Arbeitszeitverkürzung: Kurze Studie

Die Unternehmen sind dagegen, die Gewerkschaften dafür. Die Parteien nutzen das Thema Arbeitszeitverkürzung für Wahlwerbung. Ist da mehr?

Foto: woxx

Die LSAP ist für eine Arbeitszeitverkürzung, das suggeriert der jüngste Social-Media-Post der Partei. Und: Sie bringe laut der von Georges Engel in Auftrag gegebenen Studie Vorteile für Lebensqualität, Produktivität und Standortsicherung. Das angehängte Foto des Arbeitsministers illustriert jedenfalls, dass die Vorwürfe, die Studie diene als Wahlpropaganda für Engel und seine Partei, nicht aus der Luft gegriffen sind. Der Presse wurde das Ergebnis der Arbeit des „Luxembourg Institute of Socio-Economic Research“ (LISER) am Dienstag vorgestellt: Es handelt sich eher um eine Metastudie zum Thema Arbeitszeitverkürzung, die Zahlen und Analysen aus mehreren Ländern zusammenfasst.

Dass die Studie mehr als nur Wahlpropaganda ist, erkennt man schon an ihrem Umfang: 100 Seiten, die 15 Anhänge und 6 Seiten Literaturangaben mitgezählt. Eine 30-seitige Bestandsaufnahme belegt erst einmal, dass in Luxemburg sowohl die legalen als auch die realen Arbeitszeiten pro Woche und Jahr länger sind als in den Nachbarländern – leider nur anhand von Zahlen für das Jahr 2016. Zu den sozialen Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung gehört, wie bei der Vorstellung der Studie betont wurde, dass sie den Beschäftigten mehr Freizeit beschert, die Kaufkraft für den Freizeitkonsum aber sinken kann, wenn es keinen vollen Lohnausgleich gibt. Unerwünschte Nebenwirkungen einer Absenkung der Wochenarbeitszeit gibt es viele, insbesondere wenn, wie vielfach in Luxemburg, Arbeitskräftemangel herrscht: Unternehmen können auf mehr Überstunden zurückgreifen, ihren Beschäftigten flexiblere Arbeitszeiten abverlangen oder einfach nur auf eine Intensivierung der Arbeitsleistung drängen.

Doch auch, wenn es zu Mehreinstellungen kommt, sinkt im Falle Luxemburgs nicht automatisch die Arbeitslosigkeit. Je nach Jobprofil wird die Wirtschaft noch mehr auf Einwanderer*innen und vor allem Grenzgänger*innen zurückgreifen. Bei vielen Fragen weiß das Liser-Team auch nicht weiter: So wünschen sich zwei Drittel der Beschäftigten eine Verkürzung der Arbeitszeit, doch Lohnverluste und mehr Berufsverkehr (durch mehr Beschäftigte) könnten gegebenenfalls die Attraktivität negativ beeinflussen. Für Unternehmen könnten Mehrkosten entstehen, die nicht durch Produktivitätsgewinne ausgeglichen werden. Unterm Strich plädiert die Studie für ein nach Sektoren differenziertes Vorgehen – und für weitere Studien.

Den Sozialpartnern sollte die Studie kurz vor der Pressekonferenz vorgestellt werden – was der Unternehmensverband UEL ausschlug: zu viel Wahlpropaganda, zu wenig Zeit für Diskussionen. Verbandspräsident Michel Reckinger bezeichnete das Arbeitsministerium gar als „Vorzimmer des OGBL“ – eine Provokation, die für den betroffenen Minister in Vorwahlzeiten eher einen Booster darstellt. Über die Klassenkampf-Attitüde hinaus haben die Unternehmen durchaus gute Gründe, eine Arbeitszeitverkürzung abzulehnen. Einerseits laufen sinkende Profite durch einen Lohnausgleich ihrem Eigeninteresse entgegen, andererseits kann sich der Arbeitskräftemangel negativ auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken. Derweil versuchen LSAP und Déi Lénk sich gegenseitig mit Bekenntnissen zur Arbeitszeitverkürzung zu übertrumpfen  – wenig überraschend, sind doch beide Parteien auf die gewerkschaftlich organisierte Wähler*innenschaft angewiesen. Der OGBL spricht sich deutlich für eine Verkürzung aus, ohne sich allerdings auf eine Stundenzahl pro Woche festzulegen.

Kein Öko-Thema?

Bemerkenswert ist, dass im Luxemburger linksgrünen Spektrum das ehemalige Symbolthema Arbeitszeitverkürzung kaum mehr Beachtung findet. Die Studie widmet immerhin ihren letzten Anhang den Interaktionen mit der nachhaltigen Entwicklung. Doch Déi Gréng sehen das Thema Arbeitszeiten vor allem in Zusammenhang mit der Familien- und Gleichstellungspolitik. In Bezug auf Wirtschafts- und Sozialpolitik wollten sie 2018 gerade mal „eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen über eine allgemeine Verkürzung der Wochenarbeitszeit“. Man darf gespannt sein, ob es dieses halbherzigesBekenntnis überhaupt ins diesjährige Wahlprogramm schafft. Die Wahlbroschüre des Mouvement écologique für 2023 zielt ihrerseits auf nachhaltige Entwicklung, weniger Wachstum und eine Veränderung des Lebensstils ab. In Sachen Arbeitszeit beschränken sich die Méco-Forderungen dennoch auf den Congé associatif und – auf gesundheitspolitsche Herausforderungen. Als makroökonomisches Instrument für die „Transition“ wird eine Arbeitszeitverkürzung nicht aufgeführt – vielleicht, weil die Angst vor noch mehr Einwanderer*innen und Grenzgänger*innen zu groß ist.


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