Ökostrom-Angebote in Luxemburg: Whole lotta green?

Wer hat den grünsten Strom im ganzen Land? Seit zehn Jahren bewerten NGOs die Ökostrom-Angebote – eine komplizierte Angelegenheit.

Abenddämmerung für die Macht des Kunden, Morgenröte für neue Energiemodelle. (Foto: Pixabay / Kenueone-2397379 / PD)

Abenddämmerung für die Macht des Kunden, Morgenröte für neue Energiemodelle. (Foto: Pixabay / Kenueone-2397379 / PD)

In Luxemburg gibt es vier Anbieter von Haushaltsstrom. Alle vier haben ein Angebot von 100 Prozent empfehlenswertem grünen Strom im Programm. 400 Prozent grün, ist das die Zusammenfassung der Bewertung der Stromangebote in Luxemburg durch Mouvement écologique und Greenpeace?

Nicht wirklich. Zwar bekommen seit mehreren Jahren alle Haushalte nur noch grünen Strom geliefert, trotzdem setzt sich der nationale Strommix aus jeweils zehn Prozent Kohle und Atomenergie sowie 25 Prozent Strom aus anderen fossilen Quellen zusammen (Zahlen von 2015). Nur 55 Prozent des Gesamtverbrauchs sind also grün. Das liegt daran, dass es neben dem Niedrigspannungsstrom für Privathaushalte auch noch Stom für mittlere und große Verbraucher gibt. Zwar machen die Haushalte etwa vier Fünftel der Kundenzahl aus, doch verbrauchen sie nur ein Siebtel des nationalen Stromaufkommens. Die zahlreichen mittleren und die wenigen großen Unternehmen beanspruchen demgegenüber 25,3 beziehungsweise 60 Prozent des gesamten Stroms.

Doch den NGOs ging es bei der Vorstellung ihrer Bewertung am 9. September um eine andere Differenzierung: „Auch beim grünen Strom gibt es Qualitätsunterschiede“, so Paul Polfer vom Mouvement. Das erklärt, warum die NGOs auch bei traditionell ökologisch ausgerichteten Anbietern wie Eida und Sudstroum nur jeweils einen Stromtarif in ihre Auswahl aufgenommen haben. Das Hauptkriterium dabei war der Anteil des Stroms, der aus relativ neuen – oder nachgerüsteten – Kraftwerken kommt. Mindestens ein Drittel der Anlagen muss jünger als sechs, und ein weiteres Drittel darf nicht älter als zwölf Jahre sein. So wird sichergestellt, dass regelmäßig in neue grüne Kraftwerke investiert wird.

Aus grau mach grün

Dieses Kriterium ist nicht neu, hatte es doch schon 2011 – kurz nach Fukushima – dazu geführt, dass man dieselben vier Anbieter mit vier ähnlichen Produkten empfohlen hatte. Seinerzeit hatte es allerdings eines zweiten Anlaufs bedurft, um die Produkte von Sudstroum und Electris anzuerkennen. Und vor fünf Jahren hatten die NGOs – und noch mehr die woxx – die Nase darüber gerümpft, dass Enovos und Electris neben dem grünen auch „schmutzigen“ Strom verkauften. Außerdem befand sich ein Drittel des Kapitals von Enovos – Nachfolgefirma des ehemaligen Monopolisten Cegedel – in den Händen von fossilen Energiekonzernen. Mittlerweile hat sich sowohl beim Strommix als auch bei der Firmenstruktur einiges verändert. Den NGO-Kriterien gerecht wurden die Produkte „EKOenergy (Eida)“, „nova naturstroum“ (Enovos), „SwitchBLUE“ (Electris) und „Terra Invest“ (Sudstroum).

Weitgehend unkritisch stehen Mouvement und Greenpeace der Praxis der Zertifizierung gegenüber. „Grüner Strom“ nach deren Definition heißt nämlich keineswegs, dass der Zulieferer einen Liefervertrag mit einem Erzeuger von nichtfossilem Strom abschließt. Vielmehr wird der Strom im allgemeinen auf dem „grauen“ Markt gekauft und „vergrünt“, indem man ein Erzeugungszertifikat dazukauft. Auf Nachfrage der woxx erklärte Martina Holbach von Greenpeace, dies sei nebensächlich: „Elektronen haben keine Farbe, entscheidend ist, ob die Konsumenten den Bau von Neuanlagen unterstützen.“ Eine Antwort, die ausblendet, dass mit den „grauen“ Lieferverträgen weiterhin fossile Stromerzeuger Profit machen können.

