Niedergang von Eida: Konsi-Macht, Marktmacht

Dass eine grüne Stromfirma nicht mehr liefern kann, wenn der graue Strom teurer wird, illustriert den liberalen Irrweg der Umweltbewegung der vergangenen Jahrzehnte.

Pixabay; ElisaRiva

Wer sich in der Vergangenheit für möglichst grünen Strom entschieden hat, wusste, dass man ein wenig mehr zahlt, aber dafür zum Klimaschutz beiträgt. Mit der derzeitigen Energiekrise – angeheizt von den steigenden Preisen für fossile Brennstoffe – mögen manche Bezieher*innen von grünem Strom gehofft haben, von den Preissteigerungen verschont zu bleiben. Das ist aber nicht der Fall, schlimmer noch, aufgrund der Krise musste gerade Luxemburgs „grünster“ Energieanbieter die Lieferungen einstellen – weil der Großhandelspreis zu stark angestiegen ist und der niederländische Vertragspartner Konkurs angemeldet hat.

Wieso versiegt der von Eida gelieferte grüne Strom, wo es doch die Elektrizität aus fossilen Quellen ist, deren Produktionskosten explodieren? Eine komplexe Frage – in unserem Onlinebeitrag „Kein Eida-Strom mehr“ gehen wir auf die spezifischen Umstände und die Erklärungen seitens der Firma ein. Allgemein betrachtet gibt es aber eine einfache Antwort: Die Marktlogik lässt grüßen!

Als Anfang der 2000er-Jahre die europäischen Energiemärkte liberalisiert wurden, war der Jubel in der Umweltbewegung groß. Die Ökostrom-Pionier*innen hofften, endlich die fossilen Monopole aufbrechen zu können, die NGOs schwärmten von der „Macht des Konsumenten“ und die grünen Parteien waren gerade dabei, die wirtschaftsliberale Ideologie in ihre Programme zu integrieren. Die Monopole bei der Elektrizitätsproduktion waren tatsächlich dahin, die Macht der Konsument*innen dagegen hielt sich in Grenzen. Es war die Marktlogik, die das Geschehen bestimmte – und immer noch bestimmt.

Ökostrom wurde mittels handelbarer „Renewable Energy Certificates“ in den Markt integriert. Konkret heißt das, dass grauer Strom in grünen verwandelt werden kann, indem man Zertifikate von grünen Produktionsanlagen hinzukauft. Anfangs gab es Widerstand gegen diese „Mogelpackung“. Greenpeace zum Beispiel rief eine Firma ins Leben, die grünen Strom aus Direktverträgen lieferte, noch dazu zeitgleich eingespeist. Doch einige Jahre später hatte auch diese NGO vor der Marktideologie kapituliert und wollte von solchen Modellen nichts mehr wissen.

Im Kontext der Klima krise sollte das Scheitern von Projekten wie Eida uns eine Warnung sein.

Die massenhafte Abwanderung von Verbraucher*innen hin zu neuen grünen Stromunternehmen blieb aus. Hierzu trug auch die „grüne Wende“ bei den alteingesessenen Elektrizitätsanbietern bei: Enovos zum Beispiel liefert seit der Fukushima-Katastrophe fast nur noch grünen Strom. Ein indirekter Ausdruck der Macht der Konsument*innen? Es illustriert vor allem die Auswirkungen der Trennung von Zertifikaten- und Stromhandel: Enovos musste nämlich für diese Geste keine Lieferverträge aufkündigen, nur grüne Zertifikate nachkaufen. Diese Trennung wirkt sich in der jetzigen Krise andersrum aus: Grüne Produktionsanlagen sind zwar rentabler denn je, die grünen Stromlieferanten aber müssen zu ihren Zertifikaten jetzt Strom zum Marktpreis dazukaufen – eine Situation, die Eidas Zulieferer das Genick brach. Alternativen zu diesen Marktmechanismen habe es einfach nicht gegeben, heißt es seitens Eida. Die Firma hat allerdings in den vergangenen Jahren weniger auf den Verkauf von grünem Strom als auf den Aufbau neuer Modelle wie dezentraler Energiegemeinschaften gesetzt.

War es wirklich unvermeidlich für die Verfechter*innen von Ökostrom, sich an diesem ultraliberalen europäischen Strommarkt zu beteiligen? Im Agrarsektor zeigt die Oikopolis-Gruppe, wie man – bei allen Kompromissen mit Markt- und Konsumlogik – eigenständige Wertschöpfungsketten erhält und sogar ausbaut. Dabei geht es um mehr als nur Geschäftsmodelle: In der Klimapolitik wird in den kommenden Jahren viel für die Entscheidungsmacht der Individuen und die Effizienz der Marktmechanismen geworben werden. Das Scheitern von Projekten wie Eida sollte uns da eine Warnung sein.

UPDATE 4.1.22: Nach dem Strom das Gas!


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