Die Bilanz des 30. UN-Klimagipfels fällt mager aus, obwohl sich Gastgeber Brasilien alle Mühe gab. Luxemburg hat die Konferenz nicht zuletzt fürs Finanzplatz-Marketing genutzt.

Der 30. Klimagipfel verlief chaotisch: Texte wurden nicht transparent verhandelt und erst kurz vor der Abstimmung der Öffentlichkeit vorgestellt, am Ende der ersten Woche brach gar – buchstäblich – ein Feuer aus. (Copyright: María Elorza Saralegui/woxx)
Einen Tag vor dem geplanten Ende des Gipfels begann nicht nur die Zeit zu brennen. Ein Feuer war ausgebrochen, mitten in der „blauen Zone“ des Konferenzgebäudes, wo Delegierte des 30. UN-Klimagipfels verhandelten. Riesige orangene Flammen kokelten ein Loch in die Decke. Schwerverletzte gab es keine, doch wertvolle sechs Stunden vergingen, ehe die Verhandlungen wieder aufgenommen werden konnten. Nicht nur die brasilianische COP-Präsidentschaft hatte auf ein pünktliches Ende der zweiwöchigen Konferenz gehofft. Darum bemüht, am darauffolgenden Tag auf dem G20-Gipfel in Johannesburg ein Ergebnis vorlegen zu können, mahnte Brasiliens Präsident Lula da Silva zur Eile. Um einen langen Streit um die Tagesordnung und eine Blockade der Verhandlungen zu vermeiden, bot Brasilien an, vier kontroverse Hauptthemen, unter anderem die Klimafinanzierung, in sogenannten „präsidentiellen Konsultationen“ abseits zu besprechen.
Das ging nach hinten los. Statt zu einem ambitiösen Beschlusstext zu führen, schuf das Vorgehen zunehmende Intransparenz über den Kompromisstext. Bestimmte Punkte verschwanden in späteren Entwürfen ohne Begründung; welche Länder an welcher Stelle Änderungen wollten, war teils schwierig nachzuvollziehen. „Gegen Ende wurden die Verhandlungen undurchsichtig geführt“, kritisierte Raymond Klein, ehemaliger woxx-Journalist und nun Koordinator der Klimagruppe der Luxemburger „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM). Zusammen mit seinem Kollegen David Hoffmann war er in Belém und hat die Verhandlungen vor Ort verfolgt. Die Intransparenz bereite auch den NGOs Schwierigkeiten. „Wir haben keine Texte mehr bekommen und konnten sie nicht zeitnah gründlich analysieren, geschweige denn offen diskutieren“, so Klein.
Dabei sollte nach den Gipfeln in Sharm el-Sheikh, Dubai und Baku gerade diese COP in Belém, der Hauptstadt des im Amazonas gelegenen brasilianischen Bundesstaats Pará, auch eine für NGOs und indigene Bevölkerungsgruppen sein. Raum für Proteste, Aktionen, einen Gegengipfel (dem „Cúpula dos Povos“; deutsch: „Gipfel der Völker“) und Austausch gab es auch, trotz überforderter Stadtinfrastruktur und einem Zusammenstoß zwischen indigenen sowie linken Aktivist*innen und dem Sicherheitspersonal: Hatte die COP in den drei vorangegangenen Jahren in autoritären Staaten gastiert, waren die Straßen rund um die Konferenz nun wieder laut, bunt und hoffnungsvoll. Umso größer die Enttäuschung über den Abschlusstext.
