Online-Kommunalwahlkampf: Teuer und nutzlos?

Neben Ausgaben für Plakate, Videos, Flyer und Gadgets blätterten die Parteien zehntausende Euro für Online-Wahlkampf hin. Trotz Wahlkampfabkommen gibt es im virtuellen Raum kaum Regeln.

Die meisten Parteien haben den Online-Wahlkampf schon vor der im Wahlabkommen festgelegten Periode begonnen. (Screenshots: Facebook Ad Library)

Es ist dieser Tage unmöglich, Wahlwerbung zu entkommen. Nicht nur, dass in den Ortschaften auf Laternen und Grünflächen fröhliche Politiker*innen grinsend um die Gunst der Wähler*innen buhlen, auch in sozialen Netzwerken werben die Parteien emsig. Vor allem auf Facebook und Instagram – beide Teil des US-Konzerns Meta – werden besonders viele „Sponsored Posts“ oder „Stories“ angezeigt.

Teilweise wirkt es etwas absurd, denn die meisten Anzeigen sind nicht sehr treffsicher. Da es nicht möglich ist, die Anzeigen auf lediglich eine Gemeinde zu beschränken, bekommt man etwa auch in Ettelbrück Wahlwerbung für die Gemeinde Walfer angezeigt. Das scheint die Parteien nicht sonderlich zu stören, geben sie doch durchaus beachtliche Summen für die virtuellen Anzeigen aus.

Meta und Google stellen öffentliche Datenbanken bereit, mit denen sich genau nachvollziehen lassen soll, wer wie viel Geld für welche Werbung ausgegeben hat. Twitter hat politische Werbung kurzerhand verboten, weswegen es auch keine Transparenz gibt. So lässt sich nicht nachvollziehen, ob nicht vielleicht doch eine Partei versucht hat, ihre Botschaften auf diesem Weg zu verbreiten. Auch auf der Kurzvideoplattform Tiktok ist Wahlwerbung verboten. Das Netzwerk stellt zwar in manchen Regionen der Welt Daten zur Verfügung, welche gesponsorten Videos gerade besonders beliebt sind, in Luxemburg jedoch nicht.

Die Auswertung der Datenbanken von Meta und Google durch die woxx hat ergeben, dass die politischen Parteien in Luxemburg in den letzten drei Monaten insgesamt mindestens 42.000 Euro für den Online-Wahlkampf ausgegeben haben. Da Meta bei Summen von weniger als 100 Euro keinen genauen Betrag angibt, gibt es eine relativ große Unsicherheit, wie viel Geld tatsächlich ausgegeben wurde. Das liegt auch daran, dass die Parteien viel Facebook- oder Instagramwerbung über Accounts der lokalen Sektionen geschaltet haben, sodass viele Sponsored Posts unter 100 Euro blieben.

Mindestens 42.000 Euro

Google stellt auf den ersten Blick eine wesentlich transparentere Auflistung der ausgegebenen Summen bereit. Im Zuge der Recherche ergab sich jedoch, dass eine Partei, die eigenen Angaben nach auf Youtube-Werbung setzte, überhaupt nicht in der Liste auftauchte: die DP. Google verriet nur, dass Déi Gréng und die LSAP Werbung bei Youtube und auf der Suchmaschine schalteten. Das mag damit zu tun haben, dass diese Ausgaben erst später in die Transparenz-Datenbank der Firma eingetragen werden – die Werbung wird jedoch unmittelbar freigeschaltet.

Diese Verzögerung, von der auch Meta betroffen ist, sorgt für zusätzliche Schwierigkeiten: Da die Parteien kurz vor den Wahlen besonders viel Werbung schalten, ist es schwierig, einen Maximalbetrag zu schätzen. Dieser dürfte nach unseren Recherchen, die auf den Daten von Meta und Google sowie Antworten der Parteien basieren, bei etwa 57.000 Euro liegen. Der Durchschnittswert liegt laut woxx-Berechnungen zwischen 5.000 und 6.000 Euro pro Partei, wobei wir sehr kleine Parteien und Bürger*innenlisten von dieser Rechnung ausgeschlossen haben, da die Zahlen zu unsicher sind.

Insgesamt gaben sich die Parteien in dem rechtlich nicht bindenden Wahlkampfabkommen eine Ausgabengrenze von 100.000 Euro für jeden der beiden diesjährigen Wahlkämpfe. Diese Grenze bezieht sich jedoch nur auf die reinen Publikationskosten – die Produktionskosten für etwa Videospots oder Fotoshootings sind von dieser Grenze ausgenommen.

