Mit seinem Diskurs gegen „rumänische“ Bettler bricht der luxemburgische Star-Anwalt ein Tabu und schürt Fremdenhass.
Manische Selbstdarsteller wie Gaston Vogel sollte man vielleicht aus therapeutischen Gründen ignorieren. Jede öffentliche Debatte wird Vogel darin bestärken, sich mit polarisierender Unsachlichkeit und Vulgär-Sprache öffentlich zu produzieren. Seine zur Schau gestellte vermeintliche ‚political incorrectness’ ist dabei Teil der Inszenierung des eigentlich autoritätsgläubigen kleinen Luxemburger Mannes.
Bei seiner rassistischen Tirade gegen bettelnde Roma via offenen Brief an die Bürgermeisterin Lydie Polfer kommt einem aber diesmal echt die Galle hoch – auch angesichts der Reaktionen auf sein Pamphlet. Hätte Vogel Anwälte, seine Berufsparte – die er im übrigen mit seinen Aussagen diskreditiert – als überbezahlte, dreckige, stinkende Halsabschneider bezeichnet, sähe die Anwaltskammer dann auch keine Möglichkeit, disziplinarisch gegen ihn vorzugehen?
In Frankreich wird von Roma als „Abschaum“ im ultrarechten Lager des Front National gesprochen; in Deutschland sind diejenigen, die solche Töne anschlagen, an Springerstiefeln und Glatzen zu erkennen. Hier im beschaulichen Luxemburg kommen diese Töne über „sinistre Individuen“ aus „Rumänien“, die schon morgens die Bänke und Straßen besetzen und betteln, von einem anerkannten Anwalt, der in der Post-Referendums-Stimmung nach dem 7. Juni auch noch in weiten Teilen der Gesellschaft Applaus erntet für seine „mutigen Worte“.
Die defensive Antwort von Bürgermeisterin Polfer, die auf diese xenophobe Tirade auch noch ernsthaft eingeht und anschmeichelnd von einer „reellen Problemlage“ spricht, macht es nicht besser. Die von Vogel aufgezählten Aspekte „der Sicherheit, Ruhe und Hygiene“, die er an die Forderung knüpft, sie möge endlich etwas dagegen tun, benennt Polfer tatsächlich als ihre Prioritäten, um gegen organisierte Bettelei in der Hauptstadt Luxemburgs vorzugehen. Sie werde die Gesetzeslage prüfen, um in gegebenem Fall „Platzverweise“ auszusprechen, sich also in der von Vogel gewünschten Weise „darum kümmern“.
Vogel reagiert auf Vorhaltungen unter anderem der rumänischen Botschafterin, die rassistische Reaktionen angesichts des Wortlauts seines offenen Briefs befürchtet, wie aus dem Lehrbuch des Brandstifters als Biedermann: Ich bin kein Rassist, ich kenne auch den edlen und guten Zigeuner und auch den guten Bettler: „Die, die mich kennen, wissen, dass ich ein Freund des Zigeuner-Volks bin.“ Aber Vogels Bilderbuch-Zigeuner sitzen nicht auf seinen Bänken und stehen auf seinen Straßen, sondern stehen brav und still an der Ecke, um auf die erbettelte Münze zu warten – vielleicht machen sie auch noch schöne Musik.
„In seiner gezielten Wortwahl zur Stigmatisierung und Aufforderung der Beseitigung liegt das Problem.“
In seiner gezielten Wortwahl zur Stigmatisierung und Aufforderung der Beseitigung liegt das Problem. Um das festzustellen, braucht man nicht den prägnanten Kommentar der ARD-Journalistin Anja Reschke zu den rassistischen Übergriffen in Deutschland gehört zu haben, der sich kürzlich in den sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreitete: „Wenn man Menschen ‚Dreck’ nennt, ist das Nazi-Jargon.“
Wer von Menschen als Abschaum oder Gesindel („racaille“) spricht, ihre Anwesenheit als Verschandelung des Stadtbilds ansieht und sie als „Cortège habituel des merdes“ bezeichnet, weiß sehr wohl um die Wirkung seiner Worte, zumal, wenn er als öffentliche Person wahrgenommen wird. Denn Sprache spiegelt soziale Realität wider, zeigt die eigene Haltung zur Welt. Es macht nunmal einen Unterschied, ob man von „Schwuchteln“ oder „Homosexuellen“ spricht. Mit der Etablierung solcher menschenverachtender Diskurse werden Tabus gebrochen, wird eine Grenze überschritten und der Nährboden für fremdenfeindliche Diskurse gesät.
Die Staatsanwaltschaft wird wohl kaum die Traute haben, gegen Vogel ein Verfahren wegen Volksverhetzung einzuleiten. Wo aber bleibt der Aufschrei, wenn so ein menschenverachtendes Vokabular hingenommen wird?