Klimaschutz: Nein zu Heathrow … und zum Findel?

Ein britisches Urteil unterstreicht den Stellenwert des Pariser Abkommens. Und stellt Ausbauprojekte an anderen Flughäfen in Frage.

(Wikimedia; USAF; PD)

Klimaschutz kann nicht einfach wirtschaftlichen Überlegungen zum Opfer fallen. Dieses Prinzip ist für viele eine Evidenz, in Großbritannien ist es seit diesem Donnerstag rechtskräftig. In einem Appellverfahren hat die Royal Court of Justice der NGO „Plan B“ recht gegeben, die gegen eine neue, dritte Piste am Flughafen Heathrow geklagt hatte. Interessanterweise wurden mehrere andere Klagen, die sich auf Lärmbelastung, Luftverschmutzung und Unwirtschaftlichkeit bezogen, abgelehnt. Einzig das Klima-Argument erschien dem Gericht an diesem Punkt der langjährigen Verhandlungen gewichtig genug, um den umstrittenen Ausbau des Flughafens zu stoppen.

Dabei bezog sich das Gericht laut Guardian ausdrücklich auf die klimapolitischen Verpflichtungen der Regierung durch das Pariser Abkommen. „Plan B“ hatte der Regierung vorgeworfen, nicht überprüft zu haben, ob der Heathrow-Ausbau vereinbar sei damit, den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 Grad und, soweit möglich, auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Zum ersten Mal hat ein Gericht bestätigt, dass diese Temperatur-Obergrenze im Pariser Abkommen eine bindende Wirkung hat“, hält die niederländische Expertin für Völkerrecht Margaretha Wewerinke-Singh fest. Und erinnert daran, dass das Ziel bisher häufig als nur erstrebenswert statt bindend dargestellt wurde und Regierungen deshalb meinten, es in der Praxis ignorieren zu können.

In London wird nicht ausgebaut, in Wien schon

Die britische Regierung wird jedenfalls jetzt Farbe bekennen müssen. Grundsätzlich könnte sie ein neues, um Klimakompatibilitätsstudien erweitertes Ausbauprojekt gutheißen. Doch das ist unwahrscheinlich. Zum einen zählt Premierminister Boris Johnson zu den erklärten Gegner*innen der dritten Piste, zum anderen hat das Parlament im Mai 2019 den Klimanotstand erklärt. Die Regierung hatte daraufhin wissen lassen, dies werde bei ihren künftigen Entscheidungen zum Heathrow-Ausbau berücksichtigt werden.

Das Urteil könnte Auswirkungen haben auf andere umstrittene Ausbauprojekte an Flughäfen. So wurde im vergangenen Jahr eine dritte Piste am Wiener Flughafen in letzter Instanz genehmigt. Dabei interpretierte das Gericht die CO2-Emissionen als von den Fluglinien und nicht vom Flughafen verursachte Klimabelastung – eine Sichtweise, die sich klar von der britischen unterscheidet. Erschienen nach dem Wiener Urteil die Rechtswege ausgeschöpft, so könnten die Pistengegner*innen jetzt versuchen, auf Basis des Völkerrechts gegen Österreich vorzugehen.

Ist der Findel-Boom mit dem Klimaschutz vereinbar?

Auch in Luxemburg wurde der Ausbau des Findels auf juristisch dünnem Eis vorgenommen – Kritik daran ist eines der großen nationalen Tabus. So hat in den vergangenen Jahren selbst der grüne Verkehrsminister François Bausch, unter Verweis darauf, dass „wir ja alle fliegen wollen“, jedweder Kritik abgeschworen. Sogar Déi Lénk zeigten sich besorgt, dass als Folge von Klimaschutzmaßnahmen Fliegen nur noch für Reiche erschwinglich wäre. Auch die Ausrufung des Klimanotstands – immerhin von Déi Lénk beantragt – wurde letztes Jahr von den Grünen und der gesamten Regierung verhindert. Dennoch tut sich nun eine juristische Bresche auf. Vielleicht versucht der seit Jahrzehnten für eine Beschränkung des Flughafenausbaus kämpfende Mouvement écologique ja, unter Verweis auf das britische Urteil, die illegal zustande gekommene Betriebsgenehmigung nachträglich zu kippen.


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