Willis Tipps: Oktober 2023

Brasilianisches Funk-Gebläse

Ihre letzte Platte erschien 2018, aber jetzt ist São Paulos neunköpfige Bigband Bixiga 70 endlich mit Vapor zurück. Während dieser langen Pause hat sich das Ensemble personell verändert und stilistisch ein bisschen neu orientiert. Der nigerianische Afrobeat, der früher eine wichtige Rolle spielte, sei Vergangenheit, sagt die Band. Stattdessen habe man sich auf moderne Versionen brasilianischer Stile wie den Axé und Electro-Varianten des Forró konzentriert, in denen das Keyboard eine tragendere Rolle spielt. Wenn man genau hinhört, schimmert durch die Bläsersätze dennoch der Afrobeatmaestro Fela Kuti durch, was aber überhaupt nicht schlimm ist. In der rein instrumentalen Band dominieren die vier Bläser, während Keyboard und Gitarre assistieren. Bass und Perkussion plus Gastmusiker*innen legen einen ordentlich schiebenden Rhythmusteppich. Den Charakter der Gruppe prägen auch weiterhin die von Trompete, Posaune und zwei Saxofonen vorgetragenen messerscharfen Riffs und die eingängigen Melodien, aber Keyboard und Gitarre bringen neue Farben ins Spiel. Eine wirklich fesselnde Platte, mit aufregenden, handgemachten (!) Polyrhythmen und tollen Melodien.

Bixiga 70 – Vapor – Glitterbeat

Posthume Schätze der 
Mali-Legende

Ali Farka Touré, der malische Gitarrist und Sänger, der 2006 im Alter von 66 Jahren gestorben ist, zählt bis heute zu den größten afrikanischen Musikern der letzten 50 Jahre. Jetzt hat das World Circuit Label neun bisher unveröffentlichte, aber aufgefrischte Aufnahmen unter dem Namen Voyageur herausgebracht. Zwischen 1994 und 2010 wurden drei von Tourés Alben mit einem Grammy ausgezeichnet: Talking Timbuktu mit dem US-amerikanischen Slidegitarrenmeister Ry Cooder und zwei Kooperationen mit der Kora-Legende Toumani Diabaté. Sowohl sein Gesangsstil als auch seine spezielle Gitarrentechnik verkörpern die Tradition Nordmalis, die sich als ein Element auch im nordamerikanischen Blues wiederfindet. Auf der aktuellen Platte gibt es echte Schätze. Zu den Musikern, die Touré hier begleiten, gehören sein Sohn Vieux Farka Touré und Bassekou Kouyaté, die beide mittlerweile selbst zu den Großen der malischen Musik zählen. Ganz besonders bestechend sind die drei Stücke, auf denen die Stimme von Oumou Sangaré, der bis heute unbestrittenen Königin der malischen Musik, zu hören ist. Alte Fans und junge Neugierige sollten diese Platte nicht verpassen!

Ali Farka Touré – Voyageur – World Circuit

Estland entdecken

Rüüt ist ein sehr interessantes Quartett aus Estland, das in seiner Heimat mit seinen bisherigen zwei Alben große Anerkennung erhielt. Jetzt macht das deutsche Label Nordic Notes den dritten Longplayer der Gruppe Kiriküüt auch hier ganz leicht verfügbar. Außer den minimalistisch-spirituellen Kompositionen Arvo Pärts ist estnische Musik im Ausland unbekannt geblieben. Jetzt, mehr als 30 Jahre nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion ist es höchste Zeit, mehr estnische Musik zu entdecken. Rüüt besteht aus zwei Frauen und zwei Männern, die mit mehrstimmigem Gesang, Gitarre, Melodica, Geige, diatonischem Akkordeon und der Kastenzither Kannel geschmackvolle, folk-orientierte Stücke spielen. Wer finnische Musik kennt, hat eine ungefähre Ahnung, was Hörer*innen erwartet, denn beide Länder haben alte kulturelle Beziehungen. Allerdings hat estnische Musik einen eigenen Charakter. Neben einigen ansteckenden Tanzstücken gibt es betörende Melodien, in denen die Stimmen von Maarja Soomre und Maili Metssalu glänzen. Exzellenter moderner estnischer Folk!

Rüüt – Kiriküüt – Nordic Notes

Mongolische Perlen

Der erstaunliche Kehlkopf- und Obertongesang Khöömii aus Innerasien hat durch Gruppen wie Huun-Huur-Tu und Yat-Kha schon ganz lange seine Fans in Europa. Jetzt gibt es eine ganz neue Platte, eingespielt von Batsükh Dorj, einem tuwinischen Musiker aus der westlichen Mongolei. „Entdeckt“ hat ihn der bretonische Musiker und Forscher Johanni Curtet, der schon vorher ausgezeichnete Aufnahmen mit mongolischer Musik (Anthology of Mongolian Khöömii, Khusugtun) veröffentlicht hat. Curtet unterstützt Batsükh Dorj auf der neuen Platte kompetent. Auf dem Album Ögbelerim finden sich zwölf Stücke, auf denen Dorj die fünf verschiedenen Khöömii-Formen vom ultratiefen Gesang bis zu den flötenartigen Obertönen meisterlich praktiziert. Dazu begleitet er sich unter anderem mit der Pferdekopfgeige Igil und der Doshpiluur-Laute, während Curtet mit zusätzlichem Gesang, traditionellen Instrumenten und bisweilen mit einer Gitarre stützt. Zudem erklingt die Maultrommel. Neben getragenen Stücken fallen vor allem auch die galoppierenden Rhythmen auf, die auf die große Bedeutung des Pferdes in der mongolischen Kultur hinweisen. Eine hervorragend gelungene Präsentation mongolischer Musik im intimen Rahmen!

Batsükh Dorj – Ögbelerim, Music for my Ancestors – Buda Musique/Routes Nomades

Transglobal World Music Chart Oktober – Top 20

1. Dudu Tassa & Jonny Greenwood · Jarak Qaribak · 
World Circuit
2. Mari Kalkun · Stoonia Lood / Stories of Stonia · 
Real World
3. Mokoomba · Tusona: Tracings in the Sand · Outhere
4. V.A. · Lost in Tajikistan · Riverboat/World Music Network
5. Luzmila Carpio · Inti Watana / El Retorno del Sol · ZZK
6. Catrin Finch & Aoife Ní Bhriain · Double You · Bendigedig
7. Kayhan Kalhor and Toumani Diabaté · The Sky Is the Same Colour Everywhere · Real World
8. Idrissa Soumaoro · Diré · Mieruba
9. Matthieu Saglio · Voices · ACT
10. Tinariwen · Amatssou · Wedge
11. Yungchen Lhamo · One Drop of Kindness · Real World
12. Batsükh Dorj · Ögbelerim: Music for my Ancestors · Buda Musique
13. Miranda · Uma Mulher na Cidade · Jaro Medien
14. Bholoja · Imphilo · One World Music
15. Leon Keita · Leon Keita · Analog Africa
16. Yamandu Costa & Domingo El Colorao · De Vida y Vuelta · Bagual Productions
17. Bokanté · History · Real World
18. Saîdê Goyî · Jinê · Saîdê Goyî
19. Bantu · What Is Your Breaking Point? · Soledad Productions
20. Fatoumata Diawara · London Ko · 3ème Bureau / Wagram Music

Die TWMC TOP 20/40 bei: http://www.transglobalwmc.com/ und bei Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und www.woxx.lu/author/Klopottek.

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