Kleine Fortschritte
Obschon viele gar von einem Fiasko reden, fällt das Resümee der ASTM ambivalenter aus. Immerhin sei es zu einigen wichtigen Durchbrüchen gekommen. Als klarer Gewinn gilt die Entscheidung, einen sogenannten „Mechanismus für eine gerechte Transition“ zu etablieren – eine der Prioritäten der Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen. Demnach sollen Arbeiter*innen in umweltschädlichen Industriebranchen für den Verlust ihrer Jobs kompensiert und beim Wechsel in eine neue „umweltfreundliche“ Stelle ausgebildet und unterstützt werden. Erstmals wurde eine solche Transition für Arbeiter*innen 2015 im Vorwort des Pariser Abkommens berücksichtigt. Zehn Jahre später wurde ein entsprechender Mechanismus nun unter lautem Beifall verabschiedet. Dies trotz Opposition Chinas und der Afrikagruppe. Arbeitsplätze im Bereich fossile Energien und beim Abbau von kritischen Mineralien fallen nun jedoch nicht in die entsprechende Kategorie.
Immerhin: Es ist das erste Mal, dass Menschenrechte, das Recht auf eine saubere Umwelt und die Rechte gesellschaftlicher Minoritäten wie etwa indigener Ethnien in einem COP-Text erwähnt werden.
Dies auch dank des jahrelangen Drucks der NGOs und Aktivist*innen, wie David Hoffmann im Gespräch mit der woxx betont: „Die inklusive Sprache und holistische Position des Mechanismus sind sicherlich auf eine gute Arbeit vonseiten der Zivilgesellschaft zurückzuführen.“ In anderen beschlossenen Texten – etwa einem neuen Aktionsplan für die Geschlechtergleichheit, der in den nächsten neun Jahren umgesetzt werden soll – fehlt dieser ganzheitliche Ansatz. „Nun müssen wir natürlich schauen, was dabei herauskommt“, so Hoffmann. „Bis Mitte nächsten Jahres soll nun ein erster Vorschlag zur Umsetzung des Mechanismus auf dem Tisch liegen, um ihn dann im November zu präsentieren.“ Neben diesem sollen auch das Programm zur Emissionsreduzierung und die Herausforderungen einer nachhaltigen Landwirtschaft im Juni 2026 bei diplomatischen Treffen in Bonn weiter besprochen werden.

Der Druck der Aktivist*innen hatte auf der diesjährigen COP immerhin einen großen Erfolg: Ein Mechanismus für die gerechte Transition wurde abgestimmt. (Copyright: UNFCCC / Flickr CC BY-NC-SA 4.0)
Als positiv sieht die ASTM auch die Fortschritte, die bezüglich der Anpassung an die Klimakrise gemacht wurden. Eine Liste von 59 Indikatoren, die die bisherigen Maßnahmen evaluieren sollen, wurde angenommen. In einem weiteren Text verpflichteten sich Delegierte für eine Verdreifachung der Mittel zur Anpassung an die Klimakrise. Das neue Ziel muss erst 2035 erfüllt sein und nicht, wie von den NGOs gefordert, bereits 2030. Auf ein Basisjahr oder einen klaren Ausgangswert haben sich die Staaten ebenfalls nicht geeinigt. Eine genaue Summe steht also nicht fest. Luxemburg hat immerhin 5,78 Millionen Euro versprochen, etwas wozu die ASTM die Expert*innen des Umweltministeriums gedrängt hatte. „Hier hat Luxemburg zum Teil seinen Spielraum ausgenutzt, um einen Schritt in die richtige Richtung zu machen“, so Hoffmann. Auf der COP29 im vergangenen Jahr hatten verschiedene Länder ein neues Klimafinanzierungsziel in Höhe von lediglich 300 Milliarden Euro angeregt, während tatsächlich 1,3 Billionen nötig wären (woxx 1814, „Die neue Ära des Aufschubs“). Die Frage der Umsetzung dieser Finanzierung wurde auf Druck der Industriestaaten von der diesjährigen Tagesordnung gestrichen.
