Musical: „Good Girls“ brechen Schwangerschaft ab

In ihrem humoristischen Musical „Good Girls“ greift die Regisseurin 
Larisa Faber das Tabuthema Schwangerschaftsabbruch auf. 
Am Dienstag ist Premiere im Escher Theater. Erwartet das Publikum Klamauk?

Nora Zirka, Monika Valkūnaitė und Teklè Baroti (v.l.n.r.) sind die „Good Girls“ in Larisa Fabers komödiantischem Musiktheater. (© Patrick Galbats)

Woran denken Sie, wenn Sie Musical und Komödie hören? Vermutlich nicht an Schwangerschaftsabbrüche, oder? Larisa Faber, Regisseurin, Drehbuchautorin und Schauspielerin, verbindet in ihrem neuen Stück „Good Girls“ genau diese drei Elemente: Sie macht aus dem Tabuthema Schwangerschaftsabbruch ein mehrsprachiges Musiktheaterstück mit französischen Untertiteln, das die Erfahrung entdramatisieren soll.

„Ich hatte einen Schwangerschaftsabbruch und ich habe mich erleichtert gefühlt“, schreibt Larisa Faber in einer Anmerkung zur Inszenierung, die dem Pressedossier zu „Good Girls“ anhängt. „Die Entscheidung oder die Prozedur waren nicht das Traumatisierende an dieser Erfahrung – es war die Verurteilung, die ich vonseiten des Gesundheitspersonals erfahren habe, und das soziale Stigma, das die Betroffenen isoliert.“ Faber hatte durch den gesellschaftlichen Druck das Gefühl, sie müsse den Abbruch bereuen, obwohl sie nichts dergleichen empfand. Sie erzählt von ihren ersten Berührungspunkten mit dem Thema, davon, dass das in ihrer Kindheit kein Tabu war. Faber wurde in Rumänien geboren, wuchs in Luxemburg auf. Ihre Familiengeschichte sei von der kommunistischen Diktatur unter Nikolae Ceaușescu geprägt, schreibt sie.

Ein banaler Akt

Dieser initiierte 1966 das Dekret 770, nach dem Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche verboten wurden, um die Bevölkerungsdichte in die Höhe zu treiben. Gebärfähige Personen wurden systematisch überwacht, um Schwangerschaften frühzeitig nachzuweisen. Sie sollten mindestens vier Kinder zur Welt bringen. Bei Verstoß gegen das Dekret drohten lange Haftstrafen. Es entstand ein illegales Netzwerk zum Schwangerschaftsabbruch. Statistiken zufolge starben über 11.000 schwangere Personen durch verpfuschte Abbrüche. „Ich bin mit diesen Familiengeschichten aufgewachsen: Enteignung, forcierte Russifizierung, kein Selbstbestimmungsrecht (körperlich)“, offenbart Faber. „All das koexistierte rund um unseren Essstisch.“

Fabers Musical basiert auf den Erfahrungsberichten mehrerer Personen, die einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen haben. Sie hat Menschen in Luxemburg, Litauen und dem Vereinigten Königreich getroffen. In einem Interview mit Godefroy Gordet für die Internetseite culture.lu teilt sie Eindrücke aus zwei Gesprächen, die sie besonders bewegt haben. Sie zitiert Estelle aus Luxemburg und Amy aus dem Vereinigten Königreich. Estelle nennt den Abbruch einen banalen Akt im Leben einer schwangeren Person. „Ich weiß, dass es provokant ist, was ich sage“, schätzt Estelle ihre Haltung laut Faber ein. „Aber es ist die Realität. Es ist ein banales Ereignis.“ Amy will über den Schwangerschaftsabbruch lachen können, denn „wenn wir nicht darüber lachen können, dann sind wir genauso schlimm wie die Menschen, die uns verurteilen“. Ernst sei die medizinische Intervention, wenn es um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ginge. Die Prozedur an sich könne durchaus komisch sein, wie jeder andere Eingriff auch.

Larisa Faber, Estelle und Amy stehen mit dieser Meinung nicht alleine da. Auch Catherine Chéry, Direktorin des Planning Familial, lehnt die grundsätzliche Dramatisierung des Schwangerschaftsabbruchs ab. Im Pressedossier zum Stück verweist sie in einem Beitrag darauf, dass weltweit 61 Prozent der ungewollten Schwangerschaften freiwillig beendet werden. Damit sei der Schwangerschaftsabbruch eine Normalität und sei bei legaler Durchführung durch Professionelle sicher. Für Chéry gibt es weder einen guten noch einen schlechten Umgang mit der Entscheidung, eine Schwangerschaft zu beenden. Jede Emotion sei möglich, genauso wie eine gewisse Teilnahmslosigkeit. Auch das sei in Ordnung. „Der Schwangerschaftsabbruch ist nicht nur eine Gesundheitsfrage. Es ist eine Diskussion über Machtverhältnisse in einer patriarchalen Welt“, schreibt sie.

In Luxemburg steht der Schwangerschaftsabbruch erst seit 2014 nicht mehr im Strafgesetzbuch. Damals wurde außerdem die Regel aufgehoben, dass sich die schwangere Person in einer Notsituation befinden muss, damit dem Abbruch stattgegeben wird. Der Schwangerschaftsabbruch ist inzwischen auf Nachfrage der schwangeren Person bis zur 12. Woche möglich. „Das heißt noch lange nicht, dass der Schwangerschaftsabbruch gesellschaftlich als Wahl statt eines Vergehens angesehen wird oder, dass es leicht wäre, offen darüber zu reden“, betont Chéry.

Mit „Good Girls“ will Larisa Faber dem Thema zu mehr Akzeptanz und einem anderen Gesicht verhelfen. Im Anschluss an die Aufführung vom Donnerstag, dem 10. November, findet um 21 Uhr hierzu ein Rundtischgespräch mit Catherine Chéry und dem künstlerischen Team des Stücks im Escher Ariston statt, wo das Musical übrigens auch aufgeführt wird. Weitere Vorstellungen gibt es am 11. und am 12. November, um 20 Uhr. Bei dieser Gelegenheit und im Planning Familial liegt außerdem eine Publikation zu Schwangerschaftsabbrüchen aus, die Larisa Faber im Zuge des Stückes konzipiert hat. Später zieht das Musiktheater von der einen Kulturhauptstadt zur nächsten: Mitte November wird „Good Girls“ am „Kauno miesto kamerinis teatras“ in Kaunas, 2022 ebenfalls europäische Kulturhauptstadt, gezeigt. Ende November ist es am „Camden People’s Theater“ in London zu sehen.

Good Girls. Am 8., 10., 11. und 12. November 
um 20 Uhr im Ariston in Esch. Hörgeschädigte und schwerhörige Personen erhalten auf Anfrage eine vibrierende Weste (Subpac).

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