Immerhin führt das NGO-Pressedossier als besonders positiv an, dass „nova naturstroum“ zu 62,5 Prozent aus nationalen und regionalen Erzeugungsanlagen stammt. Gegenüber der woxx versicherte Enovos, der Großteil der als lokal verbuchten Produktion sei nicht nur zertifiziert sondern beruhe auch auf Lieferverträgen. Doch diese Lokalisierung hat ihren Preis: 2011 wurde „Nova Naturstroum“ noch zeitgleich eingespeist – ein aufwendiges Verfahren, bei dem sichergestellt ist, dass der grüne Strom tatsächlich in dem Moment erzeugt wird, in dem der Bedarf entsteht. In gewisser Weise spielt diese Art Produkt eine Pionierrolle für die Zeit, wenn 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen werden. Das Verfahren – über dessen Nutzen die Meinungen auseinander gehen – war bisher den NGOs noch eine Empfehlung in einer Fußnote wert. Mittlerweile scheint es kein Thema mehr zu sein.

Eidas neue Kleider

Stark verändert hat sich die Positionierung der grünen Pionierfirma Eida. Statt auf grün setzt der Webauftritt der Firma auf Geiz: „Wählen Sie den günstigsten Strom- und Gasanbieter!“, so das Hauptargument auf der Eingangsseite. Gegenüber der woxx erläutert Sébastien Otten von Eida, mittlerweile verfüge jeder Anbieter über grüne Tarife. „Aber unser Budget-Angebot ist das günstigste.“ Otten verweist auch auf den besonders günstigen Erdgastarif – CO2-Kompensation einbegriffen. Eine Ausweitung der Produktpalette – aber auch ihre Banalisierung, wie wir seinerzeit kritisch angemerkt hatten.

Mittlerweile bietet auch Eida nur noch zertifizierten grünen Strom an. 2011 hatte Eida-Mitgründer Paul Kauten der woxx noch versichert, der Strom werde bei einem niederländischen Windkraftwerk eingekauft und man halte sich vom grauen Markt so weit entfernt wie nur eben möglich. Otten dagegen bezweifelt, dass man jemals direkte Verträge mit den Niederlanden habe abschließen können. Auch Eida müsse nach den Regeln von Markt und Energiebörse spielen, was nicht heiße, dass man das begrüße. Er berichtet über die Schwierigkeiten, im derzeit existierenden legalen Rahmen das neue Zukunftsmodell von Eida voranzubringen: ein halbautonomes Mini-Netz, bei dem der in einer Gebäudegruppe erzeugte Niederspannungsstrom lokal benutzt wird, statt ihn zuerst ins Netz einzuspeisen, von wo er später zurückgekauft wird. „Dieser Trend zur Dezentralisierung passt nicht ins derzeitige Marktmodell“, bedauert Otten.

Seit Cegedel 2003 den ersten grünen Stromtarif in Luxemburg offerierte, war auch die Geschäftspolitik der Stromanbieter immer wieder Thema. Auch jetzt noch sind Verflechtungen mit Betreibern von Atom- und Kohlekraftwerken ein Ausschlusskriterium. Ein Kriterium, das im Detail so formuliert ist, dass es gerade noch mit der Situation von Enovos kompatibel ist. Die Firma ist tatsächlich nicht direkt an solchen schmutzigen Anlagen beteiligt, dafür ist aber ein Teil ihres Aktienkapitals in den Händen von fossilen Konzernen.

Enovos – fast sauber!