Dringlichkeit versus Geopolitik
Entgegen Lulas Aussagen in seiner Eröffnungsrede – in welcher der Präsident „das Überwinden der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen“ forderte – und trotz aller Symbolik einer COP im Amazonas-Regenwald, kam es auf dem Klimagipfel zu keinen Verpflichtungen für einen Ausstieg aus den fossilen Energien oder ein Ende der Entwaldung. Am zweiten Tag der COP30 hatte Kolumbien eine „Roadmap for a Transition Away from Fossil Fuels“ (TAFF) angeregt. Binnen weniger Tage unterstützten Dutzende Länder den Plan. Am Ende waren es 86, darunter auch Luxemburg. Im Gegensatz zum sogenannten VAE-Konsens (VAE steht für Vereinigte Arabische Emirate) der COP28 in Dubai, die einen ersten, aber allgemein gehaltenen „Übergang weg von fossilen Brennstoffen“ erwähnte, macht der Fahrplan einen konkreten Vorschlag: Es soll einen Rahmen für einen „schrittweisen, unumkehrbaren und gerechten“ Ausstieg aus fossilen Energien, Investitionsmechanismen für erneuerbare Energien sowie einen Zeitplan und eine jährliche Kontrolle für die Reduktion und den Verbrauch von Öl, Gas und Kohle geben. Bemerkenswert ist auch, dass die unterstützenden Staaten lediglich sieben Prozent der weltweiten fossilen Energien fördern.
Der Gegenwind aus vielen Ölstaaten, darunter Saudi Arabien, ließ nicht lange auf sich warten. Den Rücken stärkten ihnen die Öl- und Erdgas-Lobby der fossilen Industrie, die in Belém wie nie zuvor in die Verhandlungen eingriff: Einer Recherche der Koalition „Kick Big Polluters Out“ zufolge waren insgesamt 1.602 Lobbyist*innen aus diesem Sektor vor Ort – mehr Personen als die Delegierten der zehn am meisten von der Klimakrise gefährdeten Staaten. „Es ist empörend zu sehen, wie ihr Einfluss Jahr für Jahr zunimmt und den COP-Prozess lächerlich macht“, reagierte ein Mitglied der Koalition in einem Presseschreiben. Niemand konnte den Erdölstaaten die Stirn bieten: Die USA war abwesend, China an einer Führungsrolle nicht interessiert und die EU intern zerstritten.
Umso chaotischer verlief die abschließende Plenarsitzung am Samstag, dem 22. November – auch wenn diesmal kein Feuer ausbrach. Ohne die Einwürfe von Kolumbien, Panama oder der EU zu berücksichtigen, boxte COP30-Präsident André Corrêa do Lago mehrere Texte durch. Obschon Italien und Polen sich anfangs dagegen stemmten, unterstützte die EU später den TAFF-Fahrplan und zeigte sich kurz vor der Plenarsitzung entrüstet. Grund: Ein zweiter Entwurf des Beschlusstextes erwähnte fossile Energien nicht. Es folgten erneute, der Öffentlichkeit unzugängliche Gespräche mit der COP-Präsidentschaft, jedoch ohne großen Erfolg. Der Abschlusstext bezieht sich nun bloß auf den VAE-Konsens, und wiederholt damit einmal mehr das absolute Minimum. Auch der Fahrplan für ein Ende der Entwaldung wird im Abschlusstext nicht erwähnt. Auf der COP26 hatten sich über 130 Länder dazu verpflichtet, ab 2030 keine Wälder mehr zu roden – dennoch stagniert die Abholzungsrate weltweit, statt zu sinken.

