Wem die ersten beiden Staffeln von „Sex Education“ gefielen, wird auch bei der dritten auf seine*ihre Kosten kommen. Schade nur, dass sich die Serie immer noch nicht ganz von ihrem heteronormativen Blickwinkel lösen kann.
Der Artikel enthält Spoiler zur ersten und zweiten Staffel.
Als die Netflix-Serie „Sex Education“ 2019 erstmals über die Bildschirme flimmerte, überschlugen sich die Kritiker*innen vor Begeisterung. Es hätte wahrscheinlich die wenigsten überrascht, wenn die Macher*innen ihr Pulver nach diesen ersten zehn Folgen verschossen hätten. Spätestens seit im Herbst die dritte Staffel veröffentlicht wurde, ist jedoch klar: Die Tragikomödie hält ihr beachtliches Niveau.
Wie nicht anders zu erwarten, geht es auch in der neuen Staffel von „Sex Education“ wieder viel um Sex und Beziehungen. Um sich von Maeve (Emma Mackey) abzulenken, testet Otis (Asa Butterfield) aus, ob er auch mit unverfänglichen Affären glücklich werden könnte. Maeve, die wiederum versucht über Otis hinwegzukommen, verbringt zunehmend Zeit mit dem an ihr interessierten Isaac (George Robinson). Eric (Ncuti Gatwa) und Adam (Connor Swindells) genießen ihr neues Liebesglück – auch wenn ihnen die Kommunikation über Sex nicht ganz leichtfällt. Wie in der vorangegangenen Staffel nimmt auch wieder das Beziehungsleben von Otis’ Mutter Jean (Gillian Anderson) einen zentralen Platz ein. Diesmal geht es vor allem darum, wie sie und ihr Partner Jakob (Mikael Persbrandt) mit Jeans ungeplanter Schwangerschaft umgehen.
Enttäuschend wenig Raum nimmt auch diesmal wieder lesbische Liebe ein. Ola (Patricia Allison) und Lily (Tanya Reynolds), die mittlerweile ein Paar sind, kommen zwar in den meisten Folgen vor. Abgesehen von Olas Skepsis gegenüber Lilys Alien-Fetisch wird ihre Beziehung jedoch kaum thematisiert.
Schade ist auch, dass die asexuelle Florence (Mirren Mack) in dieser Staffel nicht mehr vorkommt. So sehr die Macher*innen von „Sex Education“ auch für LGBTIQA-Anliegen sensibilisiert sind, mit dem „A“ scheinen sie über einen Coming-out-Plot hinaus nicht viel anfangen zu können.
Dafür wagen sie sich in dieser Staffel aber an einige neue Themen heran. Neben Sex mit Behinderung ist dies etwa auch sexualisierte Gewalt: Nachdem Aimee (Aimee Lou Wood) in der zweiten Staffel sexuell belästigt wurde, ist sie nun in Therapie. Ob die von ihr als „commitment animal“ bezeichnete Ziege ihr wirklich bei der Traumabewältigung hilft, ist zwar zweifelhaft – als Running Gag funktioniert das Tier aber allemal. Anders als dies vermuten lassen könnte, wird die Problematik aber mit dem nötigen Ernst behandelt.
Neben sexueller widmet sich die Serie in dieser Staffel auch erstmals geschlechtlicher Vielfalt: Gleich zwei neue Figuren identifizieren sich als nicht-binär. Thematisiert wird vor allem die Diskriminierung, die sie erfahren, wenn von ihnen erwartet wird, sich bei Kleidung oder Toiletten zwischen solchen für Männer und solchen für Frauen entscheiden zu müssen. Als der bis dahin heterosexuell lebende Jackson (Kedar Williams-Stirling) sich in die*den, von der*dem nicht-binären Schauspieler*in Dua Saleh verkörperte*n Cal verknallt, muss er sich erstmals damit auseinandersetzen, ob er queer ist beziehungsweise an einer queeren Beziehung interessiert ist.
So inklusiv „Sex Education“ auch ist, den mit Abstand größten Raum widmet die Serie nach wie vor heterosexuellen cis Figuren. Leider ist das nicht die größte Schwäche der dritten Staffel. In der ersten Folge erhält das Moordale Gymnasium eine neue Direktorin: die von Jemima Kirke gespielte Hope. Die sexpositive, tolerante Gesinnung der Schulgemeinschaft ist ihr ein Dorn im Auge. Fortan werden Piercings und bunte Haare verboten, die Schüler*innen müssen zudem Uniformen tragen und Abstinenz-Kurse über sich ergehen lassen. Statt diese traurigerweise immer noch sehr aktuelle Problematik (woxx 1600) auf nuancierte Weise zu thematisieren, reduzieren die Macher*innen Hope auf die Rolle einer karikaturalen Schurkin. Nicht zuletzt wird dadurch ausgeblendet, dass sich Ansichten, wie sie Hope vertritt, meist auf sehr viel subtilere – und dadurch auch schwerer zu bekämpfende – Art äußern.
Diese einzelnen Schwächen sollen jedoch nicht über diese insgesamt hervorragende dritte Staffel hinwegtäuschen. Auf ein Neues zeigen die Macher*innen, dass sie ganz genau wissen, was sie tun, und ihnen die Ideen definitiv noch nicht ausgegangen sind. Langweilig wird es während der zehn Folgen nämlich nie: Durch die ausgewogene Mischung aus Humor und Pathos einerseits sowie die durchweg überzeugenden Schauspielleistungen bleibt „Sex Education“ nach wie vor ein reines Sehvergnügen.