„Luxembourg in Transition“: Landesplanungscasting 
mit offenen Fragen

Die Landesplanungskonsultation „Luxembourg in Transition“ ist gestartet und wurde offiziell vorgestellt. Viele Fragen bleiben weiterhin offen – unter anderem, was konkret herauskommen soll.

Lange Zeit wurde die Landesplanung Luxemburgs von internationalen Teams vorangetrieben – die Prioritäten lagen damals jedoch leicht anders als heute, wie diese Karte von 1744 zeigt. 
(Illustration: British Library)

Landesplanungsminister Claude Turmes (Déi Gréng) twittert nicht oft. Meistens verbreitet er Presseberichte oder Fotos von sich bei Solar- oder Windkraftanlagen, die er gerade eingeweiht hat. Am 31. Juli war das anders: Turmes schrieb gleich vier Tweets zur Konsultation „Luxembourg in Transition“. Das, nachdem die woxx am gleichen Tag einen Artikel zu dem Projekt veröffentlicht hatte. Weder der Presse noch der breiten Öffentlichkeit war die internationale Ausschreibung davor präsentiert worden.

Im Juli hatte die woxx nicht nur die Konsultation und den casting-ähnlichen Prozess beschrieben (siehe woxx 1591), sondern auch einige Fragen zur Bürger*innenbeteiligung und der Implikation der Schweizer Fondation Braillard Architectes und einer Zertifizierung, die diese Stiftung herausgibt, aufgeworfen. Die damals vom Landesplanungsministerium eher ausweichend beantworteten Fragen bleiben zum Teil auch nach der offiziellen Präsentation offen. Zudem stellen sich nun weitere, insbesondere was die konkreten Ergebnisse des Prozesses angeht.

„In einer Konsultation mit international renommierten Experten lassen wir jetzt die verschiedensten Szenarien anschauen. Wir haben uns davon inspiriert, was die Stadt Genf macht, die viele Ähnlichkeiten mit Luxemburg hat. […] Ziel ist es natürlich, diese Szenarien gemeinsam mit den Bürgern zu diskutieren“, hatte Turmes Ende Juli unter anderem getwittert. Wie er damals, vor Ende der Bewerbungsfrist für die Konsultation, bereits wissen konnte, dass sich „international renommierte“ Expert*innen beteiligen würden, ist dann doch eher nebulös.

Mehr Komitees

30 Teams haben sich beworben, um Visionen für ein nachhaltiges Luxemburg und den Weg dorthin zu entwerfen. Zehn von ihnen wurden jetzt für die erste Phase ausgewählt. Den Ausschreibungspapieren zufolge wären maximal 12 Teams möglich gewesen. Bis zum 22. Januar 2021 haben die zehn Teams Zeit, ihren methodologischen Rahmen auszuarbeiten, danach werden sechs von ihnen ausgewählt, die in die zweite Runde kommen. Bis zum 4. Juni müssen sie ihr Transitionsprojekt geplant haben. Die drei Teams, die es in die dritte Runde schaffen, können dann Detailprojekte ausarbeiten, die ein Viertel, einen Häuserblock oder gar ein einzelnes Haus betreffen.

Die Auswahl, welche Teams ins Rennen gekommen sind, trafen gleich drei Komitees: eins, das vor allem aus internationalen Expert*innen besteht und eine wissenschaftliche Evaluation abgibt, ein Beirat (Comité consultatif), der von verschiedensten Inte-
ressenvertretungen besetzt ist und ein „qualitatives Urteil“ abgibt, sowie ein interministerielles Komitee, das ebenfalls evaluiert und urteilt. Letztendlich liegt die Entscheidung jedoch beim Landesplanungsministerium.

Die Zusammensetzung dieser Gremien hat sich seit Juli verändert, teilweise sind die Details jetzt erst bekannt geworden. Im wissenschaftlichen Komitee wurde Katy Fox, die Gründerin des Centre for Ecological Learning Luxembourg (Cell), durch den Historiker Denis Scuto ersetzt. Die fünf Expert*innen, die aus diversen Gründen eine Verbindung zu Braillard haben, sind weiterhin im Komitee. Aus dem Beirat ist die Uni Luxemburg verschwunden, stattdessen sind nun Vertreter*innen des Luxemburger Nachhaltigkeitsrates und des Conseil national pour la construction durable (CNCD) vertreten. Der CNCD ist ein Verein, der gemeinsam von der Bau- und Architekturbranche und der Regierung gegründet wurde, um nachhaltiges Bauen zu fördern. Das Ungleichgewicht in Sachen Wirtschaftsnähe ist in dem Beirat also nicht unbedingt kleiner geworden – die Zivilgesellschaft ist weiterhin nur durch den Mouvement écologique vertreten.

Wo ist die Großregion?

Im Beirat sind außerdem Vertreter*innen der Großregion anwesend, allerdings lediglich aus Rheinland-Pfalz, der Präfektur Grand-Est und den drei Departements Meurthe-et-Moselle, Moselle und Meuse. Das Saarland habe organisatorische Probleme, die Wallonie hätte sich noch nicht gemeldet, so Marie-Josée Vidal, die Generalkoordinatorin des Landesplanungsamts auf Nachfrage der woxx bei der Präsentation von „Luxembourg in Transition“.