Rund 50.000 Delegierte und Beobachter*innen aus 194 Ländern sollen ersten Schätzungen nach an der COP30 im Amazonas teilgenommen haben. Laut einer Recherche des Kollektivs Kick Big Polluters Out waren darunter 1.602 Lobbyist*innen aus der fossilen Brennstoffindustrie. (Copyright: María Elorza Saralegui/woxx)
Luxemburg hat auf der COP30 sowohl die „Deforestation Roadmap“ als auch den Plan zum Ausstieg aus fossilen Energien unterstützt. Erstere wurde am Ende von 93 Staaten mitgetragen, doch für einen Konsens im Plenum reichte es nicht. Falls andere Länder die EU-Mitgliedsstaaten nicht ernstnahmen, weil es innerhalb der Union seit Jahren Zoff über die Entwaldungsverordnung gibt – könnte man es ihnen kaum verdenken. Von der woxx darauf angesprochen, dass Landwirtschaftsministerin Martine Hansen an vorderster Front gegen diese kämpfe, betonte Umweltminister Serge Wilmes (CSV), er stehe hinter seiner Parteikollegin: „Wir sind nicht für Deregulierung, wir wollen eine Regulierung gegen Entwaldung, aber sie darf nicht in Ländern wie Luxemburg, in denen es kein Risiko übermäßiger Entwaldung gibt, für mehr administrativen Aufwand sorgen.“
Laut Umweltorganisationen wie „Greenpeace“ wäre die zusätzliche Bürokratie beispielsweise für Landwirt*innen überschaubar. Die von Hansen geforderte Einführung einer „Null-Risiko“-Kategorie verstoße jedoch gegen die Regeln der Welthandelsorganisation. Außerdem berge sie die Gefahr, Spannungen zwischen der EU und Drittländern zu erhöhen. Am vergangenen Mittwoch stimmte das EU-Parlament dafür, die EU-Waldschutzverordnung wieder zu verhandeln.
Mit Profit die Welt retten
Luxemburg präsentierte auf der COP auch eine eigene Initiative. Gemeinsam mit dem Klimafinanz-Netzwerk „Global Landscapes Forum“ (GLF) wurde „Rio Changemakers“ vorgestellt. Offiziell handelte es sich um den Start des Projekts, doch in Wahrheit wurde hier vor allem ein Versprechen geleistet. Die „Rio Changemakers“-Plattform soll Initiativen im globalen Süden mit Investor*innen verknüpfen. Dafür soll ein „KI-gestützter Marktplatz“ entstehen, der besseres „Matchmaking“ zwischen Geldgeber*innen und Projekten ermöglichen soll. Welche Rolle die sogenannte „künstliche Intelligenz“ (KI) dabei genau spielen soll, ist bislang eher unklar. Auf Nachfrage der woxx teilte das Umweltministerium mit, dass man zunächst lediglich die Idee präsentiert habe und die Details, beispielsweise in welcher Form KI benutzt werden soll, erst ausgearbeitet werden.
Eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien werden dieser Tage mit dem Begriff KI bezeichnet. In den vergangenen Jahren Jahren waren damit meistens „Large Language Models“ (LLMs) gemeint, die auch das Fundament für Chatbots wie „ChatGPT“ bilden. Angesichts des hohen Energie- und Wasserverbrauchs von Rechenzentren, in denen LLMs „trainiert“ und betrieben werden, fragte die woxx nach, wie hoch der Energieverbrauch und die damit einhergehenden Emissionen des Rio Changemakers-Marktplatzes seien. Die Antwort: man werde dies alles erst noch entscheiden. Dabei sollen aber „Standortkriterien, Einflüsse auf die Umwelt und geopolitische Faktoren“ eine Rolle spielen.
Mehre Beamt*innen des Umweltministeriums betonten in Gesprächen mit der woxx, es sei „unabdingbar“, KI für das Zusammenbringen von Projekten und Investor*innen zu benutzen, denn die verfügbare Datenbasis reiche ohne dieses Hilfsmittel nicht aus: Bisherige Informationen seien auf zu vielen verschiedenen Plattformen verstreut, sodass es schwer sei, sich einen Überblick zu verschaffen. Wie aber ein LLM, dessen Resultat vor allem aus der Generierung von Text besteht, und viel weniger aus Analyse und Einordnung, dabei helfen soll, bleibt unklar. Auch die Frage eines „algorithmic bias“, die sowohl LLMs als auch andere „Machine Learning“-Anwendungen betrifft, scheint für das Umweltministerium kein Hindernis zu sein, mit dem Label „KI-gestützt“ zu werben.
