Sophie Jung im Casino Luxembourg: Mehr Schein als Sein?

Sophie Jungs skulpturale „Akteure“ besetzen das Casino Luxembourg – Forum d‘art contemporain. Eine lautstarke, stumme Konversation für alle Besucher*innen, die sich trauen, sich mit der zeitgenössischen Kunst auseinanderzusetzen.

Kunstwerk mit „Pointe“. (Fotos: Lynn Theisen)

Die Räumlichkeiten des hauptstädtischen Casino Luxembourg sind zurzeit bevölkert von einer skurrilen Ansammlung von „Akteuren“. Die aufstrebende luxemburgische Künstlerin Sophie Jung, die in Basel und London lebt, stellt mit ihnen ihre erste rein skulpturale Ausstellung vor. Die einzeln, wie kleine Inseln, im Raum verteilten Arbeiten drängen Besucher*innen, sich um sie herum durch den Raum zu bewegen. Sie bestehen aus rätselhaften Zusammenstellungen großer und kleiner Gegenstände, die aus Flohmarkt und Theaterfundus zu stammen scheinen. Manches mutet alltäglich und banal an, wie alte Möbelstücke und Klopapierrollen, andere Objekte wirken wunderlich, darunter Teile eines kleinen Flugzeugs, ein rostiger Anker oder eine uralte Krankenpritsche. Wenige Plastiken beinhalten organisches Material wie Äste, Palmwedel oder kalkige Muschelbruchstücke. Auch einige kleinformatige Fotoabzüge befinden sich auf den Assemblagen und um sie herum. Der Ausstellungsboden ist teilweise großflächig mit Spiegelfolie bedeckt, in ihm lassen sich die Objekte auch von unten bestaunen und versteckte Elemente entdecken. Das Ganze wirkt ein wenig wie ein Upcycling-Projekt. Elemente, die nach Bauschutt aussehen, ergeben farblich zusammengestellt fast eine griechisch anmutende Säule. Die meisten Objekte scheinen jedoch wahllos zusammengefunden zu haben und geben kaum Hinweise auf logische Zusammenhänge oder ihnen zugrunde liegende Ideen. Beim Betrachten mancher Zusammenstellungen befällt einen zudem ein ungutes Gefühl, ohne dass man so recht beschreiben könnte, warum. Im Raum herrscht allgegenwärtige Stille, nur unterlegt von einem geflüsterten, aber eindringlichen „Hey! Psst, psst, hey, hey!“, welches ununterbrochen per Lautsprecher aus einem der Möbelstücke dringt.

Auf der Suche nach der Verbindung zwischen den Objekten fällt es schwer, rote Fäden zu spannen. Man irrt von einem zum anderen, eine Bedeutung oder eine Thematik bleiben unklar. Die Figuren wollen sich, so Jung, auf den Ausstellungsort und die von dort aus sichtbare städtische Skyline beziehen. Gerade der „Ballsaal“ oder das „Theater“ im ersten Stock, in dem sie stehen, erinnern an das „Casino bourgeois“, welches das historische Gebäude einst beherbergte – ein Zentrum des kulturellen sowie gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt. Direkt dahinter sichtbar sind der Turm der Sparkasse, der ehemalige Hauptsitz der Arbed; die Pfeiler von Luxemburgs Reichtümern. Eine pittoreske Silhouette, die jedoch einen Reichtum aufzeigt, der ähnlich wie die schöne Fassade der herrschenden Klasse dreckige Machenschaften verdeckt, ein Anschein, den die betrügerisch anmutenden Objektfiguren zu spiegeln versuchen.

Sophie Jungs Kunstwerke sind im historischen Ballsaal und im Theater des ehemaligen Spielcasinos im Herzen von Luxemburg-Stadt ausgestellt.

Der komplexe Ausstellungstext mit Neologismen, zerstückelten Wörtern und Wortspielen verwirrt mehr, als er erklärt. Eine Hommage an die Nonsensliteratur? Sophie Jung verweigert sich laut Ausstellungsdossier „dem Dogma einer ‚ursprünglichen Idee’ oder ‚universellen Bedeutung’, vielmehr möchte sie ein Netzwerk beständiger Unvollständigkeit dirigieren“. Dieses Netzwerk führt die Künstlerin bewusst ad absurdum. Für eine angestrebte „Entkategorisierung von Konzepten und eine Entkonzeptualisierung von Kategorien“ kombiniert sie „Zeug“ in seiner primären funktionalen Materialität sowie als Metapher mit Assoziationen, die sich an Farben, Texturen, oder Ähnlichem festmachen, als lückenhafter Kommentar zur Geschichte.

Das Casino Luxembourg setzt als Forum für Gegenwartskunst auf die künstlerische Produktion und will insbesondere ein Labor für Experimente und für den Mut zum Risiko schaffen. Durch ihre anspruchsvolle Ausstellung für das Casino bestärkt Sophie Jung aber vielleicht gerade die von ihr erwähnte Segregation der Klassen, die historisch in diesen Mauern verweilten. Eine Ausstellung, die man auf sich wirken lassen sollte.

Sophie Jung, They Might Stay the Night, Casino Luxembourg – 
Forum d‘art contemporain 
bis zum 25. Oktober 2020

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