Der Wahlsieg der Piratepartei kam für viele überraschend, nicht jedoch für die Partei selbst. Nun muss die parlamentarische Arbeit organisiert werden.
Wie kann eine Partei, die in den letzten fünf Jahren wenig präsent war, auf einen Schlag zur deutlichen Wahlgewinnerin avancieren? Den Parteipräsidenten Sven Clement hat der Sieg seiner Partei nicht überrascht. „Wir haben die letzten fünf Jahre dazu genutzt, unsere Leute schulen zu lassen und Zielgruppenanalysen zu machen.“ Man habe sich fünf Prozent der Stimmen zum Ziel gesetzt, die entsprechenden Wähler*innen identifiziert und sie gezielt angesprochen. Ein wichtiger Baustein der Strategie war dabei der Zusammenschluss mit der Partei fir integral Demokratie (Pid). „Wir wollten keine Klon-Parteien, die sich gegenseitig Stimmen klauen“, so Clement.
Eigentlich war die Piratepartei angetreten, um Dinge anders zu machen und die Aufmerksamkeit auf die Fragen des digitalen Zeitalters zu lenken: Netzpolitik, Transparenz, Überwachung, Datenschutz usw. Diese Kernthemen spielten im Wahlkampf kaum eine Rolle, einzig die Kameraüberwachung wurde noch thematisiert. „Mit Datenschutz hätten wir nach Einführung der DSGVO keinen Blumentopf gewinnen können“, sagt Clement, der sich selbst irgendwo zwischen Sozialdemokratie und Liberalismus einordnet. So ähnlich sieht es mit den Forderungen der Partei aus, die Vereinfachungen für Startups, billigeres Wohnen, Cannabislegalisierung und stärkeren Tierschutz verspricht – eine klare ideologische Linie ist nicht zu erkennen.
Eint der Wahlsieg die Partei?
Die ursprüngliche Idee der Piratepartei wurde verwässert, um Wahlen gewinnen zu können. Das zeigte sich auch beim Parteikonvent im Mai, der wesentlich straffer durchgezogen wurde als vorherige Parteimeetings – wurde sonst das Programm Zeile für Zeile diskutiert und jede*r Kandidat*in einzeln befragt, wurde diesmal alles in einem Rutsch abgesegnet. Der parteiinterne Zwist zwischen „Realos“ und „Fundis“ wurde offen ausgetragen – laut Clement ist er jetzt jedoch kein Thema mehr: „Manche Parteimitglieder werden niemals beste Freunde, aber sie können zusammenarbeiten. Das ist, was am Ende zählt.“ Die Rolle von Vizepräsident Daniel Frères, der durch seine Zusammenarbeit mit „Lëtzebuerg Privat“ und seinem aggressiven Verhalten gegenüber Obdachlosen in seiner Rolle als „Tierschützer“ aufgefallen ist, sieht Clement gelassen: „Wir haben manchmal eine andere Perspektive auf die Dinge. Aber Daniel Frères trägt unsere Forderungen mit.“
Die Partei muss sich nun schnell in der neuen Rolle im Parlament zurechtfinden. Dabei helfen soll ein ehemaliger Parlamentarier: Jean Colombera, Gründer der Pid, wird in einer ersten Zeit den beiden Gewählten Sven Clement und Marc Goergen zur Seite stehen, um ihnen die Fallstricke der Abgeordnetenkammer zu erklären. Die Möglichkeit, eine „Groupe technique“ mit der ADR zu bilden, um die Vorzüge einer Fraktion genießen zu können, sieht Clement kritisch – zu groß seien die Differenzen mit der rechtspopulistischen Partei, um so zusammenarbeiten zu können.
Die größte Herausforderung für die beiden Piraten wird im Parlament darin bestehen, im Rahmen der Möglichkeiten eine klare politische Kante zu zeigen. Clement will das Thema Kameraüberwachung durch parlamentarische Anfragen zu Kriminalitätsstatistiken auf die mediale Tagesordnung bringen. „Im Rahmen meiner Arbeit bei der Studierendenvertretung in Saarbrücken habe ich mich viel mit Hochschulpolitik und Mobilität beschäftigt. Das sind zwei weitere Felder, in denen ich mich im Parlament engagieren will“, sagt Clement, der sich auch vorstellen kann, mit anderen Parteien Kompromisse zu erreichen, um „das Leben Einzelner ein wenig zu verbessern“. Das Piratenschiff in den stillen, aber tiefen Gewässern des Parlaments auf Kurs zu halten wird auf jeden Fall eine schwierige Aufgabe.