Agrarprodukte: Leeres Label

Per Gesetz wird ein neues Label eingeführt, das die regionale und nachhaltige Produktion fördern soll. Ein Überblick über Werdegang und Kritik.

Es war einmal ein Minister, der hatte ein Projekt. Der Minister hieß Fernand Etgen, sein Projet de loi war der Zertifizierung von landwirtschaftlichen Produkten gewidmet. Die Idee wurde von allen Seiten gelobt, das konkrete Projekt dagegen von allen Seiten kritisiert. Fünf Jahre, zwei Minister und Dutzende von parlamentarischen Dokumenten später ist das Projekt endlich umgesetzt. Sein Werdegang scheint vergessen, dass es jetzt kritisiert wird, mag normal erscheinen. Berücksichtigt man aber die erste Fassung von 2017 und das Ziel, die Nachhaltigkeit bei Produktion und Konsum zu fördern, so ist das Projekt durch die Konsultationen, Änderungen und Ergänzungen nicht etwa besser, sondern wesentlich schlechter geworden.

„Statt einer bewussten Förderung einer qualitativ hochwertigen regionalen Lebensmittelproduktion – eine Mogelpackung!“, schimpfen Mouvement écologique und Landjugend in einer gemeinsamen Stellungnahme von Dienstag, als über das Gesetz abgestimmt wurde. Die NGOs halten zwar fest, „dass eine neue Gesetzgebung, die die lokale Produktion und Produkte regelt, fördert und gesetzlich verankert, absolut sinnvoll ist“. Doch bei der Umsetzung habe man die Chance vertan, „Akzente im Sinne einer zukunftsorientierten Landwirtschaft, der Förderung der Regionalität und Qualitätsprodukten sowie der Umwelt, dem Klima- und dem Gesundheitsschutz zu setzen und einen reellen Mehrwert für den Verbraucher zu schaffen“.

In der Tat, das Label „Staatlich zugelassen“ werden künftig alle Produkte tragen können, die nationale und europäische Mindeststandards einhalten und das überprüfen lassen. Als Qualitätssysteme werden Produktionsprozesse eingestuft, die zusätzlich eine Reihe von Kriterien erfüllen – in jedem der drei Bereiche Qualität und Geschmack, Regionalität und Solidarität sowie Umwelt und Tierwohl. Diese drei „Qualitätssäulen“ sind ein Überbleibsel des Etgen-Projekts, aktuell ist Claude Haagen Landwirtschaftsminister, doch es war sein Vorgänger Romain Schneider, der 2020 die erste Fassung des jetzt angenommenen Gesetzes vorlegte. Als obligatorisch für Qualitätsprodukte gelten der Verzicht auf Glyphosat sowie der regionale Ursprung. Weil die „Region“ mit einem Radius von 250 Kilometern definiert wurde, sprach Jeff Engelen (ADR) in der Chamber von „Irreführung des Konsumenten“ und der Mouvement befürchtet gar, „dass ein Produzent aus irgendeinem europäischen Land diese Auszeichnung ‚Luxembourg – agréé par l‘Etat‘ erhält“. Der nationalistische Beigeschmack solcher Kritik ändert nichts an ihrer Richtigkeit: 250 Kilometer mögen, gemessen an der globalisierten Landwirtschaft, für „kurze Wege“ stehen, als regional kann man eine Fläche größer als sechsmal Belgien sicher nicht bezeichnen.

Einfach, aber unsinnig?

Dass solche Qualitätssysteme auch nur das Standardlabel erhalten, mag befremden – ursprünglich war ein dreidimensionales Bewertungssystem mit Sternchen geplant. Im Prinzip ist das „Staatlich zugelassen“-Logo als Zusatzlabel zu einem spezifischen Label wie „Bio Lëtzebuerg“ oder „Véi vum Séi“ gedacht. Doch ob das zusätzliche Logo den Verbraucher*innen wirklich hilft, „regionale hochwertige Lebensmittel dank Label auf einen Blick“ zu erkennen, wie es der Mouvement fordert, ist fraglich. Das Abrufen von Detailinformationen über einen QR-Code zu ermöglichen, wie ursprünglich vorgesehen, ist jedenfalls nicht gesetzlich vorgeschrieben – Verwirrung statt Transparenz dürfte das Ergebnis sein.

Ist das so tragisch, wie es klingt? Nicht wirklich, denn angesichts der Ernährungskrise dürfte die Einführung neuer Bio- und Regionallabels sowieso verpuffen. Entscheidend für die Bewältigung von Klimawandel und Nahrungsmittelknappheit ist die Infragestellung des übermäßigen Fleischkonsums – und dazu hätte auch eine bessere Fassung dieses Labelgesetzes wenig beigetragen.


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