Green Finance: Schall und Rauch

Vermeintlich nachhaltige Finanzprodukte boomen in Luxemburg. Doch die Luxemburger Gesetze 
fördern Greenwashing.

Fünf Prozent nachhaltige Investitionen reichen, damit ein Fonds in Luxemburg von Steuererleichterungen profitieren kann. (Foto:Towfiqu Barbhuiya/Unsplash)

„Wissen Sie, wie viele Fonds überhaupt von der reduzierten Taxe d’abonnement profitieren? Zwei! Und morgen ist es vielleicht gar keiner mehr!“, so der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar Mitte Dezember 2022 im Parlament. Anlass war die Debatte um das Budgetgesetz 2023: Darin hatte die Regierung eine Anpassung der reduzierten Taxe d’abonnement für nachhaltige Fonds vorgesehen. Investitionen in Gas- und Kernkraft zählen in Luxemburg nicht mehr als nachhaltig, auch wenn sie konform mit der europäischen Taxonomie sind.

Mosar sorgt sich also um die Zukunft der Fusionsenergie – eine Technik, von der schon seit 50 Jahren erzählt wird, dass sie in den nächsten Jahrzehnten Marktreife erreichen wird. Seine Sorge ist indes eher unbegründet: Da die Forschung auf diesem Gebiet vor allem von staatlichen Laboren und in internationalen Projekten vorangetrieben wird, ist vermutlich nicht damit zu rechnen, dass eine in Luxemburg nicht mehr reduzierte Taxe d’abonnement den erhofften technologischen Durchbruch verhindern wird.

Wie sicher sich der CSV-Abgeordnete mit seiner Aussage war, kann man bezweifeln –knapp zwei Wochen zuvor nämlich hatte er bei Finanzministerin Yuriko Backes (DP) nachgefragt, wie viele Fonds von einer reduzierten Taxe d’abonnement profitieren würden. Erst knapp zwei Wochen nach der zitierten Debatte bekam er allerdings eine Antwort: 934 „organismes de placement collectif“ (OPC) profitierten demnach von mindestens einer der vier Möglichkeiten, die es gibt, um die Taxe d’abonnement zu reduzieren. Das entspricht 47 Prozent der OPC in Luxemburg, wie das Finanzministerium auf Nachfrage der woxx mitteilte.

Schmutzige Steuererleichterungen

Gibt es in Luxemburg also tatsächlich 934 grüne Fonds, die von einer großzügigen Steuerreduktion profitieren? Leider sind unter dieser Zahl alle Fonds subsumiert, die weniger als die üblichen 0,05 Prozent Steuer zahlen – nur eine der vier Möglichkeiten ist für jene Fonds reserviert, die zum Teil konform mit der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen sind. Auch für Investitionen in Geldmarktinstrumente und für institutionelle Investor*innen existieren Steuererleichterungen.

Auf die Bitte der woxx, die Zuordnung der Fonds zu den einzelnen Kriterien zu präzisieren, antwortete das Finanzministerium, die genauen Zahlen seien nicht eindeutig zu ermitteln. Fonds können demnach verschiedene Sub-Fonds haben, die in jeweils unterschiedliche Kategorien fallen können. Deswegen sei es auch nicht möglich zu beziffern, auf wie viele Steuereinnahmen der Staat zugunsten vermeintlich grüner Fonds verzichtet. Eine Studie, die Pricewaterhousecoopers für die Luxembourg Sustainable Finance Initiative (LSFI) durchführte, ergab, dass das verwaltete Vermögen nachhaltiger Fonds Ende Juni 2022 insgesamt 2,2 Billionen Euro betrug. Dies seien knapp 55 Prozent des gesamten Vermögens, das in Fonds verwaltet wird. Wie viele von diesen Fonds von der reduzierten Taxe d’abonnement profitieren, ist jedoch nicht angegeben.