An der Spitze stehen, wie auch schon in vorherigen Wahlkämpfen, Déi Gréng. Laut eigenen Angaben lag das Budget für Online-Werbung bei 22.000 Euro. Das ist wesentlich höher als bei anderen Parteien. ADR, Piratepartei, LSAP und CSV liegen mit einem ungefähren Budget zwischen 5.500 und 7.000 Euro nahe beieinander. Genaue Zahlen nannte von diesen Parteien lediglich die Piratepartei: 4.500 Euro sei das Budget, so Marc Goergen gegenüber der woxx. Unsere Recherchen zeigen Ausgaben zwischen 5.539 und 6.500 Euro in den letzten drei Monaten. Die DP gab an, bis zum 6. Juni 1.944 Euro für Online-Werbung ausgegeben zu haben und trotz einiger weiterer Werbeschaltungen vor dem Wahltermin das intern festgelegte Budget von 4.000 Euro nicht überschreiten zu wollen.

Während die Ausgaben der meisten Parteien sich auf dem gleichen Niveau befinden, scheren Déi Gréng besonders aus. (Grafik: woxx)

Die Parteizentrale von Déi Lénk gab an, die lokalen Sektionen kümmerten sich selbst um die Wahlwerbung und man könne deswegen keine Angaben machen. Die Recherchen der woxx, die auf offen verfügbaren Daten basieren, ergaben eine Spanne von 1.350 bis 2.230 Euro in den letzten drei Monaten. Die Escher Déi Lénk-Sektion gab dabei am meisten Geld aus. Bei der neuen Partei Fokus läge das Social-Media-Budget unter 500 Euro, so Generalsekretär Gary Kneip gegenüber der woxx. Diese Angabe deckt sich mit unserer Recherche, die etwa 440 Euro für Werbung bei Meta ergab.

Fraktion, Partei oder Sektion?

Bereits im Europawahlkampf 2019 gaben Déi Gréng mit Abstand am meisten Geld für Online-Werbung aus. Die knapp 15.000 Euro verwandelten sich zwar in ein besseres Wahlresultat, jedoch nicht in den erhofften zweiten Sitz. Den ergatterte damals die DP, die wesentlich weniger Geld an Meta und Google geflossen war.

Politische Werbung muss laut den Regeln von Meta als solche gekennzeichnet werden, damit für die Nutzer*innen auf den ersten Blick klar ist, wer dafür gezahlt hat. Nicht jede Lokalsektion und nicht alle Kandidat*innen schienen sich dieser Regeln bewusst gewesen zu sein: Die Transparenzdatenbank von Meta ist voll mit solchen Beispielen. Deutlich wird auch, welche unterschiedlichen Unterorganisationen welche Accounts bewerben. So fanden sich vier Abgeordnete von Déi Gréng, deren Werbung durch deren Fraktion bezahlt wurde. Drei von ihnen – ­François ­Benoy, Jessie Thill und Charles Margue – treten auch bei den Kommunalwahlen an. Laut Déi Gréng wurden von der Fraktion allerdings nur Posts bezahlt, die mit der parlamentarischen Arbeit zu tun haben. Die Kosten dafür würden allerdings dennoch zur Berechnung der Ausgabengrenze von 100.000 Euro hinzugezogen. Die Sichtbarkeit wird den Kandidat*innen sicherlich nicht geschadet haben.

Ohnehin hat nicht jede Werbung, die die Parteien während des Gemeindewahlkampfs geschaltet haben, mit kommunaler Politik zu tun. Neben Fotos und Videos, auf denen sich Kandidat*innen vorstellen, und „virtuellen Wahlplakaten“, auf denen Forderungen und Ideen zu lesen sind, veröffentlichen viele Parteien immer wieder Ausschnitte aus Parlamentsreden, mit denen die eigenen Positionen untermauert werden sollen. Unter den beworbenen Inhalten finden sich, besonders bei CSV und LSAP, auch Videos, mit denen Nicht-Luxemburger*innen aufgerufen wurden, sich für die Wahllisten einzuschreiben. Seit Ende Mai erklärt die CSV auf fünf Sprachen, wie man den Wahlzettel „richtig“ ausfüllt.

Die Transparenzdatenbank von Meta legt auch offen, was der Konzern alles unter „politischer“ Werbung versteht. Das sind nicht nur Posts von Parteien, sondern auch von Ministerien, NGOs und manchen Medien. So sind die Versuche der Kolleg*innen von Reporter.lu und Journal.lu, Abos zu verkaufen, von Meta als „politische Werbung“ gekennzeichnet worden. Das mag bei „Schenk doch ein Abo zum Muttertag“ noch witzig wirken, ist bei Links zu fundierten Recherchen jedoch gefährlich.

Die meisten Social-Media-Kampagnen von Ministerien hatten nichts mit den Kommunalwahlen zu tun. Allerdings gab es eine Ausnahme: Das Gleichstellungsministerium hat rund 565 Euro für Werbung bei Meta ausgegeben. Dies vor allem, um die Kampagne „MEGA+ E klore Plus fir meng Gemeng“ zu bewerben. Fünf Bürgermeister, ein Schöffe und gerade einmal eine einzige Frau, die ebenfalls Schöffin ist, durften in Videos erklären, warum Gleichberechtigung in den Gemeinden wichtig ist. Was wie Satire klingt, hat sich aber wirklich so abgespielt.

