Wichtiger als die Erfolgsmeldung zu den Verbrennungsmotoren sind die kaum thematisierten Entscheidungen über Reduktionsziele und -mittel.
Es gibt gute und schlechte Nachrichten. Die guten posaunt man hinaus, die schlechten versucht man schönzureden. Oder man verschweigt sie, auf den Ablenkungseffekt der guten hoffend. So halten es viele Akteur*innen nach den jüngsten klimapolitischen Beschlüssen von Parlament und Rat der Europäischen Union.
Die gute Nachricht lautet: 2035 ist es aus mit den Verbrennungsmotoren in Autos. Dieses Datum hat das Europaparlament (EP) am 22. Juni im Rahmen der Abstimmung über das „Fit for 55“-Programm bestätigt. Am 28. Juni einigten sich dann die Umweltminister*innen auf das Gleiche – diesen Punkt werden sie im anstehenden Trilog schnell abhaken. Doch schon die gute Nachricht klingt besser als sie ist: Verboten wird ab dem Jahr 2035 der Verkauf von diesel- und benzingetriebenen Fahrzeugen, sie werden aber nicht automatisch aus dem Verkehr gezogen. Groß ist das Risiko, dass der Straßenverkehr auch danach noch jahrelang viel CO2 generiert. Insbesondere, weil der Rat für die Übergangszeit lasche Emissionsnormen vorsieht und auf deutschen Wunsch ein Schlupfloch für E-Fuel-Antriebe eingebaut hat. Völlig ausgeblendet blieb die Frage, ob das Modell Individualverkehr in seiner elektromobilen Variante wirklich als nachhaltig angesehen werden kann. Viele Nachteile des Autoverkehrs bleiben bei einer 1:1-Umstellung auf E-Cars bestehen, abgesehen von ihrem großen Strom- und Ressourcenverbrauch.
Der Sozialfonds ist eine Lösung für ein Problem, das man ohne das ETS II nicht hätte.
Als „besonders wichtig“ bezeichnet die EU-Abgeordnete Tilly Metz (Déi Gréng) in einer Pressemitteilung, dass die kostenfreien Emissionsrechte, im Rahmen des „Emissions Trading System“ (ETS) nunmehr 2032 auslaufen sollen. Zur Erinnerung: Vor drei Wochen hatten die fortschrittlichen Fraktionen im Parlament das „Fit for 55“-Paket blockiert, weil unter anderem diese Zertifikate bis 2034 vergeben werden sollten. Dies, obwohl der EP-Umweltausschuss 2030 vorgeschlagen hatte. 2032 ist also nichts als ein fragiler Kompromiss, umso mehr als der Ratsbeschluss für die kostenfreien Emissionsrechte kein Enddatum vorzusehen scheint.
Metz hätte sich auch „mehr Ehrgeiz hinsichtlich einer tatsächlichen Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gewünscht“ – es geht um die CO2-Reduktionen, die bis 2030 mit dem ETS erzielt werden sollen. Ihr deutscher Fraktionskollege Michael Bloss wird in einer Stellungnahme auf Euractiv deutlicher: Mit dem Kuhhandel einer Senkung um 63 % „werden wir nicht imstande sein, das 1,5-Grad-Klimaziel zu erreichen“. Er habe nur deshalb den Kompromiss mitgetragen, weil sonst nicht einmal sicher sei, dass die EU das Pariser „Unter zwei Grad“-Ziel einhalte. Die Anfang des Monats abgelehnte Textfassung sah auch schon 63 % vor. Die Kommission hatte ursprünglich nur 61 % vorgeschlagen, die fortschrittlichen Parlamentsfraktionen 67 % verlangt und die NGOs wie Climate Action Network gehen von einem für das 1,5-Grad-Ziel notwendigen Minimum von 70 % aus.
Eine katastrophale Nachricht also für die Klimabewegung, die sich an politischen Zielvorgaben orientiert. Die EU-Kommission hingegen setzt eher auf den Markt, um die Erderwärmung zu begrenzen. So soll das ETS für energie- intensive Industrien durch ein zweites für die Emissionen von Verkehr und Heizen ergänzt werden, das Preissignale für die Endverbraucher*innen setzt. Ein aus den Einnahmen des Emissionshandels gespeister Sozialfonds soll die Belastung der einkommensschwachen Haushalte abfedern. Das ist in den Augen von Metz ein „Lichtblick“ – Kritiker*innen sehen darin eher eine Lösung für ein Problem, das man ohne das ETS II nicht hätte. Das Konfliktpotenzial ist umso größer, als der Vorschlag, die Kosten des ETS II zur Hälfte direkt bei den Energieunternehmen zu belassen, im Rat abgelehnt wurde.
Unterm Strich ist die europäische Klimapolitik ihren Zielen nicht gewachsen, sie wird auch noch die sozialen Gegensätze verschärfen. Wenn sich das, so um das Jahr 2030, nicht mehr leugnen lässt, kommt es auf die eine oder andere Weise zu radikalen Veränderungen. Kein guter Plan.