EU-Taxonomie: Nachhaltig verstrahlt

Statt strenge Regeln für nachhaltige Investitionen aufzustellen, spielt die EU-Kommission „Jurassic Park“ und erweckt Dinosaurier wie Kernkraft und Erdgas zum Leben.

Foto: CC0 1.0 Carol M Highsmith

Uran wird oft als leuchtend grün dargestellt, etwa in Filmen oder Comics. Das entspricht nicht der Realität, denn das radioaktive Metall ist eigentlich silbergrau. So verhält es sich auch mit der Kernkraft und ihrer vorgeblichen Nachhaltigkeit. Am Silvesterabend, kurz vor dem Jahreswechsel, veröffentlichte die EU-Kommission ihren neusten Vorschlag der Taxonomie für nachhaltige Investitionen. Nachdem bereits viele Wirtschaftsbereiche reglementiert sind, fehlten noch Richtlinien für Erdgas und Kernkraft. Diese sind nun da: Beide Energieformen können als „nachhaltig“ eingestuft werden.

Das heißt, dass Investor*innen oder kleine Sparer*innen ein Finanzprodukt kaufen könnten, das sich als nachhaltig nach der EU-Taxonomie bezeichnet – und damit Gas- oder Kernkraftwerke finanzieren würden. Man muss sich nichts vormachen: Das passiert bereits heute. Auch in Luxemburg, dem angeblichen Zentrum der grünen Finanz, werden massenhaft Fonds als ökosozial und nachhaltig zertifiziert, die in Firmen investieren, die ihr Geschäft mit fossilen Energien machen. Die Taxonomie sollte genau das verhindern und mit klaren und nachvollziehbaren Kriterien dem Greenwashing ein Ende bereiten.

Nun ist aber das Gegenteil passiert: Es soll weiter in Gasinfrastruktur und Kernkraftwerke investiert werden, weil diese angeblich als „Brückentechnologie“ dienen. Es lässt sich wunderbar darüber streiten, ob manche Kernkraftwerke nicht noch ein paar Jahre länger laufen sollen, um Zeit zu gewinnen, bis genügend Systeme installiert sind, die erneuerbaren Strom produzieren. Dafür ist aber kein Geld von den Finanzmärkten nötig – das braucht es, um in neue Anlagen zu investieren. Deren Konzeption und Bau würde ohnehin viel zu lange dauern, vor allem wenn neue Mini-Reaktoren entwickelt werden sollten.

Auch wenn die Kommission vermeintlich strenge Regeln für „nachhaltige“ Erdgaskraftwerke aufgestellt hat: Wer in den 2020er-Jahren noch in diese fossile Energieform investiert, wird sie in den nächsten Jahrzehnten benutzen wollen, um Rendite zu sehen. Wenn das passiert, verpassen wir das 1,5-Grad-Ziel ganz sicher. Da bringt es dann auch nichts, wenn dem fossilen Erdgas zur Augenwischerei etwas erneuerbarer Wasserstoff beigemischt wird.

Jeder Cent, der in Kernkraft oder Erdgas investiert wird, kann nicht in Fotovoltaik, Wind- oder Wasserkraft investiert werden.

Jeder Cent, der in Kernkraft oder Erdgas investiert wird, kann nicht in Fotovoltaik, Wind- oder Wasserkraft investiert werden. Mit erneuerbaren Energien lässt sich Strom ohnehin billiger produzieren. Schon 2020 bestätigte die Internationale Energieagentur, dass Fotovoltaik die günstigste Energieform geworden ist. Insofern stellt sich die Frage, ob die „grünen“ Label für Gas und Atom in der Taxonomie nicht eher dazu dienen sollen, diese Energieerzeugungsformen künstlich am Leben zu erhalten.

Gegen die Aufnahme von Kernkraft hat Luxemburg gemeinsam mit Deutschland, Portugal, Dänemark und Österreich Stellung bezogen. Mit Letzterem würde die Regierung auch juristische Schritte gegen die Taxonomie in Betracht ziehen. Das Thema betrifft jedoch nicht nur Claude Turmes und Carole Dieschbourg (Déi Gréng), sondern auch die neue Finanzministerin Yuriko Backes (DP). Wenn sie das Image des „grünen“ Finanzplatzes Luxemburg verteidigen will, sollte sie ihr ganzes diplomatisches Geschick einsetzen, um den Kommissionsvorschlag zur Taxonomie noch zu verhindern. Gelingt das nicht, wird Luxemburg neben dem Label „Steuerparadies“ auch jenes der „Greenwashingmachine“ erhalten.


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