Klima und Denkmalschutz: Abrissmoratorium

Am Montag wurde die Initiative „abrissmoratorium.de“ lanciert. Ausgangspunkt ist der horrende CO2-Ausstoß einer ganzen Branche, aber auch denkmalschützerische Prinzipien werden angesprochen.

Weit über hundert Persönlichkeiten und Verbände haben am Montag einen offenen Brief an die Bundesbauministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz (SPD), gerichtet. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Baubranche in Deutschland mit 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfällen rund 55 Prozent des gesamten Abfalls ausmacht und sie wiederholt ihre Emissionsminderungsziele nicht erreicht hat, verlangen sie ein Abrissmoratorium.

„Heute, wo die Klimaerwärmung spürbar, die Energieversorgung unsicher und die planetaren Grenzen erreicht sind, ist nicht der Erhalt von Gebäudestrukturen erklärungsbedürftig, sondern ihr Abriss“, heißt es in dem Schreiben. Erhaltung alter Bausubstanz soll sich nicht auf ein paar repräsentative Denkmäler beschränken, sondern den gesamten Bestand umfassen. „Die Zerstörung und der Abtransport von brauchbarem Baumaterial auf die Deponie“ sei nicht mehr zeitgemäß.

Das daraus abgeleitete Abrissmoratorium ähnelt stark der vor gut zwei Jahren in Luxemburg lancierten parlamentarischen Petition 1638. So soll zukünftig in Deutschland ein Gebäude nur mehr abgerissen werden, wenn eine „Genehmigung unter Maßgabe des Gemeinwohls, also einer Prüfung der sozialen und ökologischen Umweltwirkungen“ vorausging.

Diese Umkehr der Beweislast war auch Grundlage der Luxemburger Petition, die sich allerdings vornehmlich auf denkmalschützerische Aspekte beschränkte und nur Gebäude die vor 1955 gebaut wurden visierte. Zur Erinnerung: Die Initiative wurde von allen Bänken im Parlament hochgelobt, um dann im später votierten Denkmalschutzgesetz nicht einmal ansatzweise beachtet zu werden.

Die jetzt in Deutschland lancierte Initiative ist breiter angelegt und soll „große Potenziale im Bestand und bereits versiegelter Flächen“ für den Wohnungsbau aktivieren. Die Nutzung bestehender Gebäude anstatt deren Abriss wird als wirksames Mittel gegen die Energie- und Klimakrise gesehen, da die in den Materialien gespeicherte „graue Energie“ bewahrt wird und hilft, den Bedarf an neu zu gewinnenden, energie- und umweltschädlichen Baustoffen zu verringern.

Ein solches Moratorium passe auch zur Kreislaufwirtschaft, da sogar im Falle genehmigter Abrissarbeiten die Wiederverwendung von Bauteilen verfügt werden kann, sodass Deponien erst gar nicht mehr notwendig seien.

Foto: woxx

Den scheinbaren Konflikt zwischen Denkmal- und Klimaschutz auflösen.

Die Initiator*innen sehen darin auch ein Mittel gegen Gentrifizierung und Verdrängung in Ballungsräumen, wobei ihnen auch die „Wertschätzung von Pflege und Reparatur des Bestehenden in seinem ganzen baukulturellen und geschichtlichen Reichtum“ wichtig erscheint.

Als regulatorische Rahmenbedingungen sollte eine verbindliche wirtschaftliche und ökologische Bewertung der Gebäude über den gesamten Lebenszyklus Pflicht und der Erhalt von Gebäuden ökonomisch attraktiver werden. Auch dem Leerstand von Gebäuden sollte mit politischen Mitteln begegnet werden.

Der von Florian Hertweck, Professor für Architektur an der Universität Luxemburg, mitinitiierte Brief könnte so ähnlich auch an den Luxemburger Wohnungsbauminister gerichtet werden.

Auch wenn die denkmalschützerischen Aspekte erst an zweiter Stelle stehen, so dürfte ein solches Moratorium doch dazu beitragen, den scheinbaren Konflikt zwischen Denkmal- und Klimaschutz in großen Teilen aufzulösen. Alte Gebäude sind, nach dieser Betrachtung, kein Hindernis mehr, um Energie einzusparen, sondern Grundlage dafür.

Sicherlich können im Einzelfall die Ansätze von nachhaltigem Wohnen und der möglichst originalgetreue Erhalt alter Bausubstanz auch weiterhin in Konflikt geraten, doch dürfte durch ein solches Moratorium der Druck, möglichst schnell und möglichst viel alten Baubestand abzureißen, um von Grund auf neu zu bauen, wegfallen … und den Spekulant*innen die Lust auf schnelles Geld genommen werden.

Hinweis: Am Dienstag, dem 4. Oktober diskutieren im Sang a Klang ab 19 Uhr Florian Hertweck, Christian Bauer und Markus Hesse zum Thema „Denkmalschutz quo vadis?“. (woxx.eu/quovadis)

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