Naturschutz: Punkte, Reparaturen und eine Libelle

Mit der Überarbeitung des Naturschutzgesetzes drohen Umweltsünder*innen künftig härtere Strafen. Doch treffen die immer die Richtigen?

Naturpädagogische Aktivitäten in Naturschutzgebieten können zu Konflikten mit dem Gesetz führen. Was Naturschutzorganisationen und Pfadfinder*innen besorgt, soll mit einer Charta – und nicht etwa im Gesetz – geregelt werden. (Foto: Piron Guillaume/unsplash.com)

Das Naturschutzgesetz in seiner aktuellen Form ist noch nicht sehr alt. Erst im Juli 2018, knapp vor den Wahlen, wurde es vom Parlament abgesegnet. Damals galt es als Vorzeigeprojekt des grünen Staatssekretärs Camille Gira, der bei den Diskussionen zu „seinem“ Gesetz im Parlament einen tödlichen Herzinfarkt erlitt. Trotz der grünen Handschrift gab es heftige Kritik von Umweltschutzorganisationen, beispielsweise vom Mouvement écologique, der nicht ganz zufrieden mit dem Ökopunkte-System war. Mit diesen Punkten kann die Zerstörung von Biotopen kompensiert werden, indem etwa gleichwertige Biotope in der Nähe angelegt werden.

Seit September 2019 liegt ein Gesetzesprojekt vor, mit dem vor allem juristische Unsicherheiten geklärt werden sollen. Außerdem kamen einige Punkte hinzu, so wird erstmals in Luxemburg auch gesetzlich gegen Lichtverschmutzung in der Grünzone vorgegangen. Die Änderungen versprechen einerseits einen flexibleren Umgang mit bestehenden Gebäuden außerhalb des Bauperimeters, Umweltsünder*innen erwarten jedoch weitaus härtere Strafen.

„Es ging uns mit diesem Gesetz vor allem darum, Unsicherheiten aufzuklären. Das Naturschutzgesetz ist ja ein recht junges Gesetz, deswegen ist es normal, dass wir etwas nachbessern müssen. Für mich ist am wichtigsten, dass wir das Strafmaß für viele Vergehen erhöhen, damit Polizei und Staatsanwaltschaft auch bei den Ermittlungen auf die richtigen Instrumente zurückgreifen können“, erklärte François Benoy (Déi Gréng), der Berichterstatter des Gesetzesprojekts, im Gespräch mit der woxx. Die maximale Gefängnisstrafe für Umweltvergehen wird von sechs Monaten auf drei Jahre heraufgesetzt.

Law and Order in Feld und Flur

Die größte Oppositionspartei, die CSV, ist mit dieser Entwicklung nicht zufrieden, wie man in den Sitzungsprotokollen der Umweltkommission des Parlamentes nachlesen kann. Gilles Roth kritisierte nicht nur, dass das Strafmaß höher ist als bei anderen Delikten, wie Freiheitsberaubung oder vorsätzlicher Körperverletzung, die zu Arbeitsunfähigkeit führt. Er ist auch der Meinung, der Gesetzestext stelle die Grundprinzipien des Rechtsstaates in Frage. Diese Kritik galt unter anderem den Staatsanwaltschaften von Luxemburg und Diekirch, die in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Gesetz ein höheres Strafmaß gefordert hatten.

Luxemburg habe im internationalen Vergleich laxe Strafen für Umweltzerstörung, so die Antwort der Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) in der Kommissionssitzung. Ein Argument, dass auch Benoy vertritt: „Verstöße gegen das Naturschutzgesetz sind kein Kavaliersdelikt. Umweltdelikte müssen verfolgt werden, das ist das A und O der Umweltpolitik.“

Doch was, wenn diese härteren Strafen die Falschen, etwa Menschen, die naturpädagogische Aktivitäten anbieten, treffen? Diese Angst äußerte die Naturschutzorganisation Natur & Ëmwelt in einem offenen Brief an die Umweltministerin. Auch bei den Pfadfinder*innen Luxemburgs gibt es laut Informationen der woxx solche Ängste, vereinzelt soll es auch schon Probleme mit Förster*innen oder anderen Beamt*innen gegeben haben. Grund dafür: Das aktuelle Naturschutzgesetz schafft die Möglichkeit, dass in Naturschutzgebieten sportliche, touristische, kulturelle oder andere Aktivitäten, die „die Ruhe des Ortes“ stören könnten, verboten werden. Was an welchem Ort genau verboten ist, ist nur im entsprechenden großherzoglichen Reglement zu erfahren.