Dabei sind die Steuererleichterungen, die seit 2021 vermeintlich nachhaltigen Fonds gewährt werden, durchaus beträchtlich und es ist vergleichsweise einfach, von ihnen zu profitieren. Um auf die erste Stufe (Steuererleichterung 0,04 Prozent) zu gelangen, müssen lediglich fünf Prozent des Nettovermögens eines Fonds taxonomiekonform angelegt sein. Noch niedrigere Steuerstufen gibt es jeweils bei 20, 35 und 50 Prozent „grünen“ Anlagen. Für Fondsmanager*innen gibt es also keinen Anreiz, einen komplett nachhaltigen Fonds zusammenzustellen: Die höchste Steuererleichterung gibt es schon bei einem Anteil von 50 Prozent.

Das verleitet geradezu zum Greenwashing der Fonds. „Es reicht nicht, Teile einer Investition als ‚nachhaltig‘ oder ‚taxonomiekonform‘ zu deklarieren und von der reduzierten Taxe d’abonnement zu profitieren, wenn die anderen Teile in ‚schmutzige‘ Firmen investieren, die hohe CO2-Emissionen verursachen“, so Martina Holbach, die bei Greenpeace Luxemburg für Klima und Finanzen zuständig ist, gegenüber der woxx.

Auch journalistische Recherchen bestätigen diese Praxis. Ende November 2022 kam ein internationales Journalist*innenteam unter der Leitung der Investigativ-Plattform „Follow the money“ zu dem Ergebnis, dass von 838 Fonds, die sich als „dunkelgrün“, also besonders nachhaltig, labelten, rund die Hälfte dennoch in fossile Energien oder Fluggesellschaften investierten.

Greenwashing-Initiative

Eine ernüchternde Bilanz also, die quer zu der propagierten Politik zu stehen scheint: Nicht nur wirbt die Regierung mit der angeblich grünen Luxemburger Finanzindustrie – zum Beispiel im nationalen Energie- und Klimaplan; sie wehrte sich in der Vergangenheit auch vehement dagegen, dass bestimmte Investitionen in fossiles Gas und Kernkraft laut der EU-Taxonomie als „nachhaltig“ galten.

Vergangenen Dezember dann die entsprechende Neuregelung für Fonds im Budgetgesetz. Eine Regelung jedoch, von der derzeit überhaupt keine Fonds betroffen sind, wie uns das Finanzministerium mitteilte. Also vor allem eine PR-Aktion, mit der die Regierung sich vor allem selbst grünwaschen wollte?

Foto: CC BY-SA 2.0 Bert Kaufmann

Laut Greenpeace-Expertin Holbach liegt der Grund eher in den komplexen Regeln der Taxonomie selbst. Es erstaune sie nicht, dass die Taxonomiekonformen Fonds noch keine Investitionen in neue Atom- und fossile Gaskraftwerke enthalten: „Die Anforderungen an neue Atomanlagen und fossile Gaskraftwerke sind sehr hoch, so dass davon auszugehen ist, dass es vermutlich noch gar keine Anlagen in Europa gibt, die diesen Kriterien entsprechen und die von der Reduktion der Taxe d’abonnement profitieren könnten.“

Grundsätzlich könnten Fondsmanager*innen die Aktien für Gas- und Kernkraftunternehmen auch einfach verschieben und die Fonds anders zusammenstellen, um eine andere Kategorisierung zu ermöglichen, so die Greenpeace-Mitarbeiterin: „Für Investoren ist die Situation unbefriedigend, da es keine Mindestkriterien für nachhaltige Fonds gibt. Wenn es hier keine Lösung gibt, werden die Investoren das Vertrauen verlieren.“

Für Fondsmanager*innen ist die Taxonomie bei Weitem nicht das erste Werkzeug für die Zusammenstellung ihrer Fonds. Das ergab die „European Sustainable Finance Survey 2022“, die der deutsche Thinktank Adelphi durchführte. Da die Studie längst nicht alle nachhaltigen Optionen abdecke, sei es aber auch hier nicht möglich, anhand der Ergebnisse eine Negativauslese durchzuführen. Das größte Problem sei aktuell ohnehin die Verfügbarkeit von Daten. Wenn überhaupt Nachhaltigkeitsdaten zu bestimmten Unternehmen existierten, sei es oft sehr schwer, diese auszuwerten und zu vergleichen, so die Analyse.

