In Weiswampach wird weiter über das geplante Hotel und Feriendorf an den Seen gestritten. Werden vage Umweltschutzüberlegungen reichen, um die Bagger doch noch zu stoppen?
Seit das Feriendorf „Suneo Park“, das zwischen den Weiswampacher Seen entstehen soll, im Juni 2018 vorgestellt wurde, hagelt es heftige Kritik. Trotz eines Referendums, bei dem 60 Prozent der Wähler*innen gegen das Projekt stimmten, rollen seit Ende August die Bagger. Die „Biergerinitiativ Gemeng Wäiswampich“ versucht nun auf juristischem Weg, das Bauvorhaben doch noch zu stoppen. Und das Tourismusministerium will von dem einstigen Vorzeigeprojekt nichts mehr wissen.
In Weiswampach soll dort, wo bis vor Kurzem noch ein Campingplatz war, ein neues Tourismusprojekt entstehen. Neben einem Hotel mit 86 Zimmern werden auch 88 „VIP-Ferienhütten“ gebaut, außerdem ein Freizeitbereich in und um den See mit Rutschen, schwimmenden Plattformen und Wasserski-Lift. Wird „Suneo Park“ gebaut – und danach sieht aktuell alles aus – ist es das erste Feriendorf seiner Art in Luxemburg. Geplant und realisiert wird das Projekt von der belgischen Gruppe Lamy, die in Belgien und Frankreich ähnliche Einrichtungen betreibt. Die Hotelzimmer können in einer Art Timesharing-Modell von privaten Investor*innen gekauft werden, die im Gegenzug ein jährliches Einkommen und Vorteile bei der Reservierung erhalten.
Das Grundstück, auf dem sich das neue Hotel und Feriendorf befinden, gehört der Gemeinde Weiswampach. Mittels „bail emphytéotique“, darf Lamy es benutzen – für den niedrigen Preis von 25.000 Euro im Jahr. Insgesamt sind die Konditionen, die in dem Vertrag zwischen Gemeinde und Lamy festgeschrieben sind, der Firma sehr zuträglich. So verpflichtet sich die Gemeinde zum Beispiel, keine Tourismusprojekte zuzulassen, die „Suneo Park“ Konkurrenz machen könnten. Außerdem hat Lamy das Recht, den See einzuzäunen. Der Vertrag, der der woxx vorliegt, wurde übrigens bereits im November 2017 geschlossen. Miete muss Lamy aber erst ab dem 1. Januar 2021 bezahlen.
Referendum ignoriert
Im Wahlkampf 2018 war „Suneo Park“ zumindest im Norden des Landes Thema. Déi Lénk sprachen sich gegen das Projekt aus und Déi Gréng waren besorgt, dass der Zugang zu den Seen der Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet sein und die Wasserqualität leiden könnte. Eigentlich sollten die Bauarbeiten Ende 2018 beginnen, doch dazu kam es nicht. Stattdessen regte sich Widerstand, der nach einer Kampagne der „Biergerinitiativ Gemeng Wäiswampich“ im August 2019 in ein Referendum mündete. 60 Prozent der Wähler*innen lehnten das Projekt „Suneo Park“ ab.
Doch Bürgermeister Henri Rinnen kündigte bereits im Vorfeld an, das Resultat des Referendums notfalls auch zu ignorieren. So gingen die Vorarbeiten weiter und seit Ende August haben die Bauarbeiten am See begonnen. „Es wurden bereits Bäume gefällt und die Bagger fahren“, erzählt Danièle Patz, die als Gemeinderätin, aber auch in der Bürger*inneninitiative aktiv ist.
Zuvor war es noch zu einer merkwürdigen Affäre rund um den Wasserstand gekommen. Da es sich bei den beiden Seen in Weiswampach nicht um natürliche, sondern künstlich angelegte Gewässer handelt, können sie geleert werden. Jährlich wird der Wasserstand für die Winterzeit auf etwa einen Meter abgesenkt. Im September 2020 war der See jedoch beinahe ausgetrocknet. In einer ausführlichen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage erklärte die Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng), dass dies – ohne Genehmigung – unzulässig gewesen sei, der Umstand jedoch auf eine defekte Schleuse zurückzuführen sei. Sollte die Sauerstoffsättigung im See kritisch werden, muss die Gemeinde für eine künstliche Sauerstoffzufuhr sorgen. Inwiefern dieser Zwischenfall mit dem Tourismusprojekt zu tun hat, ist Gegenstand von Spekulationen – grundsätzlich aber hilft es ungemein, Wasser in einem Badesee zu haben.
Ökotourismus ist etwas anderes
Als die damalige Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Francine Closener (LSAP), das Projekt vor etwas mehr als zwei Jahren vorstellte, sprach sie von einem „Ökotourismus“-Projekt, das sich in die luxemburgische Tourismusstrategie einschreibe. Diese großspurige Ankündigung war nicht viel mehr als heiße Luft, wie die woxx damals analysierte (cf. woxx.eu/suneopark), denn mit „ökologisch“ meinte Lamy, die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltstandards einhalten zu wollen.
Nun könnten genau diese Umweltstandards das Projekt doch noch stoppen. Zumindest die „Biergerinitiativ Gemeng Wäiswampich“ hofft, dass sie das erreichen kann, indem sie Berufung gegen eine Entscheidung des Umweltministeriums einlegt. Das hatte das Bauvorhaben genehmigt und die Ausgleichsmaßnahmen, die Lamy im Rahmen einer Ökobilanz vorgeschlagen hatte, angenommen. „Wir kämpfen bis zum Schluss gegen das Gesetz und wollen Berufung einlegen. Bei der Ökobilanz wurde lediglich die Flora berücksichtigt, und nicht die Fauna“, so Patz.
