Viele wünschen sich eine Steuerpolitik, die soziale und ökologische Probleme angeht. Was wie die Quadratur des Kreises wirkt, könnte in Wahrheit ganz einfach sein.
In den letzten Monaten wurden die Ausmaße der diversen ökologischen Krisen, die die Menschheit auf unserem Planeten ausgelöst hat, immer deutlicher. Durch Demonstrationen von Jugendlichen ist besonders die Klimakrise auf der politischen Agenda ganz nach oben gerückt. Eine Forderung, die nun wieder lauter wird: Eine ökologische Steuerreform, die möglichst auch noch sozial gerecht sein soll. In Luxemburg wird so ein Modell schon länger diskutiert, bisher hat sich aber noch keine Regierung ans Werk getraut. Ein Grund dafür könnte sein, dass Umweltsteuern an sich oft regressiv sind und so besonders die Ärmsten treffen. Regressive Steuern bedeuten, dass man mit zunehmenden Einkommen einen geringeren prozentualen Anteil dieses als Steuer zahlt. Wissenschaftliche Modelle von Ökonom*innen zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall sein muss.
Gerade für einen Nachweis, dass eine sozial gerechte und nachhaltige Steuerreform möglich ist, könnte Luxemburg zum europäischen Testlabor werden – wenn der politische Wille da ist. Gründe dafür gäbe es genug, doch einer sticht besonders hervor: Bisher gibt es kaum ökologisch orientierte Steuern in Luxemburg. Laut dem aktuellen Regierungsprogramm sind nur 4,6 Prozent der Staatseinnahmen auf Ökosteuern zurückzuführen. Eine Anfang 2016 veröffentliche Analyse, die der Mouvement écologique beim „Forum Soziale Marktwirtschaft“ (FÖS) in Auftrag gab, kam auf 5,3 Prozent – in etwa die gleiche Größenordnung. Die umweltbezogenen Steuern beschränkten sich zu 90 Prozent auf den Faktor Energie. Es gibt also viel Luft nach oben in dem Land, das innerhalb der EU an der Spitze steht, was die Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen angeht.
Kaum umweltbezogene Steuern in Luxemburg
Déi Gréng versprachen ihren Wähler*innen 2018 eine „allgemeine ökologische Steuerreform […], welche die Gesamtsteuerlast nicht erhöht und sozial ausgleichend wirkt“ und wollten sich mit den Nachbarländern und den Niederlanden auf einen Mindestpreis für CO2 einigen. Die DP versprach lediglich steuerliche Begünstigungen für Reparaturarbeiten und elektrische Fahrzeuge und wollte langsam aus dem sogenannten Tanktourismus aussteigen. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen einigten sich die drei Parteien auf eine weitere Steuerreform, im Regierungsprogramm gibt es sogar ein Kapitel über ökologische Steuern.
Dort werden zwar höhere Energiesteuern in Aussicht gestellt, allerdings werden diese gleich wieder auf Benzin und Diesel begrenzt. Die versprochene Ökosteuer ist also die bereits bekannte Erhöhung der PKW-Treibstoffpreise um einen beziehungsweise zwei Cent pro Liter. Auch die bereits angelaufene Subventionierung von Elektroautos wurde im Regierungsprogramm angekündigt – mehr allerdings nicht. Bisher ist außer vagen Ankündigungen zum Thema auch nichts mehr zu hören gewesen. Das könnte sich nun bald ändern. Im Rahmen eines Seminars wollen Méco und die Arbeitnehmer*innenkammer eine ökologische und sozial gerechte Steuerreform auf die Tagesordnung bringen (siehe Kasten).
Doch was versteckt sich eigentlich hinter dem Begriff Ökosteuern? Schon sehr lange werden Abgaben als politisches Lenkungsinstrument genutzt. Unerwünschtes Verhalten wie beispielsweise Rauchen wird mit hohen Steuern bestraft, erwünschter Konsum – wie lange Zeit Dieseltanken – wird mit niedrigen Steuersätzen belohnt. Wenn eine Steuer hauptsächlich dazu da ist, gezielt ein bestimmtes Verhalten zu lenken und dabei durch die Internalisierung sogenannter externer Effekte das Versagen des Marktes korrigiert werden soll, spricht man von einer Pigou-Steuer. Sie ist nach dem englischen Ökonom Arthur Cecil Pigou benannt, der bereits 1920 die Ökosteuer erfand. Pigous Idee wurde oft entgegengebracht, dass der Staat meist kein Wissen darüber hat, wie viel die externen Effekte tatsächlich kosten. Es ist äußerst komplex, einen genauen Preis für negative Auswirkungen auf die Umwelt festzulegen.
Der Markt regelt nichts
In der EU wurde mit dem Emissionshandel ETS eine andere, mehr an Marktmechanismen orientierte Methode ausprobiert. Theoretisch sollte der Handel mit CO2-Zertifikaten Firmen dazu anregen, möglichst schnell Technologien zu entwickeln, um weniger Zertifikate zu benötigen. In der Praxis wurde dieses Verfahren von der Politik durch eine großzügige Vergabe von Zertifikaten sabotiert. Auch wenn die Preise mittlerweile gestiegen sind, sind sie auch 14 Jahre nach Einführung von ETS immer noch nicht hoch genug, um Firmen dazu zu bewegen, ihre Emissionen zu verringern. Muss also eine CO2-Steuer her, um das Problem endlich in den Griff zu bekommen?