Auch die Gemeinde Differdingen hat viel Geld für eine Social-Media-Kampagne zu den Kommunalwahlen ausgegeben. Alle Parteien, die auf dem Wahlzettel stehen, konnten sich in kurzen Videoclips vorstellen, außerdem wurden bereits im Februar Interviews mit Gemeindepolitiker*innen vorgestellt. Über 11.000 Euro hat die drittgrößte Stadt in den letzten drei Monaten für die Werbung gezahlt.

Foto: Austin Distel/Unsplash

„Klassische politische Kommunikation“

Im Wahlkampfabkommen gibt es aber nicht nur eine Geldgrenze, sondern auch ein „Fairness-Abkommen“ für den Wahlkampf auf sozialen Netzwerken. Die Parteien verpflichten sich, nicht auf „social bots“ zurückzugreifen, nicht zu beleidigen und keine falschen Behauptungen zu verbreiten. Unter „social bots“ werden automatisierte Accounts verstanden, die für oder gegen eine bestimmte Partei oder Kandidat*innen argumentieren. Ihre Wirksamkeit in Wahlkämpfen wurde immer wieder angezweifelt, da viele Bots kaum Reichweite hatten und somit „ihren“ Kandidat*innen wenig halfen. Ein explizites Verbot des Einsatzes von Bild- oder Textgeneratoren wie Midjourney, Dall-E oder ChatGPT gibt es nicht. Dabei gibt es Präzedenzfälle aus unseren Nachbarländern: Die deutsche AfD benutzt immer wieder künstlich generierte Bilder, um vorgebliche Schreckensszenarien wie etwa „Masseneinwanderung“ zu illustrieren.

Ebenfalls im Abkommen ist eine zeitliche Begrenzung des Wahlkampfs erwähnt. Sowohl für die Gemeindewahlen als auch für die Parlamentswahlen haben sich die Parteien auf eine „offizielle“ Wahlkampfperiode geeinigt. Bei den Kommunalwahlen begann diese am 15. Mai und endet am 11. Juni. Die Daten von Meta verraten jedoch: Online war den Parteien diese Begrenzung ziemlich egal. CSV, LSAP, Piratepartei, Déi Gréng, Fokus und Déi Lénk schalteten schon vor dem 15. Mai Wahlwerbung auf ­Facebook oder Instagram. Déi Gréng erklärten der woxx schriftlich, es zähle lediglich, dass in der im Wahlkampfabkommen festgehaltenen Periode nicht mehr als 100.000 Euro ausgegeben würden.

Mit diesem Verständnis ist das Wahlkampfabkommen online eigentlich nichts mehr wert: Die Ausgaben werden nur in einer bestimmten Periode begrenzt, abseits dieser können die Parteien einen Dauerwahlkampf befeuern. So gab etwa die CSV in den letzten drei Monaten über 2.000 Euro aus, um ihren nationalen Spitzenkandidaten Luc Frieden zu bewerben. Hätte sie entlang vielbefahrener Straßen ein Schild mit dem ehemaligen Finanzminister aufgestellt, hätten sich andere Parteien vermutlich aufgeregt. Im virtuellen Raum scheinen sie damit jedoch kein Problem zu haben – vermutlich, weil sie selbst gerne ganzjährig „klassische politische Kommunikation“, wie es das CSV-Generalsekretariat es gegenüber der woxx umschrieb, betreiben.

Die anderen Parteien, die auf die Anfrage der woxx antworteten, brachten ähnliche Argumente hervor: „Wir kommunizieren immer transparent mit unseren Leuten. Wir machen nicht nur während den Wahlen etwas und verschwinden danach. Wir sind selbst digital, deswegen haben wir darauf einen anderen Blick als die alten Parteien“, erklärte Marc Goergen von der Piratepartei den Fakt, dass seine Partei eigentlich ständig Online-Wahlkampf führt. DP-Generalsekretärin Carole Hartmann gab an, ihre Partei wolle per Social Media „mit den Menschen kommunizieren und sie über wichtige Themen informieren“. Diese Möglichkeit nütze man auch außerhalb der „offiziellen“ Wahlkampagne, aber „sehr limitiert“ und mit eingeschränktem Budget.

Déi Gréng betonte, das Wahlkampfabkommen diene dazu, einen Dauerwahlkampf mit riesiger Materialschlacht zu verhindern. Trotzdem müsse eine Partei dort aktiv sein, „wo die Menschen sich treffen und wo die politische Meinungsbildung stattfindet“, was zum Teil die sozialen Netzwerke seien. „Natürlich bleibt für uns der direkte Kontakt mit den Bürger*innen das Allerwichtigste, weswegen immer noch so viele Veranstaltungen in den Gemeinden organisiert werden – und das ist uns lieber als großen Sozialen Medien-Firmen immer mehr Geld für Werbung zu geben“, schrieb uns ein Sprecher jener Partei, die mit Abstand am meisten Geld für Werbung in sozialen Netzwerken ausgibt.


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