Kinder- und Jugendpsycholog*in im bezuschussten außerklinischen Bereich und die Einführung eines entsprechenden Studiengangs an der Universität Luxemburg.

Die zähen Verhandlungen um die Kostenrückerstattung bei einer Psychotherapie, der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen beim Kontrolldienst der Krankenkasse, die ausbleibende Reglementierung des Berufs der Psycholog*innen – all dies spricht dafür, dass bahnbrechende Fortschritte in Sachen mentale Gesundheit in Luxemburg auch weiterhin auf sich warten lassen. Oder um es mit den Worten der SLPPP zu beschreiben: „Wir haben jetzt einen Plan, aber haben wir auch einen Plan, um diesen umzusetzen?“


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