Die Besteuerung von CO2 würde bedeuten, dass jeder Import von Benzin, Kerosin, Diesel oder Erdgas nach Luxemburg einer besonderen Steuer unterläge. Das würde sich natürlich an der Zapfsäule, im Reisebüro und auf der Gasrechnung bemerkbar machen. Eine solche Steuer wäre wie die Mehrwertsteuer regressiv, weil sie arme Haushalte viel stärker betrifft als Reiche. Arme müssten einen noch größeren Anteil ihres Einkommens für Wärme und Transport ausgeben, während für Reiche kaum ein Unterschied spürbar wäre. So eine Steuerreform hätte vielleicht längerfristig einen Effekt, wäre aber äußerst unbeliebt, wie das Beispiel der Gilets jaunes in Frankreich eindrucksvoll zeigt.
Ein Blick auf wissenschaftliche Diskussionen in der Ökonomie zeigt, dass dieses Problem eigentlich schon länger gelöst wurde. Bereits 1995 veröffentlichte der Ökonom Lawrence H. Goulder von der Stanford University eine Studie, in der er von der „doppelten Dividende“ einer ökologischen Steuerreform schrieb. Einerseits wären positive Effekte auf die Umwelt zu erwarten, andererseits könnten gewisse Ungleichheiten des Steuersystems beseitigt werden. Die Idee erscheint beinahe zu simpel: Steuern auf Ressourcenverbrauch wie beispielsweise Erdöl werden erhöht, während Lohnsteuern gesenkt werden. Damit würde trotz einer kostenneutralen Steuerreform die „gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt“ erhöht. Hinter diesem ökonomischen Jargon versteckt sich die Idee einer gerechteren Gesellschaft.
Goulder legte damit die Grundlage für eine Debatte, die bis heute anhält. In etlichen Modellen wurde versucht, seine Behauptungen zu be- oder widerlegen. 2013 berechneten etwa die französischen Ökonom*innen Mireille Chiroleu-Assouline und Mouez Fodha ein Modell, das Goulder bestätigte. Die Forscher*innen fanden heraus, dass es möglich ist, eine effiziente ökologische Steuerreform durchzuführen, wenn dabei die Lohnsteuer gesenkt und ihre Progressivität – wer mehr verdient, muss prozentual mehr zahlen – gesteigert wird.
Die soziale Ökosteuer ist möglich
Das heißt: Alle haben mehr von ihrem Lohn, wobei Besserverdienende weniger von diesem Effekt haben. Die Preise für gewisse Güter steigen zwar, durch die Steuererleichterungen sind diese jedoch weiterhin bezahlbar. Der ökologische Lenkungseffekt ergibt sich einerseits dadurch, dass Firmen Kosten sparen wollen und andererseits mit der Möglichkeit, durch Vermeidung unökologischen Verhaltens nicht mehr von den entsprechenden Steuern betroffen zu sein. Wer den öffentlichen Transport statt das Auto benutzen kann, hat am Ende mehr Geld zur Verfügung.
Eine solche Verschiebung der Steuerlast war auch Teil der Empfehlungen der FÖS-Studie, die der Méco Anfang 2016 veröffentlichte. Die schlug in sehr konkret ausformulierten Handlungsempfehlungen Steuern auf Energie, Diesel, Dienstwagen, Pestizide und CO2 vor. Auch im momentan laufenden Wahlkampf im Vereinigten Königreich zirkuliert im Wahlprogramm zweier Parteien eine interessante Idee, um den Flugverkehr einzudämmen: Fliegen soll stärker besteuert werden, allerdings wäre ein Hin- und Rückflug pro Jahr von dieser Steuer befreit – um die Vielflieger*innen und nicht die Urlauber*innen zu treffen.
In Luxemburg könnte man sich auch vorstellen, den Flächenverbrauch von Neubauten zu besteuern, um ineffiziente Bauweisen zu vermeiden und eine dichtere Bebauung, die ökologisch und sozial sinnvoll ist, voranzutreiben. Egal, welche schädlichen Umwelteinflüsse die Regierung stärker besteuern will: Sie muss die Reform nachher an ihre Wähler*innen verkaufen können. Das geht am Besten, wenn eine Ökosteuer im Zuge einer allgemeinen Steuerreform eingeführt wird. Das sagen auch Chiroleu-Assouline und Mouez Fodha in ihrer Studie: Eine niedrige Lohnsteuer würde es erlauben „alle Hindernisse, die der Akzeptanz einer ökologischen Steuerreform im Weg stehen, zu beseitigen.“
Veranstaltungstipp: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Steuerreform
Am Dienstag, dem 3. Dezember, laden der Mouvement écologique und die Arbeitnehmer*innenkammer zu einer Veranstaltung rund um eine nachhaltige Steuerreform ein. Zwei Vorträge, gehalten vom Ökonom Luc Chancel und vom Volkswirt Kai Schlegelmilch, stimmen auf das Thema ein. Danach werden die drei Minister Pierre Gramegna, Dan Kersch und Claude Turmes über das Thema diskutieren. Ab 18 Uhr im „Luxembourg Lifelong Learning Center“ der Chambre des salariés, 2-4, rue Pierre Hentges, Luxemburg.