Andererseits hat sich die Ausrichtung des einst von Umweltschützern bekämpften fossilen Monopolisten stark verändert. So wurde 2011 in der Folge von Fukushima entschieden, den gesamten Strommix für Luxemburg atomstromfrei zu machen – was mit Hilfe von Zertifikaten auch zügig durchgeführt wurde. Neben dem Imagewechsel fördert der größte Luxemburger Stromanbieter auch den Bau neuer Solar- und Windanlagen. Und seit dem Ausstieg von Eon und RWE aus der Eigentümergruppe vor zwei Monaten ist das Gewicht der fossilen Aktionäre von einem Drittel auf unter fünf Prozent zurückgegangen.

Bei der Vorstellung ihrer Bewertung erwähnten die NGO-Vertreter, dass bei drei der vier Anbieter der Gesamtstrommix von 2015 nur aus erneuerbaren Quellen kommt. Vom vierten wisse man es nicht, weil man nicht über die Zahlen verfüge. Die Recherche der woxx ergab, dass es sich beim vierten Anbieter um die Firma Enovos handelt, die bereitwillig das Strometikett 2015 übermittelte. Aus diesem geht hervor, dass der Gesamtmix weit davon entfernt ist, grün zu sein: Nur die Hälfte des Stroms stammt aus erneuerbaren Quellen, und zehn Prozent sind sogar Atomstrom. Allerdings umfasst dieser Mix, wie eine Fußnote vermerkt, auch Enovos-Geschäfte in Frankreich und Belgien. Der nationale Gesamtmix dagegen ist atomstromfrei und zu fast zwei Dritteln grün.

Erwähnt sei auch, dass das Produkt „Leo nova“, das vom ehemaligen hauptstädtischen Stadtwerk angeboten wird, von den NGOs als äquivalent zu „nova naturstroum“ bewertet wird. Doch obwohl Leo mittlerweile eine Tochterfirma von Enovos ist, wird ein eigenes Etikett erstellt. Aus diesem geht hervor, dass der Leo-Gesamtmix zu über 90 Prozent grün ist – der Rest stammt aus den relativ klimaschonenden Kogenerationsanlagen. Dass es Enovos so schwerfällt, sich ganz von den fossilen Quellen zu verabschieden, liegt daran, dass die Firma auch bei den mittleren und großen Kunden der größte Anbieter ist und einen Gesamtmarktanteil von 54,5 Prozent hat – Leo zum Beispiel mit einem Anteil von 12,5 Prozent hat es da einfacher.

Was bedeutet es, wenn die einstigen fossilen Anbieter immer grüner werden und die grünen Pioniere dem grauen Strom nicht mehr ausweichen können? Man könnte darin das Ende der Illusion sehen, bei der Strom-
erzeugung „Wandel durch Handel“ zu erreichen. Solche Schlagworte waren zu Beginn der Stromliberalisierung bei vielen Umweltschützern und Grünen en vogue – und wurden bereits damals von uns kritisch hinterfragt (woxx 515). Mittlerweile werden die Stromanbieter immer mehr zu reinen Zwischenhändlern – die strategischen Investitionsentscheidungen werden anderswo getroffen. Der Nutzen von NGO-Kampagnen wie dieser, die sich an die „Macht des Konsumenten“ richten, ist begrenzt.

Firmen wie Eida haben eine Pionierrolle für grüne Angebote gespielt und wohl auch Druck auf die etablierten Firmen ausgeübt. Doch gerade bei Enovos dürften die größten Veränderungen auf die Entscheidungen der Politik und den Bewusstseinswandel im Management zurückzuführen sein. Auch Electris und Sudstroum, privater und kommunaler Anbieter, haben einen langen Weg hinter sich – mit Anteilen von jeweils fast fünf Prozent bei den mittelgroßen Kunden war es nicht so einfach, einen 100-prozentig grünen Mix zu erreichen.

Es wäre schwierig, für die vier von den NGOs ausgewählten Produkte eine Rangordnung zu erstellen. Insbesondere die Veränderungen bei Eida lassen die Unterschiede verschwimmen – die Revolution wird weniger denn je von den Konsumenten ausgehen. Andererseits gibt es – das zeigen die neuen Projekte von Eida – immer noch Bedarf für Pioniere im Energiebereich.

Details auf den Seiten von 
Mouvement écologique (www.meco.lu) 
und Greenpeace 
(www.greenpeace.org/luxembourg)

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