Congé de naissance: „All Dag zielt“

Ab sofort können auch gleichgeschlechtliche Paare vom zehntägigen „Congé de naissance“ Gebrauch machen. Die Bedingungen dafür dürften jedoch nur die wenigsten Betroffenen erfüllen.

Lesbische Frauen, die hierzulande ein Kind bekommen, werden auch künftig nicht auf den „congé de naissance“ ihrer Partnerin zählen können. (Foto: Mark Colomb/flickr.com)

„Meilenstein“. Mehr als einmal fiel dieser Begriff am Dienstagnachmittag in der Plenarsitzung der Chamber. Bezogen wurde sich dabei auf das zur Abstimmung vorliegende Gesetz 8017. Sowohl Freischaffenden als auch dem zweiten Elternteil soll es künftig unabhängig vom Geschlecht und der sexuellen Orientierung möglich sein, nach der Geburt des eigenen Kindes, zehn Urlaubstage in Anspruch zu nehmen. Der bisherige „Pappecongé“ gilt demnach nicht mehr nur für cis Männer mit Festanstellung und wird dadurch zum inklusiveren „Gebuertscongé“.

Von dieser zehntägigen Freistellung, so der zuständige Berichterstatter Dan Kersch (LSAP), hätten gleichgeschlechtliche Paare bisher nur bei der Adoption eines Kindes profitieren können. Das vorliegende Gesetz ermögliche es, dieser Ungleichbehandlung ein Ende zu setzen. „Gläichgeschlechtlech Koppele konnte bis haut net vun engem Congé de naissance profitéieren“, verkündete Djuna Bernard im Namen der grünen Fraktion, mit der Implikation, dass betroffene Paare seit vergangenem Dienstag uneingeschränkt von diesem Recht Gebrauch machen können. In eine ähnliche Richtung ging Sven Clements (Piratepartei) Rede, als er in der Vergangenheitsform über die Ungleichbehandlung von Freischaffenden und gleichgeschlechtlichen Paaren sprach: „Dass dat ganz offensichtlech eng inakzeptabel Ongläichbehandlung war, muss ech sécher net laang erklären.“

Im entsprechenden Gesetzestext wird nach wie vor die Formulierung „congé de paternité“ benutzt, auch wenn es längst nicht mehr nur um Väter geht. Grund dafür ist die im Juli 2019 in Kraft getretene europäische Richtlinie, welcher das Gesetz 8017 Rechnung trägt: Neben dem Elternurlaub, dem Urlaub für pflegende Angehörige und der Arbeitsfreistellung aufgrund höherer Gewalt schreibt diese auch Maßnahmen bezüglich des sogenannten „Vaterschaftsurlaubs“ vor. Laut dieser Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten bis August 2022 sicherstellen, dass „Väter oder – soweit nach nationalem Recht anerkannt – gleichgestellte zweite Elternteile, Anspruch auf zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub haben, der anlässlich der Geburt des Kindes des Arbeitnehmers genommen werden muss“.

Am Dienstag nutzten mache Fraktionen ihre Redezeit, um eine Lanze für den inklusiveren Begriff „congé de naissance“ zu brechen. „D’Terminologie vum Gebuertscongé ass en Terme, deen och de sëlleche Reeboufamillje gerecht gëtt“, argumentierte etwa Djuna Bernard. Ob dieses Plädoyer unbedingt nötig gewesen wäre, ist fraglich, störte sich innerhalb der Abgeordnetenkammer doch einzig die ADR daran. Dieser ist allerdings weniger der Begriff als vielmehr die Stärkung der Rechte homosexueller Eltern insgesamt ein Dorn im Auge.

„Et ass lo vill geschwat ginn iwwer Ongläichbehandlung, mee et muss een och kloer soen, dass wann eng Situatioun objektiv ënnerschiddlech ass, da ka se och ënnerschiddlech traitéiert ginn. Et besteet keng Obligatioun fir objektiv ënnerschiddlech Situatiounen d’selwecht ze behandelen, well dat rëm eng Quell vun Diskriminatioune kann duerstellen“, verlautbarte Fernand Kartheiser. Die ADR spreche sich uneingeschränkt dafür aus, dass jedes Kind über eine Mutter und einen Vater verfüge und beide Geschlechter für die Entwicklung des Kindes wichtig seien.