„Vieles ist nicht direkt verboten, aber oft gibt es vor Ort Unklarheiten. Die Pfadfinder stehen in regem Austausch mit dem Ministerium“, meint Benoy, selbst Pfadfinder, dazu. Es werde an einer Charta gearbeitet, die genau erkläre, welche naturpädagogischen Aktivitäten wo gestattet seien. Es gehe dabei aber lediglich darum, die Ge- und Verbote besser zu erklären – Änderungsbedarf am Gesetzestext sieht der Abgeordnete nicht.

Licht und Libellen

Neben dem erhöhten Strafmaß zeichnet das Gesetz vor allem aus, dass nun ein flexiblerer Umgang mit Gebäuden in der Grünzone herrscht. Das heißt nicht, dass allerorts ohne Genehmigungen Gartenhäuschen errichtet werden dürfen, sondern dass nötige Renovierungsarbeiten an bestehenden Konstruktionen vorgenommen werden dürfen. Das betrifft auch Unterstände für Imker*innen, die bisher nicht vorgesehen waren. Ab einer Größe von 30 Bienenstöcken sind diese nun auch – nach Genehmigung – in der Grünzone erlaubt. Das Gemeindesyndikat Syvicol fragte sich in einer Stellungnahme zum Gesetz, warum es Hobbyimker*innen, die weniger Bienenstöcke haben, nicht erlaubt sei, Unterstände aufzustellen, immerhin seien Bienen wichtige Bestäuberinsekten. „Es gibt ja auch Möglichkeiten außerhalb der Grünzone, wenn es wirklich notwendig ist. Wir sind im Kontakt mit den Imkern gewesen, die sind zufrieden mit dem aktuellen Vorschlag“, so Benoy zu der Frage. Ab 30 Bienenstöcken könne man davon ausgehen, dass die Imkerei professionell betrieben werde.

© Sebastian Pociecha/Unsplash

Die Lichtverschmutzung wird in der Grünzone nun verboten. Das ist ein Novum für Luxemburg, bisher gab es keine gesetzliche Regelung dazu. Gemeint ist übermäßige Beleuchtung in der Nacht, die der Gesundheit von Mensch und Tier schaden kann. In den letzten Jahren steht das Thema vermehrt in der Diskussion. Einerseits, weil das Cargoterminal der CFL zwischen Bettemburg und Düdelingen die Nacht zum Tage macht, und andererseits durch Initiativen der Regierung, die zum Ziel haben, die Lichtverschmutzung zu verringern.

Eine Kuriosität in der Gesetzesänderung betrifft eine Libelle. 2018 war schlicht und einfach vergessen worden, die Gekielte Smaragdlibelle auf die Liste geschützter Arten im Anhang des Gesetzes zu setzen. In Luxemburg ist das Insekt lediglich im Nordosten des Landes zu finden, an den Ufern der Our. Es handelt sich dabei um den äußersten Rand des Verbreitungsgebietes, in Deutschland kommt das Insekt ansonsten nicht vor. Die Libellenart ist aber ohnehin durch ein anderes Gesetz geschützt gewesen, außerdem hat die Regierung zwischen 2017 und 2021 rund 160.000 Euro für Schutzmaßnahmen ausgegeben.

Eine weitere Änderung, die vermutlich nicht nur die Smaragdlibelle freuen wird: Gemeinden und Gemeindesyndikate erhalten ein Vorkaufsrecht auf die Ufer von Bächen und Flüssen. Der Grund dafür ist, dass es somit leichter wird, die nötigen Flächen für Renaturierungsprojekte zu kaufen.