Ähnlich wie bereits für das Projekt „International Climate Finance Accelerator“ wird bei „Rio Changemakers“ zunächst einmal Geld in Richtung Luxemburg fließen. Das Büro des GLF soll personell aufgestockt werden, um die Plattform auf die Beine zu stellen. Ein genauer Kostenpunkt ist noch nicht bekannt, mehrere Millionen Euro scheinen jedoch realistisch. Geld, das das Großherzogtum bei den Vereinten Nationen als Ausgaben zur „Klimafinanzierung“ angeben wird – obschon diese eigentlich direkt in Klimaschutz- und -anpassung gehen sollte. „Ja, es sollen Leute in Luxemburg bezahlt werden, damit sie hier etwas aufbauen und verwalten, aber dann müssen wir dafür sorgen, dass nicht nur 15 Prozent der Gelder in den globalen Süden fließen“ so der Umweltminister, der diesen Ansatz „total im Herzen der internationalen Klimafinanzierung“ sieht.
„Geldmaschine für private Investor*innen“
Zum ersten Mal in der Geschichte der Klimakonferenzen hatte Luxemburg einen eigenen Pavillon. Das Land sieht die COP auch als eine Möglichkeit, um Geschäfte und auf den „grünen“ Finanzplatz Luxemburg aufmerksam zu machen. Dabei geht es der Regierung nicht nur darum, eigene Projekte zu präsentieren, sondern sich auch mit anderen Akteur*innen der „grünen“ Finanzwelt auszutauschen. Auch mit der von Brasilien vorgestellten „Tropical Forests Forever Facility“ gab es Kontakte – und die Hoffnung, dass Aktivitäten in Luxemburg angesiedelt werden könnten. Wilmes sagte der woxx, es sei geplant, die brasilianische Umweltministerin in Luxemburg zu empfangen.
Der Luxemburger Fokus auf „Green Finance“ ist vor allem als Werbung für den Finanzplatz zu verstehen. „In Zukunft müssen wir nicht mehr von Green Finance sprechen, das ist dann einfach Finance, die muss in ihrer Gesamtheit nachhaltig werden“, so Wilmes. Im aktuellen politischen Klima ist es sicherlich eine Ausnahme, dass Konservative Klimaschutz nicht komplett ablehnen, ein „nachhaltiges Finanzsystem“ aber wird auf ewig ein frommer Wunsch bleiben.
Private Gelder werden meist dann für die Klimafinanzierung mobilisiert, wenn Staaten das Risiko tragen und institutionelle Akteur*innen, wie etwa die Europäische Investitionsbank, eine Anschubfinanzierung versprechen. Die „Projekte“ müssen immer profitabel sein, womit viele sinnvolle Ausgaben, die die Auswirkungen der Klimakrise mindern, reparieren oder Emissionen verringern, wegfallen. Sieht man sich die Publikationen des GLF an, dann liest man dort von Kaffee, Kakao oder etwa „Investitionen in Torfmoore“. Zwar geht es darum, diese „cash crops“ so nachhaltig wie möglich anzupflanzen, aber das Geld fließt letzten Endes in unternehmerische Tätigkeiten. Gerade auch bei forstwirtschaftlichen Projekten im globalen Süden gibt es viel Kritik, da hier oft Monokulturen angepflanzt werden (woxx 1633, „Das Geld wächst auf den Bäumen“). Natur- und Klimaschutz wird so zu einem Finanzprodukt und der kapitalistischen Logik unterworfen. Doch die internationale Klimafinanzierung sollte eigentlich nicht darauf abzielen, dass sich Fondsmanager*innen in Luxemburger eine goldene Nase verdienen, sondern darauf, ärmere Länder dabei zu unterstützen, Klimaschutz umzusetzen und die durch Folgen der Klimakrise entstandenen Schäden zu begleichen. Bei der ASTM ist man überzeugt, ein Aufstocken öffentlicher Finanzen für die Adaption und für das „Loss and Damage“ hätte die Verhandlungen erleichtert. „Das würde den Vertrauensverlust zwischen Nord und Süd lösen und viel mehr bringen als irgendwelche KI-gestützte Marktplätze“, so David Hoffmann gegenüber der woxx.
