Das neue Mietgesetz verspricht Wuchermieten zu verhindern, treibt sie tatsächlich jedoch weiter an.
Vergangene Woche ging es beim Thema Wohnungskrise richtig zur Sache: Am Donnerstag wurde eine Anpassung der Reform des Mietgesetzes vorgestellt, und tags darauf erläuterten gleich drei Minister*innen, wie die Koalition den Leerstand von Wohnungen bekämpfen will. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können, denn die Erklärung des Premiers zur Lage der Nation stand kurz bevor.
„Am Abend wird der Faule fleißig“, könnten allerdings böse Zungen monieren, denn das nun präsentierte Maßnahmenpaket war schon vor einem Jahr, anlässlich der damaligen Erklärung zur Lage der Nation, von Xavier Bettel angekündigt worden. Jetzt konnte der Premier bei der Neuauflage seiner Rede am vergangenen Dienstag in letzter Minute „Vollzug“ melden.
Natürlich gehört einiger politischer Mut dazu, sich an die Leerstandsproblematik heranzuwagen und bei den Mieten, die in Luxemburg in einigen Fällen nur mehr als unverschämt gelten können, eingreifen zu wollen. Schließlich geht es hier ans Eingemachte: Luxemburger*innen sind in der Mehrheit Eigentümer*innen. Die oben skizzierten Gesetzestexte sind also eigentlich nur im Interesse einer – zwar stetig steigenden – Minderheit, die zudem oft nicht wahlberechtigt ist.
Die Reaktionen aus dem oppositionellen politischen Lager ließ nicht lange auf sich warten. Zu spät und zu halbherzig heißt es von linker Seite: Zwar habe die Regierung vieles – wenn auch nicht alles – aus der von „déi Lénk“ schon vor fünf Jahren vorgelegten Gesetzesinitiative abgekupfert, doch als Lösung für das „Armutsproblem Nummer 1“ reiche sie nicht mehr aus.
Eine erste schnelle Reaktion aus der CSV zielte in die entgegengesetzte Richtung: Die Deckelung der Mieten von Mietwohnungen auf 3,5 Prozent des investierten Kapitals – statt bislang fünf Prozent – ersticke jegliche Privatinitiative, Wohnungsraum zu schaffen, im Keim .
Nun könnten wir schlussfolgern, dass es unmöglich ist, alle gleichermaßen zufriedenzustellen und die Vorlage angesichts der Attacken von links wie rechts quasi als alternativloser Kompromiss gelten kann.
Allerdings zeigt sich die Wohnungsmisere auf unterschiedliche Weise, je nachdem, auf welcher Seite der Barriere man sich wiederfindet. Der Verlust bezahlbaren Wohnraums und damit der Möglichkeit, in einigermaßen erträglichen Verhältnissen sein Leben gestalten zu können, wirkt sich anders aus als Mindereinnahmen auf investiertem Kapital hinnehmen zu müssen. Wohl mag es Personen geben, deren Einkommenskarrieren so gestaltet sind, dass sie in hohem Alter auf Einkünfte aus vermietetem Wohnraum angewiesen sind, um ihrerseits weiter in zumutbaren Verhältnissen leben zu können. Doch dürfte das die Ausnahme sein.
Echte Mietpreisdeckelung wird es erst geben, wenn Maximalmieten pro Quadratmeter entlang der finanziellen Möglichkeiten der Mieter*innen festgelegt werden.
Neben allen technischen Detailfragen muss vor allem das prinzipielle Herangehen in Sachen Mietdeckelung hinterfragt werden. Die Reduzierung von fünf auf 3,5 Prozent klingt auf den ersten Blick ziemlich radikal. Sie hat auch zu dem einen oder anderen echauffierten Leser*innenbrief animiert, in dem skandalisiert wurde, dass die Mieteinnahmen jetzt um 30 Prozent sinken könnten.
Ein per Kommuniqué nachgereichtes Rechenmodell des Wohnungsbauministeriums zeigt jedoch: Die maximal möglichen Mieten werden künftig tendenziell höher sein als bisher.
Der wohnungspolitische Sprecher der CSV, Marc Lies, hatte auf RTL vorgerechnet, dass eine 2010 zum Preis von 375.000 erbaute Wohnung nach der geplanten Regelung an eine Mietobergrenze von 1.093 Euro gebunden sei. Dies sei „nicht mehr rentabel“.
Damit lag er gleich doppelt falsch. Das investierte Kapital wird schon im alten Berechnungsmodus auf einen „aktuellen“ Wert hochgerechnet. In Lies’ Beispiel wäre der nach geltendem Gesetz 423.000 Euro, mit einer Mietobergrenze von 1.765 Euro.
Mit der neuen Regelung wird jedoch der Berechnungsmodus zugunsten der Eigentümer*innen angepasst, wie das Kommuniqué zeigt: „Mit dem Reformvorschlag der Regierung beliefe sich das aktualisierte Kapital sogar auf 724.000 Euro“. Dies trage „der Preisentwicklung dieser Wohnung wirklich Rechnung“. Und weiter: „Im Gegenzug wurde deshalb die maximale Mietobergrenze auf 3,5% festgelegt und beläuft sich auf 2.100 Euro.“
Die Reform will demnach den Impakt der Wertsteigerung der Wohnungen auf die Mieten erst gar nicht zurückfahren, im Gegenteil. Statt der vermuteten Senkung der Miete um 30 Prozent wäre beim genannten Beispiel, etwa im Falle einer Neuvermietung, nunmehr eine Erhöhung von fast 19 Prozent erlaubt.
Hier von einer Deckelung der Mieten zu reden, ist aus Sicht der Mieter* innen also nichts anderes als eine Mogelpackung. Für Vermieter*innen setzt sich hingegen der doppelte Reibach fort: Die laufende Wertsteigerung der Immobilie geht einher mit einer kontinuierlich vorteilhaften Anpassung der maximal zulässigen Miete. Und im Falle eines Verkaufs lockt dann zusätzlich eine im Vergleich zum Kapitaleinsatz stattliche „plus-value“.
Echte Mietpreisdeckelung wird es erst geben, wenn Maximalmieten pro Quadratmeter entlang der finanziellen Möglichkeiten der Mieter*innen festgelegt werden. Die werden, nach Lage der Dinge, derzeit eher ärmer als reicher. Das dort zu erwartende Abschöpfungspotenzial wird also abnehmen. Wem dann die Rendite nicht mehr reicht, der kann ja woanders investieren. Je weniger Wohnraumspekulation, desto besser für das Land.