Der grenzüberschreitende Charakter der Konsultation wird zwar stets betont, allerdings stellt sich die Frage, ob die Ideen, die am Ende herauskommen werden, tatsächlich in grenzüberschreitende Projekte münden werden, wenn das Interesse jetzt schon so klein ist. Im interministeriellen Komitee ist das Ministerium für die Großregion nicht vertreten, genauso wenig wie das Innenministerium. Die Zusammensetzung, die bisher aus den Ministerien für Landesplanung, Umwelt, Mobilität, Ökonomie, Mittelstand und Wohnbau besteht, kann noch angepasst werden.

Der Direktor ist nur Experte

Ein neues Gremium wird ab Mitte Januar 2021 hinzukommen: ein Bürger*innenkomitee, das aus zufällig ausgesuchten Einwohner*innen Luxemburgs und der Großregion zusammengesetzt sein wird. In diesem sollen junge Menschen überrepräsentiert sein. Für die restlichen Bevölkerungsschichten soll das Umfrageinstitut TNS-Illres einen repräsentativen Ausschnitt auswählen. Das Komitee soll die Arbeit der einzelnen Teams begleiten und seine eigene Meinung abgeben. Ein durchaus interessantes Konzept, das den Vorteil hat, dass nicht nur jene sich zu Wort melden, die ohnehin bereits ein Interesse an Nachhaltigkeit und Landesplanung haben. Allerdings wird die organisierte Zivilgesellschaft dadurch weitestgehend aus dem Prozess ausgeschlossen.

Als Turmes am vergangenen Montag „Luxembourg in Transition“ im Rahmen einer Pressekonferenz offiziell vorstellte, saß neben ihm und Marie-Josée Vidal auch Panos Mantziaras, der Generalkoordinator von „Luxembourg in Transition“ – und Direktor von Braillard. Als die woxx im Juli nachfragte, welche Rolle Braillard im Prozess spielen würde, war die Antwort, dass die Stiftung lediglich im Rahmen des Labels „The Eco-Century Project“ die prozedurale Qualität garantieren würde. Als die woxx Turmes auf der Pressekonferenz damit konfrontierte, dass Mantziaras nun Generalkoordinator sei, schwieg der Minister für einige Sekunden, um die Frage dann an Vidal weiterzuleiten.

„Wir haben Panos Mantziaras als Experten eingeladen, das Projekt zu begleiten, nicht in seiner Rolle als Direktor von Braillard“, war die knappe Antwort, die weitere Fragen aufwirft. Immerhin soll die Architekturstiftung nun die prozedurale Qualität eines Projektes bewerten, das von ihrem eigenen Direktor koordiniert wird. Eine Leistung, die 10.000 Euro kostet. Bisher ist „Luxembourg in Transition“ das einzige Projekt, das mit dem Label ausgezeichnet wurde.

Immer wieder betonte Turmes die inspirierende Wirkung der Konsultation zu „Grand Genève“, die man jetzt in Luxemburg nachbauen will. Tatsächlich haben Genf und Luxemburg zwar einige Gemeinsamkeiten, allerdings müssen hier vier statt lediglich zwei Länder betrachtet werden. Und Luxemburg-Stadt mag zwar ein urbanes Zentrum sein, ein Großteil des Landes besteht aus suburbanem und ruralem Raum, der ganz andere Probleme und Chancen bei der ökologischen Transition hat als eine Metropole.

Internationale Teams für ein zweites „Grand Genève“

Die zehn Teams, die jetzt beim Landesplanungscasting mitmachen, sind international und bestehen bis auf das Team, das vom niederländischen Architekturbüro MVRDV angeführt wird, aus Mitgliedern, die aus mehr als einem Land kommen. Lediglich zwei Teams haben luxemburgische Mitglieder: „Luxembourg 2050 – Prospects for a Regenerative City-Landscape“ wird von der Uni Luxemburg angeführt, in ihm sind auch das Cell und das Biolandbau-Institut Ibla vertreten. Das Architekturbüro 2001 führt ein weiteres Team an, in dem luxemburgische Expert*innen vertreten sind.

Bis zum Dezember 2021 werden die Arbeiten an „Luxembourg in Transition“ laufen, um Visionen zur ökologischen Transition auszuarbeiten. Auf welche Themen sie sich konzentrieren, bleibt den einzelnen Teams überlassen, im Idealfall sollen die Arbeiten sich ergänzen. Ein fertiges Projekt oder Konzept, wie ihn etwa der Rifkin-Bericht darstellt, soll am Ende nicht dabei herauskommen. „Für uns ist das ein Brainstorm im besten Sinne, damit wir die besten Ideen in das neue Programme directeur d’aménagement du territoire einbauen können“, erklärte Turmes auf der Pressekonferenz am Montag.

Sicherlich werden bei „Luxembourg in Transition“ spannende Ideen entstehen. Ob die Öffentlichkeit diese sehen wird, steht jedoch in den Sternen. Es besteht die Gefahr, dass der Beirat, der viele unterschiedliche Interessen – vor allem wirtschaftlicher Natur – vereinen muss, allzu radikale Ideen abwürgt. Dass am Ende des Prozesses, der immerhin 1,4 Millionen Euro kostet, das Landesplanungsministerium die letzte Entscheidungsgewalt darüber hat, welche der Ideen in das Programme directeur einfließen, könnte heißen, dass am Ende wieder nur ein weichgespülter luxemburgischer Kompromiss herauskommt, der nicht mutig genug ist, um die gewaltigen Probleme der Klima- und Biodiversitätskrise zu lösen. Die Transparenzprobleme in Bezug auf Braillard sind in dieser Hinsicht kein gutes Omen.


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