Neue Verpackung, selber Inhalt?

Der neue Name des Ministeriums für Chancengleichheit wird von vielen Seiten gelobt. Doch ist er wirklich besser als der vorherige? Und was sagt er über mögliche Zielsetzungen des besagten Ministeriums aus?

© Wikimedia Commons

Wenn sich der Conseil national des femmes du Luxembourg (CNFL) mit einem Schreiben an die Regierung wendet, bedeutet das in den seltensten Fällen etwas Gutes. Die Stellungnahme des Rats zum Koalitionsabkommen liest sich deshalb überraschenderweise schon fast wie eine Lobeshymne. Anlass zur Freude gibt dem CNFL unter anderem die Namensänderung von „Ministerium für Chancengleichheit“ in „Ministerium für Gleichstellung zwischen Frauen und Männern“. Oder auf französisch: „Ministère de l’égalité entre femmes et hommes“. Nicht nur von Chancengleichheit, sondern von „égalité factuelle“ zu sprechen sei ein Fortschritt, heißt es vonseiten des CNFL. Zudem wird die Eindeutigkeit des neuen Titels gelobt.

Der vorherige Titel war in der Tat alles andere als eindeutig. Auch wenn der Begriff „Chancengleichheit“ vor allem dann benutzt wird, wenn es um Fragen der Geschlechtergerechtigkeit geht, so fehlte es dennoch an einer entsprechenden Konkretisierung. So gesehen schafft die jetzige explizite Benennung des Geschlechtsaspekts größere Klarheit. Der neue Titel macht deutlich, dass zwischen Männern und Frauen ein Ungleichheitsverhältnis besteht, das es zu überwinden gilt. Auf den ersten Blick ein banales Detail, ist dies ein wichtiger Schritt weg von einer Formulierung wie „unterrepräsentiertes Geschlecht“, welche den Eindruck vermittelt, dass sich das Ungleichgewicht jederzeit umkehren könnte. Als habe man es für wahrscheinlich gehalten, dass von heute auf morgen beispielsweise im Bildungsbereich Frauen, und in der IT-Branche Männer unterrepräsentiert sein würden. Von „unterrepräsentiertem Geschlecht“ zu reden ist nicht nur vage, sondern regelrecht eine Verleugnung struktureller Diskriminierung.

Diskriminatorische Zweigeschlechtlichkeit

So lobenswert es auch ist, das ungleiche Verhältnis zwischen Männern und Frauen zu benennen, so darf dies nicht auf eine Weise geschehen, die suggeriert, dass es sich bei Männern und Frauen um die einzigen Geschlechter handelt. Die Benennung einer Zweigeschlechtlichkeit ist nicht wertneutral: Sie steht in direktem Kontrast zur Miteinbeziehung anderer Geschlechter. Dadurch, dass die Belange von Männern und Frauen und die von trans, nicht-binären sowie intergeschlechtlichen Personen von unterschiedlichen Ministerien behandelt werden, drückt man implizit aus, dass politisch zwischen den Geschlechtsidentitäten unterschieden wird. Es gibt die „richtigen“ Männer und Frauen – und den Rest. Das ist an und für sich diskriminierend. Es wird zudem ausgeklammert, dass LGBTIQ immer auch etwas mit Geschlecht zu tun hat und LGBTIQ-Personen besonders anfällig für Mehrfachdiskriminierung sind. Warum also überhaupt die Belange von Frauen, Männern und LGBTIQ-Personen getrennt behandeln?

Darüber hinaus stellt sich beim neuen Titel die Frage, von welcher „égalité“ hier eigentlich die Rede ist. Sollen Frauen so werden wie Männer? Oder Männer wie Frauen? Ursprünglich noch ein politischer Kampfbegriff, der mit der Forderung nach gleichen Rechten einherging, wird „Gleichheit“ mittlerweile vor allem zur kapitalistischen Profitmaximierung eingefordert. Geschlechtergerechtigkeit als Optimierungsstrategie der Privatwirtschaft bedeutet, dass Frauen sich der in unserer Gesellschaft vorherrschenden männlichen Lebensweise angleichen sollen: mehr Vollzeitarbeit und Karriere, weniger Kindererziehung und Hausarbeit. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein weniger neoliberal geprägter Begriff wie Chancengleichheit nicht doch angemessener gewesen wäre. Schließlich geht es weniger darum, dass alle Menschen gleich sind, als darum, dass alle die gleichen Ausgangsbedingungen haben, und somit potenziell dieselben Chancen. Je nachdem, wie Chancengleichheit definiert wird, umfasst sie davon abgesehen weit mehr als nur den Abbau von Zugangsbarrieren. Es geht nämlich auch darum, marginalisierte Gruppen durch konkrete Maßnahmen, wie etwa Quoten, zu unterstützen.

Die deutsche Übersetzung des Titels bringt andere Bedenken mit sich, spielt der Begriff „Gleichstellung“ doch auf die Rechtslage an. Dem neuen Titel zufolge geht es darum, dass Männer und Frauen vor dem Gesetz gleichgestellt sind. Nur sind sie das bereits, Diskriminierung findet aber trotzdem noch statt. Gerade ein Begriff wie „Chancengleichheit“ geht jedoch über die Rechtslage hinaus, indem er die vom CNFL geforderte faktische Gleichheit einbegreift und somit recht präzise beschreibt, was die Mission des entsprechenden Ministeriums sein sollte. Wenn das in den letzten Jahren nicht passiert ist, dann liegt es sicherlich nicht am Titel des Ministeriums.

Fakt ist: Gleichstellung vor dem Gesetz reicht nicht aus, Gleichheit zwischen Frauen und Männern zu fordern, ist aber auch nicht Sinn der Sache. Wie wäre es stattdessen mit einem Titel wie „Ministerium für Geschlechtergerechtigkeit“, „Ministerium für Gender-Mainstreaming“ oder „Ministerium für die Chancengleichheit aller Geschlechter“? „Frauen“ und andere marginalisierte Geschlechtergruppen getrennt zu behandeln, kann jedenfalls nur kontraproduktiv sein.


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