Die Ablehnung der Nachfolgerin von Sam Tanson durch Staatsrat zeigt: die Nominierungsprozedur bleibt ein Buch mit sieben Siegeln.
Allerdings trägt die hohe Körperschaft ihrerseits wenig dazu bei, das Verfahren transparenter zu gestalten. So ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit herauszufinden, über welchen Vorschlagsweg die aktuellen Mitglieder zu ihrem Mandat gelangt sind. In der chronologischen Liste sämtlicher Staatsratsmitglieder seit 1857 wird nur das Erkennungsjahr sowie der Name der Person erwähnt, deren Posten durch die Ernennung ersetzt wird. Diese Information macht aber wenig Sinn, da die Staatsratsmitglieder seit 1961 abwechselnd von der Regierung (bzw. bis letztes Jahr durch den Großherzog), der Chamber und dem Staatsrat selber vorgeschlagen werden. Das ist umso merkwürdiger, als die der Weg zum ersehnten Posten – je nach Vorschlagsrecht – durchaus unterschiedlich ist.
Am transparentesten ist dies bei den Chamber-Kandidaturen: Dort werden die Namen der Kandidat*innen durchaus öffentlich und auch kontrovers diskutiert, bevor es zu einem Vorschlag an die Adresse des Grand-Duc und somit zur Nomination kommt. Bei den Regierungsvorschlägen ist es schon etwas verschrobener, aber immerhin werden etwaige Kandidat*innen, denen ja in der Regel ein politisches Etikett zugedacht wird, ebenfalls „politisch“ diskutiert und bewertet.
Nur beim Staatsrat werden nicht einmal die Namen der nicht zurückbehaltenen Kandidat*innen (sofern sie sich nicht selber per Communiqué oder ähnlichem geoutet haben) genannt. Hätte Claude Adam seinen Rücktritt als Abgeordneter ein paar Monate früher eingereicht, hätte Sam Tanson ihren Wechsel aus dem Staatsrat ebenfalls früher vollziehen können. Vielleicht wäre ihre von den Grünen angedachte Nachfolgerin dann nicht von eine Staatsratsmehrheit abgelehnt, sondern – turnusmäßig – von einer Chambermehrheit angenommen worden.
Fragwürdig ist auch der Verweis auf die Nichtqualifikation der von den Grünen in Vorschlag gebrachten Präsidentin von ATD Quart Monde, Joëlle Christen: Die Qualifikationswünsche, die der Staatsrat zuvor per Anzeige publik gemacht hatte, sprachen von einem abgeschlossenen juristischen Studium und „guten Kenntnissen“ in Umwelt- und Landesplanungsfragen. Während der erste Teil der Qualifikation eindeutig belegbar ist (und von Joëlle Christen auch erfüllt wird), deutet der zweite Teil allein durch seine Formulierung auf einen gewissen Ermessensspielraum hin, der im Zweifelsfall diesmal nicht für die Kandidatin genutzt wurde.
Sicher, die Grünen haben sich bei der Kandidatur nicht „staatsratskonform“ betragen und „ihre“ Kandidatin all zu früh als die zukünftige Staatsrätin präsentiert … und die politische Techtelmechtel wenige Monate vor den Wahlen wohl unterschätzt.
Auch wenn die Expertise der jetzt zurückbehaltenen Juristin, dem erwarteten Profil anscheinend gerechter wird, erfüllte die grüne Kandidaten durchaus die gesetzten Bedingungen – Parteienproporz inklusive. Alle, die an den Staatsrat und seine nützliche Rolle glauben, sollen doch bitte erklären, wieso eine eher der Privatbesitzer- und Investorenlobby zuzuordnende Juristin den Staat besser beraten soll, als eine erfahrene Familien-Juristin – die sich in ihrer Freizeit für die Belange jener einsetzt, die von Staat und Gesellschaft vergessen wurden.