Mit orwellschen Begründungen will die EU-Waffenlobby Rüstungsinvestitionen als „nachhaltig“ einstufen. Auch hierzulande soll die Industrie im weltweiten Wettrüsten stärker miteinbezogen werden.

Nach den 50 Lastwagen machen die 38 mit Automatikkanonen ausgestatteten „Jaguar»-Kampffahrzeuge den größten Teil des Einkaufes für ein zukünftiges binationales Bataillon mit Belgien aus. (Copyright: armée de Terre, Licence Ouverte 2.0)
Noch lehnt der Staatsrat die größte geplante Investition in die Armee ab. Über 2,61 Milliarden Euro sollen für den Kauf von 186 militärischen Mittelklassefahrzeugen ausgegeben werden ‒ Gefährte, die „die Wendigkeit leichter Fahrzeuge mit der höheren Letalität und Überlebensfähigkeit schwerer Fahrzeuge“ verbinden, so der Projektentwurf. Wie schon für das A400M-Flugzeug ist Luxemburg mit Belgien für die gepanzerten Aufklärungs- und Kampffahrzeuge im Rahmen eines neuen binationalen Bataillons zuständig. Noch sei der Text jedoch zu vage und geplante Ausgaben „könnten überschritten werden“, bemängelt der Rat am 8. Oktober in seinem zweiten Avis.
Dabei wäre der Kauf ganz im Sinne der uneingeschränkten Aufrüstung: Die gilt mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als Legitimation und im Namen der „Abschreckung“ erneut als eine Top-Priorität der konservativ-liberalen Regierung. So ist jedes Nato-Mitglied angehalten, mindestens 2-Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben auszugeben. Wegen einiger wirtschaftlicher Besonderheiten, wie zum Beispiel Grenzarbeitskräfte, ist für Luxemburg der Referenzwert das Bruttonationaleinkommen (RNB). Premierminister Frieden beteuerte in seiner im Juni 2024 gehaltenen Rede zur Lage der Nation, dieses Ziel ab 2030 zu erreichen. Gesagt, geplant: Hiesige Ausgaben sollen bis 2028 von den diesjährigen 728 Millionen auf 1,106 Milliarden Euro steigen und sich bis 2030 sogar auf 1,461 Milliarden verdoppeln.
Einigen geht das jedoch nicht schnell genug: Die Handelskammer bedauert die immer noch bestehende „Lücke“ zwischen Luxemburg und anderen Nato-Mitgliedern. Das Patronat verfolgt den steigenden Militäretat mit Interesse und plädiert in einer Analyse Anfang Oktober sogar für eine Strategie, um die lokale Ökonomie zu fördern.
Wir verlieren aus den Augen, dass ein größerer Teil öffentlicher Gelder wirklich nachhaltig investiert werden könnte.
Mit ihrem Appetit auf ein größeres Stück vom Kuchen ist die Handelskammer nicht allein. Auf EU-Ebene setzt die Waffenlobby die Kommission unter Druck, wenn auch mit anderen Methoden: Wo das hiesige Patronat noch auf die Entwicklungschancen der lokalen Industrie verweist, nehmen sich Unternehmen wie Airbus ein Beispiel an Atom- und Erdgasindustrie und orchestrieren gleich eine massive Kampagne, um Rüstungsinvestitionen von der EU als „nachhaltig“ einstufen zu lassen. Die Industrie sieht die Herstellung von Waffen klar als einen Beitrag zum „Frieden und zur Sicherheit“, die die „Basis jeglicher Nachhaltigkeit“ bilden. Laut Recherchen von Taz und LobbyControl benutzen jetzt schon zwei Strategiedokumente der EU-Kommission teils Wort für Wort, das gleiche Argument und schlagen zudem eine Änderung der EU-Rahmenverordnung zu nachhaltigen Investitionen vor. Auf diese Weise könnten Militärunternehmen Zugang zu nachhaltigen Fonds erlangen.

Stolz vor dem A400M Flugzeug: Ministerin Yuriko Backes (außen rechts) zusammen mit der belgischen Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder. (Copyright: Défense belge)
Noch stuft die luxemburgische Regierung Investitionen wie den Kauf von Kampffahrzeugen glücklicherweise nicht als nachhaltig ein ‒ auch wenn die Leitlinien der Verteidigungsdirektion für 2035 die Förderung der „nachhaltigen Entwicklung“ beteuern (woxx 1737). Doch auch hierzulande geht man nicht länger von den eigentlichen Bedürfnissen aus: Der Militäretat dient vielmehr dazu, die Industrie zu füttern. So machen 2024 die Ausgaben in Ausrüstung fast die Hälfte des jährlichen Militärbudgets aus (43,7 Prozent), weit über den Nato-Richtlinien von 20 Prozent.
Statt diplomatischem Dialog und Entwicklungshilfe, geht es mehr und mehr ums gute Geschäft. Milliardenschwere Unternehmen gaukeln in beeindruckendem orwellschem Neusprech vor, ihre Aktivitäten würden „nachhaltig“ sein, und die Länder, in denen teils mithilfe dieser Investitionen Krieg herrscht, tragen die ökonomischen Kosten ‒ ganz zu schweigen von den barbarischen Folgen für Mensch und Umwelt (woxx 1759). Dass sich die Politik immer mehr nach den Interessen der Industrie richtet, sollte alarmieren. Denn wir verlieren aus den Augen, dass ein größerer Teil öffentlicher Gelder anders ‒ und wirklich nachhaltig ‒ investiert werden könnte.