Sprachendebatte: Worüber wir eigentlich reden sollten


Die aktuelle Sprachendebatte kreist zu sehr um den symbolischen Stellenwert des Luxemburgischen. Eine alternative Schwerpunktsetzung ist vonnöten, die nicht dem rechten Lager in die Hände spielt.

Die Initative „Nee 2015/Wee2050“ erkennt Zahlen und Statistiken nicht als gültige Beweise an. Stattdessen setzt sie auf eine Emotionalisierung der Debatte. (Illu: © Nee2015/Wee2050)

„Lëtzebuerg ass en eesproochegt Land mat enger funktionaler Méi
sproochegkeet“, „d’lëtzebuergesch Sprooch muss méi gefërdert ginn“, „Et muss een onbedéngt Lëtzebuergesch schwätze kënnen um Aarbechtsmarché“. Wer am Dienstagabend das vom Radio 100komma7, Centre pour la Promotion des Arts und dem Zentrum fir politesch Bildung organisierte Rundtischgespräch „1 Sprooch – 1 Identitéit? Sprooch(en) an Identitéit(en) zu Lëtzebuerg“ mitverfolgte, bekam den Eindruck, dass sich alle hierin einig sind: Das Luxemburgische muss stärker gefördert und im Alltag präsenter gemacht werden. Zwar gab es auch einige kritische Kommentare zur Sprachen- und Integrationspolitik, doch fundamental in Frage gestellt wurde der Wunsch nach einer Aufwertung des Luxemburgischen nicht.

Bereits im Vorfeld hatte sich auf dem Facebook-Event zur Veranstaltung eine rege Diskussion entwickelt. Anlass dazu gab ein Post des „Nee 2015/Wee 2050“-Initiators Fred Keup, in dem er Aussagen des Beschreibungstextes mit eigenen Berechnungen zu widerlegen suchte. Die nur wenige Sätze umfassende Eventdarstellung hatte implizit Bezug auf Studien des Sprachwissenschaftlers Fernand Fehlen genommen, aus denen hervorgeht, dass die luxemburgische Sprache heute mehr geschrieben und gesprochen wird als jemals zuvor. Keup ist hier anderer Meinung: Zwar zieht er die Ergebnisse nicht allgemein in Zweifel, doch verweist er auf die Situation in der Landeshauptstadt, in der verhältnismäßig viele MigrantInnen leben und wenig Luxemburgisch gesprochen wird. Seinen Schätzungen zufolge finden nur 25% aller in der Hauptstadt geführten Gespräche auf Luxemburgisch statt. Gegenüber Kritik beharrt Keup darauf, dass diese Prozentangabe seiner Erfahrung nach „mehr oder weniger richtig“ sei. Der persönliche Eindruck sei das, worauf es ankomme, bestätigt eine Facebook-Userin Keups Kommentare. Und in der Tat: Wie schon zuvor zeigt sich auch hier wieder, dass die Handlungsmotivation des selbsterklärten Rettungskomitees der luxemburgischen Sprache in erster Linie nicht auf Zahlen und Fakten basiert, sondern auf subjektiven Einschätzungen. Dass die Luxemburger Sprache keineswegs bedroht ist, ist dabei nebensächlich, Forderungen, sie im Alltag präsenter zu machen, halten sich seit Monaten hartnäckig.

„Aus den Augen, aus dem Sinn“ werden sich die Verantwortlichen gedacht haben, als sie den Schlagabtausch am Montagabend aus dem Facebook-Event löschten. Besonders erkenntniserweiternd im Hinblick auf die Sprachenproblematik war die Diskussion zwar nicht – in großen Teilen wurde darüber verhandelt, ob es diffamierend sei, Keup öffentlich als Rassisten zu bezeichnen -, doch lässt der Akt des Löschens eine eher fragwürdige Haltung zum Umgang mit gesellschaftlichen Debatten erkennen.

