75 Jahre Atomwaffen (1): Seit jenem Sommer

Niemand wird Atomwaffen einsetzen. Wer an dieser tröstlichen Illusion festhalten will, sollte sich nicht mit der Geschichte dieser Waffen beschäftigen – und besser nicht weiterlesen.

Atombombentest 1951. US Army; Alexander McCaughey; PD

Vor 75 Jahren wurden im US-Bundesstaat New Mexico die letzten Vorbereitungen getroffen für ein Ereignis, das Geschichte schreiben sollte. Nach dem erfolgreichen Trinity-Test am 16. Juli 1945 würde dem Abwurf von Atombomben auf japanische Städte nichts mehr im Wege stehen. Dies war der Beginn des Atomzeitalters, das bis heute andauert – auch wenn die Erinnerung an das Geschehen von 1945 etwas verblasst ist.

„Seit August 1945 wurde keine Nuklearwaffe mehr eingesetzt. Das ist eine beeindruckende Bilanz, aber wird sie unbegrenzt so fortgeschrieben werden können?“ Mit diesem Satz endet das Vorwort der im vergangenen Jahr erschienenen vierten Ausgabe des Referenzwerks „The Evolution of Nuclear Strategy“ von Lawrence Freedman und Jeffrey Michaels. Der näher rückende 75. Jahrestag des Abwurfs einer Atombombe über Hiroshima am 6. August 1945 ist für die woxx ein Anlass, auf die Geschichte der Nuklearwaffen zurückzublicken – und sich mit den Gefahren eines erneuten Einsatzes auseinanderzusetzen.

Unterschätzte Bedrohung

Wenn von gefährlichen Atomwaffen die Rede geht, sind meistens, im Zusammenhang mit internationalen Krisen, die Arsenale von Nordkorea und Russland gemeint, vielleicht auch noch das Risiko, dass der Iran zur Atommacht wird. Die Gefahr eines Einsatzes von Nuklearwaffen mag in den letzten Jahren gestiegen sein, doch das hängt nicht nur mit den Drohgebärden jener Länder zusammen, sondern auch mit der Politik der westlichen Atommächte, deren nukleare Sprengköpfe durchaus als erste gezündet werden könnten. Und die Proliferation, also die Verbreitung dieser Waffen über die fünf permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates hinaus, ist auch kein neues Problem (siehe Teil 2: „Kann nichts schaden“).

Das Ende des kalten Krieges erlöste die Menschheit von der Gefahr eines atomaren Konflikts zwischen den beiden Blöcken – und bedeutete das Ende der großen Friedensbewegung der 1980er-Jahre. Neue Bedrohungen haben die vergangenen drei Jahrzehnte geprägt: die „Schurkenstaaten“, der islamistische Terrorismus, der Klimawandel und die Wirtschaftskrisen. Die Unterschätzung der nuklearen Gefahr mag auf den Eindruck zurückzuführen sein, das Gleichgewicht des Schreckens habe 45 Jahre lang die internationalen Beziehungen stabilisiert und einen großen Krieg verhindert – ein Mythos, der zum Beispiel im Buch „Five Myths About Nuclear Weapons“ dekonstruiert wird (woxx 1320: „Dangereuses et inutiles !“).

Mit dieser Serie werden wir zuerst die Geschichte der Atomwaffen rückwärts durchstreifen – auch Luxemburg spielt dabei eine Rolle, sowohl als Nato-Mitglied und -stützpunkt als auch als potenzielles Angriffsziel. Die im Prinzip online erscheinenden Beiträge werden ergänzt durch Artikel, die speziellen technischen und politischen Aspekten gewidmet sind. In der Ausgabe vom 7. August werden wir ausführlich auf die Ereignisse von 1945 eingehen. Danach sind mehrere Artikel zur heutigen Situation geplant. Die Beschäftigung mit den Einsatzdoktrinen der „bösen“ und der „guten“ Atommächte lässt nur den Schluss zu, dass derzeit viele denkbare Szenarien zu einem – eventuell als begrenzt gedachten – nuklearen Schlagabtausch führen. Grund genug, sich damit zu befassen … und dem etwas entgegenzusetzen.

Die Hiroshima-75-Serie in der woxx


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