Um die Akteur*innen der Finanzindustrie bei solchen Problemen zu unterstützen und sie grundsätzlich für nachhaltige Investitionen zu sensibilisieren, haben Finanzministerium, Umweltministerium und „Luxembourg for Finance“ im Februar 2021 die Luxembourg Sustainable LSFI ins Leben gerufen. Diese steht ebenfalls in der Kritik, und mit ihr die entsprechende Nachhaltigkeitsstrategie (LSFS).

Kreative Lösungen gesucht

So ist beispielsweise Greenpeace nicht begeistert von der Arbeit der Initiative: „2021 haben wir eine fundierte Kritik an der LSFS veröffentlicht“, so Holbach. „Für uns ist klar: Der Schwerpunkt der LSFS liegt vor allem in der Werbung für einen angeblich nachhaltigen Finanzsektor. Sie enthält jedoch keine Analyse des Status quo, was die Nachhaltigkeit des Finanzsektors angeht. Das wäre jedoch nötig, um Ziele setzen und Maßnahmen ausarbeiten zu können, um den Sektor wirklich nachhaltig zu gestalten.“

Konkrete Unterstützung, die vor allem Manager*innen kleinerer Fonds laut der Adelphi-Umfrage bei der Analyse von Taxonomierelevanten Daten bräuchten, finden sie bei der LSFI eher nicht. Zwar werden per Internetauftritt Webinars angeboten, doch wer sich die letzten Publikationen ansieht, stößt dort zuerst auf die Kritik der Bankengesellschaft ABBL an jener von Greenpeace, die ein „Mystery Shopping“ durchführte und schwerwiegende Mängel bei der Beratung von Kund*innen, die sich für nachhaltige Finanzprodukte interessierten, feststellte (siehe woxx 1709 und 1710). Die LSFI sieht sich wohl tatsächlich als ein Marketingsinstrument, das den hiesigen Finanzplatz grünwaschen und vor Kritik schützen soll.

Dabei wäre doch gerade am Luxemburger Finanzplatz enorm viel Know-How und vor allem Geld vorhanden, mit dem ein nachhaltiger Umbau der Wirtschaft vorangetrieben werden könnte – sofern ein solcher in einer Marktwirtschaft überhaupt möglich ist. Martina Holbach ist der Meinung, dass Luxemburg selbstständig strengere Regeln einführen sollte, ohne auf die EU zu warten; die Reduktion der Taxe d’abonnement habe es ja ebenfalls eigenständig umgesetzt. Entsprechend könnten „ganz leicht andere, zielführendere Nachhaltigkeitskriterien“ für den gesamten Fondsbereich entwickelt werden: Es könnten zum Beispiel nur jene Fonds eine Reduktion der Abonnementssteuer bekommen, die konform mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens sind, die zum Biodiversitätsschutz beitragen und gewisse soziale Kriterien erfüllen. Ich bin mir sicher, dass die Regierung kreativ genug ist, um eine gute Lösung zu finden – wenn sie denn wollte.“

Mosars Ausführungen vom Dezember legen nahe, dass die CSV plant, den Luxemburger Finanzplatz und seine Ausrichtung zum Wahlkampfthema zu machen. Das läuft Gefahr, zu einem Gefecht mit Nebelkerzen zu werden, denn bei so wenig Zahlen zu den Steuervorteilen für vorgeblich nachhaltige Fonds lässt sich alles mögliche behaupten. Wer hinter die vorgeblich grüne Fassade des Finanzplatzes blickt, sieht: Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass die Luxemburger Fondsindustrie tatsächlich aktiv den Kampf gegen die Klimakrise unterstützt. Sie hat aber dafür auch wenig Anreize.

Der Schwerpunkt der LSFS liegt vor allem in der Werbung für einen angeblich nachhaltigen Finanzsektor.
Martina Holbach, 
Greenpeace Luxemburg


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