Willis Tipps: September 2023

Simbabwe-Grooves


Simbabwe hat eine Reihe berühmter Musiker*innen hervorgebracht: Thomas Mapfumo, der 78 Jahre alt ist und sich zurückgezogen hat, sowie Oliver Mtukudzi und die Daumenklavier-Virtuosin Stella Chiweshe, die mittlerweile beide verstorben sind. Wie schön, dass die junge Combo Mokoomba uns auch weiterhin mit groovenden simbabwischen Klängen versorgt. Das Sextett hat sich bereits 2002 an den Victoria Falls gegründet. Mit Veröffentlichungen sind sie zurückhaltend. Nach Rising Tide 2012 und Luyando 2017 ist jetzt erst ihre dritte internationale Platte Tusona herausgekommen. Die Besetzung ist rocktypisch, sie lassen sich aber im Studio auch von Bläsern unterstützen und die Mbira kommt auch mal zum Zuge. Tempomäßig gibt es überwiegend schnellere Stücke, aber auch ein paar balladeske Tracks sind zu finden und üblicherweise wechseln sich Solo- und Chorgesang ab. Besonders auffällig ist die Sologitarre, die im ganz typischen Stil, den man aus Simbabwe kennt, in vielen Stücken für Freude sorgt. Kraftvoller Simbabwe-Sound!

Mokoomba – Tusona, Tracings in the Sand – Outhere Records

Bolivien: Indigene Überraschung

Wieso diese Frau, obgleich in ihrer Heimat Bolivien schon 1971 als „Prinzessin der Folklore“ ausgezeichnet, in Europa weitestgehend unbekannt geblieben ist, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls ist Luzmila Carpio eine Sängerin, die man unbedingt für sich entdecken muss. Sie ist mittlerweile 74 Jahre alt und war unter dem indigenen bolivianischen Präsidenten Evo Morales für einige Jahre Botschafterin ihres Landes in Paris. Carpio wuchs in einer abgelegenen Region Boliviens auf, die von den spanischen Eroberern nicht erreicht wurde. So wuchs sie als indigene Frau mit den ursprünglichen Sprachen Quechua und Aymara auf, in denen sie auch heute noch singt. Nach einer jahrelangen Pause kommt nun in Kürze das Album Inti Watana: El Retorno del Sol auf den Markt. Carpios Markenzeichen ist ihr Repertoire indigener Lieder, die sie mit ganz hoher Stimme singt. Sie wird von akustischen Instrumenten begleitet. Die neun Lieder sind zudem mit einem überwiegend dezenten Klangteppich aus Electronics und Naturgeräuschen unterlegt. Eine hervorragende Platte einer bisher zu Unrecht übersehenen indigenen Sängerin mit charismatischer Stimme.

Luzmila Carpio – Inti Watana: El Retorno del Sol – ZZK (V.Ö. 21.9.)

Grenzüberschreitendes Polen

Wernyhora war ein sagenumwobener ukrainischer Troubadour und Kämpfer für die Unabhängigkeit im 18. Jahrhundert. Das Trio, das sich nach ihm benannt hat, besteht aus Daria Kosiek, Anna Oklejewicz und Maciej Harna, die aus dem südostpolnischen Sanok, in der Nähe zur ukrainischen Grenze, kommen. Hier in den Karpaten, die Polen wie die Ukraine durchziehen, hat sich die ursprüngliche Musik der Boyko erhalten, einer slawischen Volksgruppe, die unter anderem in diesen beiden Ländern zu finden ist. Es verwundert nicht, dass das erste Album von Wernyhora mit dem Titel Toloka (Nachbarschaftshilfe) sich auch auf den russischen Überfall auf die Ukraine bezieht. Die ausdrucksstarke Stimme von Daria Kosiek wird kompetent begleitet von Harnas Drehleier, unterschiedlichen Streichinstrumenten, die von Oklejewiecz bedient werden, sowie von Perkussion, die ein Gastmusiker beisteuert. Hier klingt es ganz anders als in Westeuropa, unter anderem wegen der durchgehenden Borduntöne und der besonderen Melodik. Eine ganz bemerkenswerte Platte!

Wernyhora – Toloka – Polskie Radio

Finnland: Experimentelle Tradition

Aus Finnland kommt immer wieder Überraschendes. Was die drei von Sähköpaimen (elektrischer Hirte) auf Hämärä zusammengezaubert haben, ist wieder etwas ganz Ausgefallenes, ohne auf schöne Melodien zu verzichten. Im Gegenteil! Die Kompositionen stützen sich auf alte traditionelle Musik aus Finnland und werden von Amanda Kauranne stimmlich umgesetzt, während Kirsi Ojala Flöten einsetzt. Beide spielen auch die Maultrommel und Kauranne ist für den Einsatz von Loops zuständig. Außerdem gehört der Gruppe Eero Grundström an, den Eingeweihte vom Mundharmonika-Ensemble Sväng und von den Experimental-Kareliern Suistamon Sähkö kennen. Im Booklet steht schlicht „machines“; also Grundström macht die Electronics und Beats. Dabei herausgekommen ist ein Album, das voller Überraschungen ist, inklusive Einbeziehung von Künstler*innen mit provenzalischem und mit Roma Hintergrund. Trotz der kleinen Besetzung findet man hier einen ganz dichten Sound, der in alte Zeiten führt und in dem die Electronics überraschend organisch eingefügt werden. Faszinierend.

Sähköpaimen – Hämära – Nordic Notes

Transglobal World Music Chart September – Top 20

1. Mari Kalkun · Stories of Stonia · Real World
2. Kayhan Kalhor and Toumani Diabaté · The Sky Is the Same Colour Everywhere · Real World
3. Tinariwen · Amatssou · Wedge
4. Dudu Tassa & Jonny Greenwood · Jarak Qaribak · World Circuit
5. V.A. · Lost in Tajikistan · Riverboat / World Music Network
6. Wilson das Neves · Senzala e Favela · FundiSom
7. Bokanté · History · Real World
8. Bantu · What Is Your Breaking Point? · Soledad Productions
9. Mokoomba · Tusona: Tracings in the Sand · Outhere
10. Matthieu Saglio · Voices · ACT
11. Ali Farka Touré · Voyageur · World Circuit
12. Damir Imamović · The World and All That It Holds · Smithsonian Folkways Recordings
13. Baaba Maal · Being · Marathon Artists
14. Cantares del Pacífico · Aguajes de Mar y Manglar · Chaco World Music
15. Saîdê Goyî · Jinê · Saîdê Goyî
16. Shono · Kolkhozoy Traktor · CPL-Music / CPL-Musicgroup
17. Idrissa Soumaoro · Diré · Mieruba
18. Omara Portuondo · Vida · One World
19. Fatoumata Diawara · London Ko · 3ème Bureau / Wagram Music
20. Bilja Krstić & Bistrik Orchestra · Biljur · Jugoton Croatia Records

Die TWMC TOP 20/40 bei: http://www.transglobalwmc.com/ und bei Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und www.woxx.lu/author/Klopottek.

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