Doppelmoral
Serge Wilmes versichert, man habe sich dafür eingesetzt, dass der Ausstieg aus fossilen Energien im Abschlusstext auftauche: „Das haben wir nicht geschafft, aber dafür andere Dinge: Das 1,5-Grad-Ziel ist drin, das IPCC und die Wissenschaft werden hochgehalten, mit den nationalen Beiträgen soll es nun schneller vorangehen.“ „Einen Schritt zur Seite statt nach vorne“, nennt der zuständige Minister das Ergebnis. Auf die Frage angesprochen, ob das Ergebnis von Belém als „Klimaschutz, der nicht nervt“ zu werten sei, wie ihn Premierminister Frieden in einer Regierungserklärung vom 11. November 2023 versprochen hatte, weicht der Umweltminister aus: „Das ist eigentlich ein Zitat der Opposition. Herr Frieden hat das ganz klar in den Kontext gestellt und sich klar dazu bekannt, dass wir den Klimawandel proaktiv angehen wollen.“
Sowohl ein Ende jeglicher Abholzung als auch ein fossiler Ausstieg sollen auf der COP31 erneut besprochen werden. Bis dahin organisiert Kolumbien zusammen mit den Niederlanden im April eine eigene internationale Konferenz zum Ausstieg aus fossilen Energien. Die Enttäuschung um den Gipfel in Belém müsse im Kontext der Erwartungen gesehen werden, so Raymond Klein von der ASTM. „Verglichen mit den Erwartungen war etwa die COP28 in Dubai ein Erfolg und die COP30 leider ein Scheitern. Insgesamt waren beide wohl einfach mittelmäßig.“

Zum ersten Mal seit drei Jahren wurde der 30. Klimagipfel wieder laut mit Aktionen und Protesten der indigenen und lokalen Bevölkerungsgruppen, Landwirt*innen, Aktivist*innen und NGOs. Bis zu 70.000 Personen nahmen am 15. November an Demonstrationen teil. (Copyright: EPA/Andre Borges)
Mit der Abwesenheit der USA war auf dem Klimagipfel ein Vakuum zu spüren, das nur zum Teil von Brasilien gefüllt werden konnte, indem es als gleichermaßen verlässlicher Partner für den Globalen Süden wie den Globalen Norden gilt. Einst mit dem „Green Deal“ als Vorreiter im Klimaschutz gehandelt, wird die EU in diesem Bereich heute zunehmend von den konservativen und rechtsextremen Parteien geschwächt. Während COP-Delegierte versuchten, einen Konsens zu finden, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf dem zeitgleich in Südafrika stattfindenden G20-Gipfel, man bekämpfe „nicht fossile Brennstoffe, sondern deren Emissionen“. Auch in Belém habe die EU sich „selbst blockiert“, meint ASTM-Mitarbeiter Klein und verweist auf die internen Divisionen zwischen den EU-Mitgliedstaaten. „Die Länder, die mehr Klimaschutz und als EU dabei eine Führungsrolle übernehmen wollen, können das aber nicht.“ Gezeigt hat sich dies einmal mehr bei den bis kurz vor Beginn der COP hinausgezögerten Diskussionen um die neuen EU-Reduktionsziele (woxx 1861, „Le panier percé de l’UE“) und dem bereits erwähnten späten Bekenntnis zum TAFF-Fahrplan in Belém. Letztlich hat die EU wieder einmal versucht, sich aus ihrer historischen Verantwortung zu ziehen. Während sie den Fokus auf eine Erwähnung eines Ausstiegs aus den fossilen Energien lenkte, blockierte sie die Klimafinanzierung – und stimmte nur schweren Herzens einer Verpflichtung für den Adaptationsfonds zu. Dabei kann kein weltweiter Ausstieg ohne zusätzliche Unterstützung der von der Klimakrise am meisten betroffenen Länder geschehen. „Verschiedene große Staaten (des Globalen Südens, Anm. d. Red.) haben noch einmal klargemacht, dass sie sich gerne ebenfalls das Recht herausnähmen, welches die Europäer sich jahrzehntelang nahmen: Mit fossilen Energien dafür zu sorgen, dass sich ihre Länder entwickeln und ihre Bevölkerung reich wird“, so Wilmes.
