In der ostpolnischen Stadt Lublin kam es am Samstag zu Ausschreitungen bei einer Pride-Parade.

Die polnische Zeitung „Gazeta Polska“ vertrieb Aufkleber mit homophoben Aufschriften. (Foto: CC BY Silar – SA 4.0)
Nach Berichten von „Zeit Online“ und der AFP, bewarfen Gegendemonstrant*innen die Teilnehmer*innen der Pride-Parade in Lublin mit Flaschen und Eiern. Auf „Zeit Online“ heißt es weiter, mit Verweis auf die polnische Zeitung „Gazeta Wyborcza“, es habe sich bei den Angreifer*innen mehrheitlich um Fußballfans aus dem Südosten Polens gehandelt. Die Polizei habe Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt. Mehrere der rund 400 Teilnehmer*innen sowie Journalist*innen wurden verletzt.
Es war zu erwarten, dass die zweite Pride in der Geschichte Lublins nicht problemlos über die Bühne gehen würde. Sie erregte bereits im Vorfeld die Gemüter: Der amtierende Bürgermeister Lublins, Krzysztof Żuk (Platforma Obywatelska, konservativ-liberale Partei), hatte die Pride am vergangenen Dienstag aus Sicherheitsgründen verboten, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Żuk soll sich auf die Ausschreitungen anlässlich der Pride 2018 bezogen haben. Eine fadenscheinige Ausrede, da er die Pride auch letztes Jahr, ohne Erfahrungswerte für seine Stadt, verhindern wollte. In einer Online-Petition hatten dieses Jahr über 3.000 Menschen den Bürgermeister dazu aufgerufen, die Pride zu untersagen. Er konnte sich jedoch, wie schon 2018, auch 2019 nicht durchsetzen. Ein Gericht widerrief das Verbot auch dieses Jahr, nachdem Pride-Organisator*innen gegen die Entscheidung des Bürgermeisters vorgegangen waren.
Letztere hatten im Vorfeld der Pride diverse Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Sie änderten die geplante Route ab; wiesen die Teilnehmer*innen an, LGBT-Symbole auf dem Weg zur Demo zu verstecken, und sahen vor, die erste Reihe der Demo mit Helmen zu schützen. Erst im Juni war es in Bialystok auf einer Pride zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Aktivist*innen und homophoben Gegendemonstrant*innen gekommen.
Die Situation der LGBTIQA-Gemeinschaft in Polen ist allgemein bedenklich. Die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) propagiert seit ihrem Amtsantritt 2015 eine homophobe Ideologie, die sich EU-Werten widersetzt. „Die Panikmache bezüglich der ‘LGBT-Ideologie’ ist in Polen beinah zum Grundsatz geworden“, zitiert Reuters Stanley Bill, einen Dozenten für polnische Kultur und Politik an der Cambrige-Universität. „Boshafte Andeutungen von Regierungsmitgliedern und öffentlichen Medien sind inzwischen die Regel.“ In Polen wurden bisher nur 18 Prozent der LGBTIQA-Rechte, gemessen an bestehenden EU-Richtlinien, umgesetzt. Die PiS unter Parteichef Jarosław Kaczynski kämpft entschieden gegen die Wertevermittlung der EU.
Die woxx berichtete bereits anlässlich der EU-Wahlen über den Backlash, den die EU in Bezug auf LGBTQIA-Rechte teilweise erfährt. Reuters verweist in dem Kontext auch auf eine Studie, die eine Firma für Marktwirtschaft in London zur Haltung gegenüber der LGBT-Gemeinschaft in Polen durchgeführt hat. Die Ergebnisse sind deutlich: Über ein Drittel der 1.000 Befragten sprach sich darin für die Verbannung von Prides aus. Darüber hinaus haben sich verschiedene Regionen Polens als „LGBT-frei“ erklärt. Am 13. Oktober sind Wahlen in Polen. Ein Sieg der PiS wird die gesellschaftliche und politische Ablehnung der LGBTQIA-Gemeinschaft in Polen voraussichtlich kräftigen und fördern.