Eine strategische Umweltprüfung oder gar eine Umweltverträglichkeitsprüfung mussten nicht durchgeführt werden. Das liegt daran, dass das Gelände, auf dem Hotel und Feriendorf gebaut werden, nicht in einer Grünzone liegt, sondern bereits als „zone de loisirs“ eingestuft ist. Das Verwaltungsgericht wird also entscheiden müssen, ob die Veränderungen, die mit dem Bau eines Hotels und Feriendorfes anstelle des Campingplatzes an den beiden Seen durchgeführt werden, groß genug sind, dass sie eine strategische Umweltprüfung verlangen. Pol Holweck, Präsident der Bürger*inneninitiative, ist der Meinung, dass die Gemeinde zumindest einen Plan d’aménagement particulier (PAP) hätte machen müssen.
Die beiden künstlichen Seen, von denen einer zum Sportfischen angelegt wurde, sind keine geschützten Biotope. Allerdings sind sowohl der „Kailsbaach“, der die Seen speist, sowie der „Wemperbaach“, der ihren Abfluss darstellt, Gewässer, die bis 2027 in einem guten ökologischen Zustand sein müssen. Ansonsten drohen europäische Strafen. Der „Wemperbaach“ speist zudem ein geschütztes Moor. Wie Lamy in Zukunft mit den beiden Seen umgeht, ist also mitnichten egal für die Umwelt.
Suche nach geschützten Tieren
Ob es viel geschützte Fauna rund um die Seen gibt, ist nicht bekannt. Ein Blick auf die Website inaturalist.org, auf der Freiwillige ihre Beobachtungen von Tieren und Pflanzen eintragen können, zeigt keine besonders seltenen oder schützenswerten Arten, höchstens noch die Rauchschwalbe. Eine gründliche Untersuchung, wie sie bei einer Umweltprüfung vonnöten wäre, würde eventuell noch andere Tierarten entdecken, was dann dafür sorgte, dass der Schutzstatus der Seen nochmal überdacht werden müsste. In einem Brief hat sich die Bürger*inneninitiative an den EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius gewandt und listet dort insgesamt 19 geschützte Arten auf, die auf dem Areal des zukünftigen „Suneo Park“ vorkommen sollen. Die Initiative wirft der luxemburgischen Regierung in dem Schreiben vor, sich nicht richtig um den Schutz dieser Arten zu kümmern.
„Suneo Park“ wurde also von einem Projekt, das als „Ökotourismus“ verkauft wurde zu einer potenziellen Bedrohung für geschützte Tierarten – zumindest in den Augen der Bürger*inneninitiative. Heute will das Tourismusministerium nichts mehr von dem Projekt wissen. „Es handelt sich um ein privates Projekt einer Firma, das Ministerium kann das nicht qualifizieren“, war die knappe Antwort des Pressesprechers Damien Valvasori auf die Frage, ob die Bewertung als ökologischer Tourismus denn noch gelte.
2018 stellte das Ministerium Lamy eine Investitionshilfe von zehn Prozent der investierten Summe in Aussicht. Ob das Geld angefragt oder gar geflossen ist, wollte man uns nicht sagen: „Das Ministerium kann nicht zu einzelnen Dossiers Stellung nehmen.“ Die staatliche Investitionshilfe, so sie denn ausgezahlt werden, betrüge ein Vielfaches dessen, was die Gemeinde Weiswampach an Einnahmen für die Miete hätte.
Die Joghurtfabrik des hohen Nordens
Wer sich die Website von Lamy ansieht, auf der das Projekt „Suneo Park“ präsentiert wird, findet dort auch eine „Fragen und Antworten“-Sektion, die dazu dienen sollte, die Weiswampacher Bürger*innen davon zu überzeugen, beim Referendum für das Feriendorf zu stimmen. Die Firma wirbt damit, dass künftig weniger Tourist*innen den Weg an den See finden werden, weil im Hotel und Feriendorf nur Platz für die Hälfte jener Menschen ist, die auf dem vorher bestehenden Campingplatz übernachten konnten.
Eigentlich will Luxemburg die Zahl seiner Übernachtungsplätze im Tourismus ausbauen, um so ein weiteres wirtschaftliches Standbein zu errichten. Auch zu diesem Thema konnten wir keine eindeutige Aussage aus dem Tourismusministerium bekommen: „Generell haben wir im Land einen Bedarf an Übernachtungskapazitäten, um der Nachfrage gerecht zu werden.“ Damit wirft das Projekt „Suneo Park“ auch Fragen auf, was Luxemburgs Tourismuspolitik angeht. Wenn Campingplätze durch teurere Hotels und Feriendörfer ersetzt werden, zieht das auch eine andere Klientel an und verdrängt zumindest einen Teil der Stammkundschaft.
Ein bisschen wirkt „Suneo Park“ wie die Joghurtfabrik von Fage: Ein Politiker hat sich ein großes Investitionsprojekt aufschwatzen lassen, hat gleich Eurozeichen in den Augen und ist gewillt, es auch gegen Widerstand in der Bevölkerung durchzusetzen. Im Gegensatz zu einer Joghurtfabrik hat das Feriendorf in Weiswampach den Vorteil, dass die nötigen Genehmigungen bereits erteilt wurden – und die endgültige landesplanerische Entscheidung in den Händen eines Bürgermeisters liegt, der sich aus welchem Grund auch immer über den Willen der Bevölkerung hinwegsetzt.