Wachstumsdebatte: Die drei Paradiese

Sowohl-als-auch-Antworten auf die Wachstumsfrage können nicht überzeugen. Eine bessere Zukunft verspricht einzig eine radikale Entschleunigung oder aber ein neues Wachstumsparadigma. Oder …?

Arbeitsplätze, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Lebensqualität. Diskutiert man über diese zentralen Themen, so gelangt man schnell zur Wachstumsfrage, die im Wahlkampf eine herausragende Rolle spielen wird. Viele Politiker*innen flüchten vor dem Dilemma in eine unglaubwürdige Sowohl-als-auch-Haltung. Interessant sind deshalb die Plädoyers für einen klaren Ausweg aus der Zwickmühle.

Kein Wachstum, keine Probleme, so könnte man die erste mögliche Lösung zusammenfassen. Ihr hängen die Rechtspopulist*innen an, die vor allem die „Überfremdung“ fürchten. Doch auch beim Mouvement écologique, der sich klar von diesen Zirkeln abgrenzt, scheint die Ansicht Überhand zu gewinnen, dass Luxemburg dem seit Jahrzehnten gewohnten Wachstum den Rücken kehren sollte. „Können wir die Politik des Weiterwachsens fortsetzen, mit allen Problemen, die damit verbunden sind“, fragte Mouvement-Präsidentin Blanche Weber Anfang Februar bei einer Pressekonferenz zur Wirtschaftspolitik (woxx 1462).

Insbesondere das Projekt eines Data Centers von Google wird als Symbol eines wahnwitzigen Wachstums angeprangert. Dem Mouvement schwebt stattdessen eine Rückbesinnung auf die „regionale Wertschöpfung“ vor. Holzproduktion, Landwirtschaft und Gartenbau, wirtschaftliche Nischen also, die zum Beispiel in der Province du Luxembourg eine Rolle spielen – wobei diese allerdings als eher strukturschwach gilt.

Die belgische Provinz kann das verkraften, weil sie zum Hinterland des Wirtschaftswunderlandes Luxemburg gehört. Würde sich aber das Großherzogtum selber freiwillig in ein Hinterland verwandeln, wären die wirtschaftlichen und sozialen Folgen verheerend. Die Naturfreund*innen allerdings könnten in der Tat aufatmen, und der Rückfluss der Migrant*innen und Grenzgänger*innen aus dem unattraktiv gewordenen Luxemburg müsste auch die Nationalist*innen zufriedenstellen.

„Stagnation ist keine Option“, hielt Marc Wagener bei der Vorstellung des Jahresgutachtens von Idea am Mittwoch fest. Die wirtschaftsnahe Denkfabrik begrüßt die Rückkehr des Wachstums nach 2013, diagnostizierte im Hinblick auf die Wahlen im Oktober aber auch fünf Herausforderungen. Dazu gehören die ökologische Transition und die soziale Inklusion. Vor allem aber geht es um Wachstum: Wenn Luxemburg neue Nischen findet, die Innovation stärkt und den Bevölkerungszuwachs bewältigt, dann wird die „Glückseligkeit“ der vergangenen Jahrzehnte fortdauern.

Ob Idea vorschwebt, das Bevölkerungswachstum zu bremsen, ist unklar, ein Versiegen der Zuwanderung aber wird nicht angenommen. Immerhin beklagt die Denkfabrik, dass das derzeitige Wachstum vor allem durch mehr Arbeitsplätze statt durch höhere Produktivität erzielt wird. Auch die Forderung nach einer Entkopplung des Wachstums vom Ressourcenverbrauch im Sinne der ökologischen Transition deutet darauf hin, dass Idea mit dem von der Regierung hochgehaltenen „qualitativen Wachstum“ sympathisiert. Mehr Glück durch besseres Wachstum, so lautet demnach die zweite schlüssige Antwort auf die Wachstumsfrage.

Grüne Metropolen und Arbeitszeitverkürzung unterlaufen die Wachstumsfrage.

Die Einwanderung wird in beiden Szenarien implizit als ein Negativfaktor angesehen, das fällt auf. Dabei könnte man von den Umweltexpert*innen eigentlich erwarten, dass sie die weltweit als entscheidend betrachtete Rolle von grünen Metropolen in ihre Überlegungen einbeziehen. Eine solche könnte Luxemburg werden – mit hohem, aber sinnvoll organisiertem Landverbrauch in der Kernzone, in welcher der Zustrom von Einwohner*innen ausdrücklich erwünscht wäre.

Und was den Wunsch nach höherer Produktivität angeht: Eine Denkfabrik, die sich das „Out of the box“-Denken auf die Fahne schreibt, müsste eigentlich auch an das Instrument der Arbeitzeitverkürzung denken, die sowohl der sozialen Gerechtigkeit als auch der Lebensqualität förderlich ist. Allerdings „frisst“ aus Sicht der Unternehmer*innen dieses Instrument die Produktivitätsgewinne auf – und wirft damit neue Fragen auf: nämlich nach Umverteilung, nach dem Primat der Politik und nach dem gesellschaftlichem System.


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