Der Minister mag wohl darauf pochen, man habe sich dafür eingesetzt, dass der Ausstieg aus den fossilen Energien in der Abschlusserklärung des Gipfels erscheint; über die hierzulande praktizierte Doppelmoral in dieser Frage täuscht das nicht hinweg: Nicht nur, dass die EU nun wieder über den Ausstieg aus dem eigentlich beschlossenen Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor diskutiert, auch die CSV-DP-Regierung hat den nationalen Klima- und Energieplan (Pnec) im Sinne fossiler Energieträger angepasst. Die Möglichkeit, den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen in bestehende Häuser zu verbieten, wurde aus dem Pnec gestrichen. Wie also fordern, dass ölproduzierende Länder ihr profitables Geschäftsmodell einfach so aufgeben, wenn es scheinbar nicht einmal den Unterstützer*innen dieses Vorschlages gelingt, sich von ihrer Abhängigkeit von fossilen Energien zu befreien?
Es sei „unfair, eine einzelne Maßnahme aus dem Pnec herauszupicken“ reagiert Wilmes auf diese Kritik, man müsse den ganzen Plan und seine ambitionierten Ziele sehen, „und die sollen ganz klar kompatibel mit dem Pariser Abkommen und dem 1,5-Grad-Ziel sein“. Luxemburg werde laut Berechnungen des Statistikinstitutes „Statec“ seine selbst gesteckten Ziele bis 2030 erreichen. „Es ist ja schön, wenn man sich auf einer Klimakonferenz in die erste Reihe stellt, aber dann muss man auf nationaler Ebene auch liefern können, gerade im fossilen Bereich“, kommentierte Raymond Klein die Haltung des Ministers. Ein gerechterer Anteil zur Klimafinanzierung wird wohl erst wieder auf der nächsten COP verhandelt werden – sofern COP31-Gastgeberland Türkei es auf die Tagesordnung setzt.
Nach der COP ist vor der COP
Auf nationaler Ebene verlangt die ASTM eine Übereinstimmung zwischen den Aussagen von Wilmes auf der Klimakonferenz und dem Handeln seiner Partei, der regierenden CSV, sowohl in Luxemburg als auch im EU-Parlament und -Rat. „Wir können nicht einerseits die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht der Unternehmen komplett zerschlagen und andererseits auf einer COP ‚ambitiös‘ auftreten“, kritisierte Hoffmann. Es brauche eine ehrliche Kommunikation, die die Folgen des Nichthandelns erklärt, statt sich von Klimaschutz genervt zu zeigen. „Wenn überall von Pragmatik für die Klimapolitik gesprochen wird und unsere Regierung nicht für eine offene und ambitiöse Klimapolitik einsteht, dann ist das Land mitverantwortlich für die defensive und zurückhaltende Verhandlungsposition, die die EU auf dieser COP aufzeigte.“
Sollten Luxemburg und die Industriestaaten in Zukunft die von Serge Wilmes versprochene „Proaktivität“ nicht in die Praxis umsetzen und sich dazu bereit zeigen, einen fairen Anteil in die Finanzierung der Anpassung an die Folgen des Klimawandels einzuzahlen sowie kohärente soziale Klimaschutzmaßnahmen einzuführen, werden auch künftige Gipfel trotz kleiner Fortschritte in einer Sackgasse landen. Für Aktivist*innen könnten die nächsten COPs im türkischen Antalya und im äthiopischen Addis Abeba eine Herausforderung werden, denn dort ist es um demokratische Grundrechte weniger gut bestellt. Die Dringlichkeit der Klimakrise besteht aber unabhängig vom Gastgeberland. „Die Welt bräuchte eine richtig gute COP“, so Raymond Klein.