Die Regierungsparteien und Déi Lénk legten sich ins Zeug, um sich von dieser Position abzugrenzen. „Dir Dammen an dir Hären, d’Léift vun de Kanner par Rapport zu hiren Elteren a vun den Elteren par Rapport zu hiren Kanner, déi kennt kee Sexe, déi ass inconditionnel. Dat ass meng absolut Iwwerzeegung a vill, ganz vill Etuden, gi mir och Recht doran. Och wann hei riets Leit sinn, déi dat vläicht net sou gesinn“, so Arbeitsminister Georges Engel (LSAP).

Nicht unwichtiges Detail

Angesichts der zahlreichen enthusiastischen Reden rückte ein nicht unwichtiges Detail in den Hintergrund: Das luxemburgische Recht erkennt zurzeit keinen dem Vater gleichgestellten zweiten Elternteil an. Dafür müsste nämlich erst der Gesetzentwurf 6568A gestimmt werden. Dieser befindet sich seit zehn Jahren auf dem Instanzenweg und es ist fraglich, ob sich daran vor den Nationalwahlen noch etwas ändern wird. Die überragende Mehrheit homosexueller Mütter und Väter konnte also nicht nur „bis haut“, wie Bernard es formulierte – also bis letzten Dienstag – keinen „Gebuertscongé“ in Anspruch nehmen: Sie werden es voraussichtlich auch in den nächsten Monaten oder gar Jahren nicht tun können!

Auf diesen Umstand hatte auch der Staatsrat in seinem im Oktober 2022 veröffentlichten Gutachten hingewiesen. „Ainsi, à défaut d’adaptation de la législation luxembourgeoise, l’article sous examen n’est donc pas applicable aux parents de même sexe dont les enfants sont nés et déclarés au Luxembourg.“ Es frage sich demnach, für wen das Gesetz 8017 zum Tragen komme. Die hohe Körperschaft verlangte diesbezüglich eine größere Klarheit.

Dem wurde von der Arbeitskommission Rechnung getragen. So sei mit „législation nationale“ nicht zwingend die luxemburgische gemeint: Bekommt ein lesbisches Paar in einem Land, in dem die Co-Mutterschaft automatisch anerkannt wird (zum Beispiel in Frankreich), ein Kind, so kann die nicht-gebärende, in Luxemburg arbeitende Mutter, den „congé de naissance“ in Anspruch nehmen.

Dass sich queere Paare, deren Kind in Luxemburg geboren und angemeldet wurde, noch gedulden müssen, bevor sie in den Genuss dieses „Meilensteins“ kommen, wurde bei der entsprechenden Debatte von niemandem explizit angesprochen. Georges Engel merkte lediglich am Rande an: „An deem Kader hoffe mer natierlech och, dass dann de Projet de Loi 6568A, portant réforme de la filiation, och gläich kann eng Kéier hei gestëmmt ginn.“ Im Presseschreiben des Arbeitsministeriums hieß es am Dienstagabend indes: „Dorénavant, la personne reconnue comme second parent de naissance selon la législation nationale applicable en vertu du lieu de résidence ou de la nationalité de l’enfant peut également bénéficier de ce congé extraordinaire de dix jours.“

Foto: pixabay.com

Man muss sich schon gut mit der hiesigen Gesetzeslage auskennen, um zu wissen, was dies nun konkret für gleichgeschlechtliche Eltern bedeutet. Die Presse war diesbezüglich leider auch keine Hilfe. „Congé de paternité étendu à tous“, betitelte die Gratiszeitung L’Essentiel am Mittwoch einen entsprechenden Artikel. „L’accès au congé extraordinaire de 10 jours ouvrables lors de la naissance ou de l’adoption d’un enfant sera élargi aux couples de personnes de même sexe (père ou « second parent de naissance ») et aux travailleurs indépendants“, so die irreführende Information im Quotidien.