Im Gesetz wird nun auch eine Liste der geschützten Biotope auftauchen. Bisher standen diese in einem großherzoglichen Reglement. 2018 hatte die Cour constitutionnelle in einem Urteil eine allzu breite – oder gar fehlende – Definition des Wortes „Biotop“ für verfassungswidrig erklärt. Jetzt soll eine Liste im Anhang Klarheit darüber schaffen, welche Orte als schützenswerte Biotope gelten. Neu im Naturschutzgesetz sind auch die Baumdenkmäler, die „Arbres remarquables“. Bisher wurden die vom Denkmalschutz abgedeckt, das ist jedoch nicht mehr der Fall. Um die schützenswerten Bäume zu erfassen, wird nach Inkrafttreten des Gesetzes eine öffentliche Konsultationsprozedur anlaufen, bei der Bäume vorgeschlagen werden können.

Bestand erholt, Schutz verloren

Nachdem er bereits 2018 ziemlich kritisch gegenüber dem Naturschutzgesetz war, hat der Mouvement écologique auch nun einiges zu monieren. In einer achtseitigen Sonderausgabe des Vereinsblattes Kéisecker-Info wurde das Gesetz ausführlich zerlegt. Ein Aspekt, der der Umwelt-NGO fehlt, ist eine gesetzliche Basis für den Biotopkataster. Dieses Register aller wichtigen Biotope Luxemburgs ist auf Geoportail.lu abrufbar, rechtlich verbindlich sind die Informationen, die darin gespeichert sind, jedoch nicht – was der Méco gerne geändert sehen würde. Die NGO schlägt eine ähnliche Prozedur wie bei den Baumdenkmälern vor, um schützenswerte Biotope, die noch nicht in dem zehn Jahre alten Kataster verzeichnet sind, zu erfassen.

Ein weiteres Problem für den Méco ist eine Formulierung, die besagt, wann Arten und ihre Habitate geschützt sind: Nämlich dann, wenn ihr Bestand abnimmt oder auf einem sehr niedrigen Niveau ist. „In Luxemburg kann es absurderweise für Arten von Vorteil sein, wenn sie gefährdet sind. Hat sich ihr Bestand nämlich aufgrund von gezielten Maßnahmen erholt, verlieren sie ihren Schutzstatus aufgrund von Artikel 17, so dass natürlich die Gefahr besteht, dass ihr Bestand erneut abnimmt“, schreibt die NGO in ihrer Stellungnahme und spricht dabei auch von einer „Echternacher Springprozession“ des Naturschutzes.

Auch das Ökopunkte-System ist dem Méco weiterhin ein Dorn im Auge. Konkret kritisiert die NGO, dass landesweit Zerstörungen von Biotopen kompensiert werden können, wenn es sich nicht um europäisch geschützte Habitate handelt. Diese müssen im gleichen ökologischen Sektor kompensiert werden – es gibt jedoch lediglich fünf Sektoren und diese sind dementsprechend groß. Der Méco fordert, dass fortan bevorzugt in der gleichen Gemeinde oder in der Nachbargemeinde kompensiert werden muss. Mit dem neuen Gesetz passiert das nun auch – aber lediglich für jene Kompensationsprojekte, die außerhalb des Flächenpools, der dafür zur Verfügung steht, stattfinden. Eine große Überarbeitung des Ökopunkte-Systems, wie der Méco es sich wünscht, findet jedoch nicht statt.

Laut Benoy sind die parlamentarischen Arbeiten an dem Gesetz abgeschlossen, nun wartet man darauf, dass der Staatsrat die Änderungswünsche der Abgeordneten begutachtet. Damit vergibt die blau-rot-grüne Koalition die Chance, ihr eigenes Naturschutzgesetz so aufzupolieren, dass es auch in den nächsten Jahrzehnten als Rechtsgrundlage für den Erhalt der Umwelt dienen kann. Vor allem durch die unklaren und verwirrenden Regelungen zur Ökopunktbilanzierung und Kompensation werden vermutlich immer wieder Rechtsunsicherheiten auftauchen, die das Parlament beschäftigen. Das gibt immerhin die Möglichkeit, vergessene Libellen auf die richtigen Listen zu setzen.


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