Symbolik statt Verständigung

Auch wenn Keups Aussagen in der Facebook-Diskussion hinsichtlich Paranoia und bewusster Fehlinformation kaum zu überbieten waren, wichen sie doch nicht grundlegend von den Meinungen fast aller TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion ab. Egal ob das Argument der Gefährdung des Luxemburgischen oder das der Notwendigkeit einer gemeinsamen sprachlichen Basis angeführt wird: Wenn als Lösung die Aufwertung des Luxemburgischen gefordert wird, ist das Resultat das gleiche. Dabei sollte klar sein: Die Rede von einer nationalen Identität, die es zu erlangen bzw. zu wahren gelte, impliziert, dass es so etwas wie einen festen Kern gibt, der durch die Praxis des Luxemburgischen gestärkt, durch die des Französischen hingegen geschwächt wird. Geht man jedoch von einem flexibleren Identitätsbegriff aus, wird der Scheincharakter der aktuellen Debatte offenbar.

Nicht um die Hierarchisierung der Landessprachen, sondern um die Gewährleistung einer bestmöglichen Verständigung untereinander sollte es doch eigentlich gehen. So plädierte beim Rundtischgespräch in Hollerich die Historikerin Sonia Kmec für einen größeren Pragmatismus in der Sprachenpolitik. Ihr Vorschlag, es müssten mehr Portugiesischkurse angeboten werden, denn Anstrengungen seien von allen Seiten zu fordern, stellte einen der wenigen Lichtblicke des Abends dar. Während nämlich die Meinung vorherrscht, dass es „doch nicht zuviel verlangt“ sei, im Geschäft mit einem „Moien“ begrüßt zu werden, stellt sich letztlich die Frage, warum das überhaupt von Belang sein sollte, wenn ein „Bonjour“ oder „Bom dia“ den gleichen Zweck erfüllt. Es geht bei dem Ganzen also nicht um einen tatsächlichen Missstand, sondern um den symbolischen Wert, der der luxemburgischen Sprache beigemessen wird.

Die Verknüpfung von Sprache mit Fragen der nationalen Identität ist auch hierzulande nicht neu. Als zu Beginn der 1980er-Jahre erstmals die Forderung laut wurde, Luxemburgisch als offizielle Landessprache zu etablieren, resultierte dies zu einem großen Teil aus einer Angst vor Überfremdung. Spätestens, seit im Jahr 2008 die Erlangung der luxemburgischen Staatsangehörigkeit gesetzlich an das Bestehen eines Sprachentests geknüpft wurde, ist die Sprache zu einem nationalen Merkmal und einer Messlatte für Integrationserfolg geworden.

Die eigentlichen Missstände

Doch woher kommt dieses Bedürfnis, eine Sprache gegenüber einer anderen zu privilegieren? Was bei dieser ganzen Debatte immer unterschwellig mitschwingt, ist ein Vorbehalt gegenüber einem gleichberechtigten Umgang mit Nicht-LuxemburgerInnen. Das dürfte kein unwesentlicher Grund dafür sein, dass im Referendum von 2015 die Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung gegen das Residenzwahlrecht stimmte. Allen BefürworterInnen einer Aufwertung des Luxemburgischen pauschal eine nationalistische oder gar rassistische Haltung zu unterstellen, wäre zwar falsch, doch ist die Debatte, wie sie bislang geführt wurde, letzten Endes stärker auf die Festigung als auf den Abbau von Sprachbarrieren ausgelegt. Nicht umsonst flammte die aktuelle Diskussion überhaupt erst in Folge des Referendums so richtig auf. Das Wahlergebnis hatte den Eindruck bestärkt, dass gewisse Positionen des rechten Lagers auf breite Zustimmung stoßen könnten, und das wurde natürlich ausgenutzt. Zuletzt konnte eine Petition mit dem Ziel, Luxemburgisch als erste Amtssprache einzuführen, 14.721 Unterschriften erzielen. Das entsprechende Hearing sowie das der Gegenpetition finden am nächsten Montag in der Chamber statt.

Auch wenn das Rundtischgespräch an sich wenig Mehrwert ergab, so zeigte es doch die dringende Notwendigkeit einer Fokusverschiebung: Weg von einer gefühls- und symbolbetonten Argumentation, hin zur Suche nach praxisorientierten Lösungsansätzen. Wenn es tatsächlich darum geht, einem Ausschluss von Personen entgegenzuwirken, sollte ein gleichwertiges Nebeneinander der Sprachen angestrebt werden. Die aktuelle Debatte kann nur dann erfolgreich sein, wenn gerade eine Nation und eine Sprache nicht als wichtiger oder identitätsstiftender als andere herausgehoben wird.


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