Queere Eltern, die auf dieser Basis den „Congé de naissance“ anfragen, dürften eine böse Überraschung erleben. Nach wie vor müssen betroffene Elternteile ihre Kinder nämlich adoptieren. Und selbst dann haben sie, anders als die anfangs zitierte Aussage von Kersch glauben macht, kein Anrecht auf einen „congé de naissance“, sondern lediglich auf den „congé d’accueil“.

Der Unterschied zwischen diesen beiden „Congés“ ist beträchtlich. Muss ersterer unmittelbar nach der Geburt des Kindes genommen werden, so ist dies bei letzterem überhaupt nicht möglich. Bekommt ein lesbisches Paar gemeinsam mittels künstlicher Befruchtung ein Kind, so wird lediglich die gebärende Mutter automatisch als solche anerkannt. Die nicht-gebärende Mutter ihrerseits kann nur mittels Adoption ein Abstammungsverhältnis zum Kind herstellen, den entsprechenden Antrag darf sie aber erst drei Monate nach der Geburt stellen. Auf einen entsprechenden Termin vor Gericht muss dann erneut mehrere Monate gewartet werden. Zum Zeitpunkt, wo die Adoption genehmigt wurde und der zehntägige „congé d’accueil“ in Anspruch genommen werden kann, ist das Kind also mindestens fünf Monate alt. Mit einem „Gebuertscongé“ lässt sich das kaum vergleichen.

An der Lebensrealität vorbei

„All Dag zielt, wann et drëms geet, e Puppelche bei sengem Start an d’Liewe begleeden ze kënnen.“ Diese Einschätzung äußerte Sven Clement nicht etwa in Bezug auf die vielen gleichgeschlechtlichen Paare, die weiterhin kein gesetzliches Anrecht auf den „congé de naissance“ haben. Vielmehr erklärte er mit dieser Aussage, weshalb die Piratepartei trotz Kritikpunkten für das Gesetz 8017 stimme.

Ginge es nach der Piratepartei, betrüge der „Gebuertscongé“ nämlich nicht nur zehn Tage, sondern drei Monate. „Da kann den Egalitéitsministère souvill Suen an de Grapp huele wéi e wëll, fir schéi faarweg Campagne géint Stereotypen: Sou-
laang d’Aarbechtsopdeelung doheem sou ausgesäit, dass d’Mamm sech vun Ufank u méi ëm d’Haus an d’Kanner këmmere soll – jo muss – well d’Partnerin oder de Partner nees schaffe goe muss, ginn d’Mammen an eng Roll gedrängt, fir déi si sech net onbedéngt fräi entscheed hunn.“ Es ist offensichtlich, dass sich Clement bei diesem Beispiel auf heterosexuelle Paare bezog. Daran ändert auch sein inklusiver Sprachgebrauch nichts.

Die Art, wie sich vor allem die Regierungsfraktionen am Dienstag für ihr fortschrittliches neues Gesetz selbst beglückwünschten, steht in starkem Kontrast zum Umstand, dass sich für die meisten in Luxemburg lebenden gleichgeschlechtlichen Paare nichts zum Besseren ändert. Es scheint, als sei das Bedürfnis, der ADR eins auszuwischen, stärker, als jenes, eine de facto Gleichstellung von heterosexuellen und queeren Eltern zu schaffen.

Bei der Debatte am Dienstag wurde jedenfalls an der Lebensrealität gleichgeschlechtlicher Paare mit luxemburgischer Staatsbürgerschaft vorbei diskutiert. Es ist höchste Zeit, dass die Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer diverser wird. Es kann zumindest erwartet werden, dass sich Politiker*innen damit auseinandersetzen, was die Gesetze, für die sie eine Ja-Stimme abgeben, in der Praxis für jede*n einzelne*n bedeuten.

„Wa mer an e Gebuertscongé investéieren, investéiere mer an déi Klengsten a Vulnerabelsten an eiser Gesellschaft“, so Clement am Dienstag in der Plenarsitzung. Die meisten Kinder queerer Eltern gehen diesbezüglich weiterhin leer aus.

„Es scheint, als sei das Bedürfnis, der ADR eins auszuwischen, stärker, als jenes, eine de facto Gleichstellung von heterosexuellen und queeren Eltern zu schaffen.“


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